Schulen sollen sich Lehrer künftig selbst aussuchen

Ministerin Sonja Hammerschmid
Ministerin Sonja Hammerschmid will zwei große Reformen anpacken: Autonomie und Ausbau der Ganztagsschulen. Direktoren sollen ihre Lehrer aussuchen können. Und: Eltern und Pädagogen sollen gemeinsam ein Konzept entwerfen, wie "ihre" Schule aussieht.

An ihren ersten Schultag kann sich die 48-jährige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid nicht erinnern. "Meine erste Schultüte habe ich an meinem ersten Tag als Rektorin an der veterinärmedizinischen Universität bekommen. Mit Schokolade, Spielzeugtieren und Tierbüchern. Ein Willkommensgruß von den Uni-Kollegen", erzählt sie lachend.

Seit 110 Tagen ist die Oberösterreicherin nun im Amt. Über den Sommer hat Hammerschmid sondiert, sich informiert, beraten und ein Konzept ausgearbeitet. Und das hat es in sich – es ist nicht weniger als eine Revolution des österreichischen Schulsystems, was sie da ankündigt. Zwei große Themen stehen auf ihrer Agenda: "Autonomie und Ganztagsschule", sagt sie im KURIER-Interview. Themen wie Gemeinsame Schule oder Verwaltungsreform stehen auf ihrer Prioritätenliste dagegen ganz weit unten. "Ich kümmere mich um die Dinge, die schnell in den Klassen und bei den Kindern landen können", argumentiert sie. Also weg von ideologischen Gräben hin zu der Politik des Machbaren.

Ihre Vision: Jeder der 5732 Standorte soll autonom entscheiden dürfen, wie der Schulalltag aussehen soll, also welche Schwerpunkte sie sich setzen und wie die Organisation aussieht. In der Praxis bedeutete das: "Ich will, dass die Schulleitung ihre Lehrer selbst aussuchen kann und selbst entscheidet, wen sie an ihrer Schule haben will. Weil für ein Gelingen ist wesentlich, dass die Lehrerteams gut miteinander arbeiten können und die Pädagogen zum Schwerpunkt passen", sagt Sonja Hammerschmid.

Damit geht sie deutlich weiter in ihrer Forderung als ursprünglich von der Regierung ausgemacht war. Da hätte es nur eine Mitsprache der Direktoren bei der Neueinstellung geben sollen. Damit aber nicht genug: "Ich will alles öffnen: Unterricht soll in Projekten statt nur in Fächern möglich sein – und das klassen- und jahrgangsübergreifend. Es muss einzig gewährleistet sein, dass die Schüler noch Schule wechseln können." Heißt: Den Stoff müssen alle beherrschen – bei dem, wie man unterrichtet, kann es neue Wege geben.

"Im Herbst", so die Ministerin, sollen die entsprechenden Gesetze koalitionär ausformuliert sein und noch heuer beschlossen werden. Das ist eine Monsteraufgabe, weil da viele Bereiche wie Dienstrecht, Leistungsbeurteilungsverordnung oder Schulorganisations- und Schulunterrichtsgesetz wesentlich betroffen sind.

Von dieser Schule träumt sie

Und wie würde ihr Schulmodell aussehen, wäre Hammerschmid Direktorin einer Landschule? Bei dieser Frage merkt man, wie sehr sie sich mit ihrer neuen Aufgabe identifiziert: "Ich gehe davon aus, dass viele Eltern berufstätig und Pendler sind, und würde mich deshalb für eine Ganztagsschule starkmachen, bei der Lernen, Spielen und Freizeit optimal miteinander verbunden sind. Gemeinsam mit Eltern und Pädagogen würde ich dann ein Konzept erarbeiten, wie das aussehen soll: Öffnungszeiten von 7.30 Uhr bis 17.30 Uhr, Mittagessen, Schwerpunkte, neue Unterrichtsmethoden wären da möglich. Dazu könnten an zwei Nachmittagen örtliche Vereine wie der Sportclub oder der Bläserchor an die Schule kommen, um mit den Kindern zu musizieren und sie zu unterrichten. Was immer an Angeboten sinnvoll ist, soll möglich sein."

Comic auf dem Stundenplan

Bei der Frage, wie und was gelehrt werden soll, vertraut Hammerschmid der Kompetenz der Pädagogen: "Ich wünsche mir, dass alle Lehrer nachdenken, wie die Anforderungen der Zukunft adressiert werden können. Wie diese Herausforderungen aussehen, wissen wir nicht, wir werden aber wohl Fähigkeiten brauchen, die derzeit nicht im Lehrplan stehen. Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik bleiben natürlich auf dem Stundenplan. Aber viel mehr wird nötig sein: Probleme lösen, im Team arbeiten, soziale Kompetenz, unternehmerische Fähigkeiten, Kreativität und in hohem Maße die Lust am Lernen. Das sind die Fähigkeiten, die wir in der Wirtschaft und für die Gesellschaft brauchen. Und die müssen in einer anderen Art des Unterrichts erarbeitet und präsentiert werden."

Ein Beispiel: Französische Revolution kann man als trockene Geschichtsstunde machen oder fächerübergreifend im Projekt, wie sie das an einer Schule erlebt habe: "Da wurden Comics auf französisch gezeichnet. Das geht auch beim Klimawandel, wo Wissen über Geografie, Mathematik, Physik und Chemie gebraucht werden. So können Zusammenhänge besser verstanden und gemerkt werden."

Schöne neue Schulwelt, die die Ministerin beschreibt. Was macht Hammerschmid zuversichtlich, dass diese revolutionäre Reform nicht nur eine Ankündigung bleibt? "Autonomie war immer ein Thema, wo sich alle Entscheidungsträger einig waren. Mit meinem Gegenüber in der Regierung, ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer, habe ich ein sehr gutes Einvernehmen und auch die Gewerkschaft kennt das Thema. Wenn es ins Detail geht, müssen wir natürlich reden, weil sie womöglich andere Vorstellungen hat."

Viel Geld für die Ganztagsschule

Noch vor dem Sommer hatte sich die Regierung darauf geeinigt, dass 750 Millionen Euro in den Ausbau der Ganztagsschule investiert werden. Die große Summe macht deutlich, wie wichtig der Regierung dieses Projekt ist. Zum Vergleich: Für den Umbau der Hauptschulen in Neue Mittelschulen wurden "nur" 233 Millionen Euro im Budget lockergemacht. Hammerschmid muss die Details jetzt mit den Ländern klären. Eine Überraschung ist, dass Schulen auch Ferienbetreuung im Sommer anbieten sollen. "Die Ferienbetreuung ist in der Tat eine Herausforderung für Eltern. Das habe ich als Rektorin an der Uni erlebt und deshalb ein Angebot geschaffen. Das wurde sehr gut aufgenommen."

Für die Lehrer wird sich somit viel ändern. Das beginnt bei den Schulleitern, die in Management, Personal- und Schulentwicklung geschult werden müssen. Und bei den Pädagogen: "Wenn ich Fortbildung ernst nehme, ist diese mehrtägig und intensiv, deshalb kann sie nur in den Ferien stattfinden. Während der Unterrichtszeit können wir auf keinen Lehrer verzichten."

Thementage Schule

Vom 5. bis 7. September kommen in der KURIER-Beilage Experten zu Wort, die wertvolle Tipps zum Schulbeginn geben. Themen sind zum Beispiel Eingewöhnung, Lernschwächen, Ernährung, Mobbing oder sicherer Schulweg usw. Internet: www.kurier.at/schule

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