Heftige Debatte um Kontrollen im Privatbereich: Sollen Partys aufgelöst werden dürfen?

CORONAVIRUS: POLIZEI MIT MUNDSCHUTZ
Der Gesundheitsminister erteilt der Forderung des steirischen Landeshauptmannes eine Absage. FPÖ-Klubchef Kickl spricht von einer "Corona-Diktatur“. Auch für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kommt "Schnüffeln im Privatbereich“ nicht infrage.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilt der Forderung des steirischen Landeshauptmannes Hermann Schützenhöfer (ÖVP) nach Corona-Kontrollen im Privatbereich ein Absage. Das Covid-Maßnahmengesetz schließe Kontrollen im privaten Wohnbereich aus, und das sei auch "grundsätzlich richtig", meinte Anschober am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal". Er glaube, dass "die allermeisten Menschen imstande sind, klaren Empfehlungen Folge zu leisten".

Schützenhöfer übt im KURIER-Interview (siehe auch Video unten) ungewöhnlich offene Kritik am derzeitigen Corona-Management der Regierung und forderte auch einen "verfassungsrechtlich gangbaren Weg", um bei Verstößen gegen Corona-Regeln auch im Privatbereich eingreifen zu können. "Für bestimmte Fälle, für bestimmte Zeiten", meinte der Landeshauptmann. Bei gesundheitlichen Herausforderungen wie Corona gebe es "Einschränkungen der Freiheit", sagte er. "Ich will ja nicht in Schlafzimmer hineinschauen, aber wenn bei Privatpartys in einem Keller oder in einer Gartenhütte Exzesse gefeiert werden, muss man das auflösen können."

Gesetz umgesetzt

Der Gesundheitsminister denkt aber nicht an die Schaffung derartiger rechtlicher Möglichkeiten und verwies stattdessen auf die geltende Rechtslage. Sein Job sei es, dieses Gesetz umzusetzen. Anschober appellierte stattdessen einmal mehr an die Verantwortung des Einzelnen, jeder müsse Teil der Lösung sein.

 

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer im Checkpoint bei Richard Grasl

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner: "Schnüffeln ist ausgeschlossen“

Schützenhöfers Vorschlag stößt  auf breite Ablehnung. SPÖ-Chefin Pamela  Rendi-Wagner kritisiert den Vorstoß des steirischen Landeshauptmanns, im Bedarfsfall auch Feiern in privaten Haushalten auflösen zu können. Die SPÖ habe hier immer eine klare Position gehabt: "Schnüffeln in privaten Wohnräumen ist für uns ausgeschlossen."

Kickl: "Corona-Diktatur beenden“

Ein heftiges Nein kommt auch von der FPÖ. Der Klubobmann Herbert Kickl übt an Schützenhöfers Vorschlag Kritik und vergleicht die Idee des steirischen Landeshauptmann mit "austrofaschistischen Überwachungsfantasien“. So schreibt Kickl in der Aussendung.  "Die ÖVP will offenbar unter dem Corona-Deckmantel in die Privatwohnungen eindringen. Kurz-Unterstützer Schützenhöfer lebt seine austrofaschistischen Überwachungsfantasien aus. Mit derartigen Vorschlägen ist der ÖVP-Landeshauptmann selbst ein Fall für den Verfassungsschutz, er sollte unter Beobachtung gestellt werden. Die ÖVP bereitet Schritt für Schritt die absolute politische Landnahme gegen die Grund- und Freiheitsrechte der Österreicher vor.“

Ähnlich wie Anschober betont auch Kickl, dass es für solche Maßnahmen keine verfassungsrechtliche Basis gibt.  "Ich verlange von der gesamten Bundesregierung eine Garantiererklärung, dass das Hausrecht nicht angetastet wird“. Schützenhöfers Vorwurf der „privaten Exzesse“ sei eine neue Stufe der Schuldzuweisung an die eigene Bevölkerung: „Zuerst waren es Feiern, dann Partys und jetzt Exzesse“, so Kickl weiter.

Auch FPÖ-Chef Norbert Hofer warnt angesichts dieser Vorschläge via Aussendung vor einem Spitzelstaat. „Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Krise unsere Gesellschaft zerstört und Katalysator für einen Spitzelstaat wird“. Der FPÖ-Chef betont, dass Familien und der private Bereich  zudem keine Cluster seien,  sondern vielmehr das Ende von Infektionsketten. „Das Virus entsteht zunächst nicht in Familien, die ohnehin permanent im selben Haushalt leben. Menschen werden an anderen Orten angesteckt und bringen das Virus in die Familie. Dort endet die Infektionskette.“ 

Kritik an Allerberger: "Nicht mehrheitsfähig"

Wenig glücklich zeigte sich Anschober auch mit Aussagen des Infektiologen Franz Allerberger. Der Leiter der Abteilung für Öffentliche Gesundheit der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) sagte am Sonntag im Ö3-„Frühstück bei mir“ über die langfristige Perspektive zum Coronavirus: „Jeder von uns wird es früher oder später kriegen, außer er stirbt vorher. Es wird keine einfache Lösung geben.“

Anschober dazu: "Es ist tatsächlich so, dass er Teil meines Beraterstabs ist und dass er da in manchen Bereichen eine Meinung vertritt, die nicht mehrheitsfähig ist.“ Aber es sei dennoch im Rahmen der freien Wissenschaft, diese Meinung auch kundzutun, wenngleich Allerberger, etwa in Fragen der Sinnhaftigkeit des Mund-Nasen-Schutz eine Botschaft abseits des Mainstreams vermittle. Anschober: "Aber ich sehe schon, dass das Teile der Bevölkerung auch verwirren kann."

Zurückhaltend zu Lockdown

Was einen erneuten Lockdown wegen der stark steigenden Infektionszahlen betrifft, gab sich Anschober zurückhaltend - man habe im Gesetz eine gute Regelung, die besage, dass für eine solche Maßnahme das Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch stehen müsste. "Da stehen wir weit davon entfernt", betonte er. Freilich, fügte er an, könne sich dies schnell ändern, man betreibe ein tägliches Monitoring. Eine Überlastung würde er erst bei einer Auslastung der Intensivbetten von 60 bis 70 Prozent ausmachen, "da ist noch Luft da".

Anschober verteidigte die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung gegen das Coronavirus. Sie würden erst mit einer gewissen Zeitverzögerung wahrnehmbar sein, Nachbarländer wie Tschechien oder Slowakei seien bereits zu wesentlich strengeren Maßnahmen gezwungen gewesen, sagte der Minister.

„Tatsächlich ist es so, dass es in den nächsten Wochen eine Phase der Weichenstellung gibt" erklärte Anschober. "Die nächsten drei, vier Wochen werden absolut entscheidend sein, wie unsere Zukunft aussieht.“

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