Sebastian Kurz muss Ende Mai wieder vor Gericht

Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz (38) muss erneut vor Gericht: Am 26. Mai findet vor dem Oberlandesgericht Wien seine Berufungsverhandlung statt.
Die Verhandlung, bei der auch sein Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli sein erstinstanzliches Urteil bekämpft, ist vorerst nur für den Vormittag anberaumt.
Kurz: "Bin unschuldig"
Kurz und Bonelli wurden im Februar vergangenen Jahres wegen falscher Beweisaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss von Richter Michael Radasztics verurteilt – Kurz zu acht und Bonelli zu sechs Monaten bedingter Haft. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, weil Kurz und Bonelli Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe eingelegt haben.
Beide betonen nach wie vor, unschuldig zu sein, und nicht beabsichtigt falsche Angaben gemacht zu haben. Zu zwei von drei Anklagepunkten wurde Kurz freigesprochen, weil die Vorwürfe nicht nachgewiesen werden konnten, der Schuldspruch erging nur zu einem Punkt.
Wie läuft die OLG-Verhandlung ab?
Stattfinden wird die Verhandlung in einem Saal im dritten Stock des Justizpalastes in Wien - einen Stock über jenem Saal, in dem sich zuletzt Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der Buwog-Causa an mehreren Tagen seiner Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) gestellt hat.
Die Verhandlung gegen Kurz und Bonelli sollte - so der Plan Stand Dienstag - an einem Vormittag abgehandelt werden. Sollte es länger dauern, können aber noch weitere Tage vereinbart werden. Zur Erinnerung: Der Prozess beim Straflandesgericht hat zwischen Herbst 2023 und Februar 2024 zwölf Tage in Anspruch genommen.
Der Ablauf sieht so aus:
- Im Dreiersenat an OLG-Richtern gibt es einen Referenten, der den Fall vorbereitet hat und der das Urteil des Erstgerichts bei der Berufungsverhandlung "kurz darstellt", wie ein OLG-Sprecher erklärt.
- Dann kommen die "Rechtsmittelwerber" - das sind die Verteidiger - zu Wort und führen ihre Rechtsmittel aus. Sie behaupten erstens, dass die Verhandlung vor dem Erstgericht nicht korrekt abgelaufen ist (Nichtigkeit); zweitens, dass das Urteil falsch war (Schuld) und wehren sich drittens gegen die Strafe.
- Als nächstes darf sich in einem OLG-Verfahren die Oberstaatsanwaltschaft äußern - das ist in diesem Fall die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die auch gegen Kurz und Bonelli ermittelt und Anklage erhoben hat. Theoretisch kann dieselbe Person, die schon beim Erstgericht für die WKStA die Anklage vertreten hat, beim OLG auftreten. Gregor Adamovic ist inzwischen ins Richteramt gewechselt, Roland Koch aber ist noch bei der WKStA.
Die Verteidiger können noch Anträge zur Beweisergänzung stellen - etwa, dass zusätzliche Zeugen geladen oder Gutachten eingeholt werden sollen.
Das ist eine Besonderheit: Anders als der OGH (u.a. bei Grasser) kann das OLG "in die Beweiswürdigung einsteigen", erklärt ein Sprecher. Das Urteil des Erstgerichts wird also auch inhaltlich geprüft.
- Das letzte Wort haben dann die Angeklagten, bevor sich der Dreiersenat zur Beratung zurückzieht.
Bestätigen, teils oder ganz aufheben
Für die Entscheidung gibt es mehrere Denkvarianten: Der Dreiersenat kann die Urteile der ersten Instanz voll bestätigen, er kann den Rechtsmitteln aber auch teilweise stattgeben und die Strafe senken.
Wenn aus Sicht des OLG "kein strafbares Verhalten festgestellt werden kann", kann das Urteil komplett aufgehoben werden. Möglich ist auch, dass Teile ans Erstgericht zurückverwiesen und neu verhandelt werden müssen.
Fest steht: Das Urteil des OLG kann nicht weiter angefochten werden - zumindest nicht mit einem "ordentlichen Rechtsmittel", die die Vollstreckung hemmen würden.
An "außerordentlichen" stünde den Verteidigern noch der Weg zur Generalprokuratur offen, wo sie eine "Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes" anregen könnten. Das passiert beispielsweise, wenn man der Ansicht ist, dass das Urteil auf einer "Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes" beruht.
Eine weitere Option wäre ein "Erneuerungsantrag", wenn man meint, es seien "grobe Rechtsfehler" passiert oder ein Urteil aus Willkür getroffen worden.
Und freilich bliebe Kurz und Bonelli noch der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dorthin will sich auch Karl-Heinz Grasser wenden, nachdem der OGH Ende März seinen Schuldspruch (vier Jahre Haft) bestätigt hat.
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