Zum Start brachten die „Journalisten“ eine inhaltloslose Meldung über einen Ex-Pressesprecher der
SPÖ, gefolgt vom ersten Teil einer angeblich zwölfteiligen Story über Sebastian Kurz und einem mit ihm befreundeten Unternehmer. profil deckte inzwischen auf, dass ein IT-Unternehmer, der einst für das Liberale Forum tätig war, mitarbeitet.
Dennoch: Die Aufdeckergeschichte ohne Nachrichtenwert gipfelt in einer Mailanfrage an Kurz: „Wussten Sie, dass Personen in Ihrem Umfeld behaupten, dass ein Foto kursiert …“, soll der ÖVP-Chef irgendwelche
Gerüchte von irgendwem beantworten.
„Eine perfide Suggestivfrage, die de facto auch nicht klagbar ist. Es wäre absurd, darauf zu reagieren. Aber es lässt Irritationen entstehen, und kein kleiner Teil von politischen Gegnern von Kurz wird bereit sein, diese Gerüchte als Fakt zu sehen“, erklärt der Politologe
Fritz Plasser. „Auch für mich ist das eine in Österreich völlig neue Dimension der Desinformation.“
Dabei ist weder die Intention noch die Vorgangsweise der Namenlosen neu: Es geht um "Negative Campaigning", also um eine spezielle Form der politischen Öffentlichkeitsarbeit, die politische Gegner in einem möglichst schlechten Licht darstellen soll.
In
Österreich ist das Thema erstmals im Wahlkampf 2017 einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden, nachdem durchaus dilettantische Versuche der Sozialdemokraten rund um den israelischen Politikberater Tal Silberstein implodiert waren und dessen Aktion in Zeitungen und Magazinen detailliert beschrieben wurde.
Bei der als „Silberstein-Affäre“ bekannt gewordenen Kampagne sollte Kurz über anonyme Facebook-Seiten mittels Postings und Videos unter anderem rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Gesinnung unterstellt werden.
Die politischen Gegner schlachteten die Aktion weidlich aus, für den Großteil der Interessierten blieb wohl hängen, dass „Dirty Campaigning“ eine Erfindung der SPÖ im Jahr 2017 war. Dabei sind Sudelkampagnen so alt wie die Politik. Schon US-Präsident Andrew Jackson, um nur eines von unzähligen Beispielen zu nennen, wurde in seinem Wahlkampf im Jahre 1827 durch anonyme Flugblätter attackiert, auf denen Jacksons Mutter eine Prostituierte genannt und Jacksons Ehefrau des Ehebruchs bezichtigt wurde.
Schmutzkübel schon bei den alten Römern
„Gerüchte über den politischen Gegner streuen, die dann langsam am Forum Romanum hinter vorgehaltener Hand weitergegeben wurden, das gab es schon im alten Rom“, weiß Plasser. So habe Ciceros Bruder Quintus Tullius das erste bekannte politische Kampagnenhandbuch verfasst.
Auch der Volkspartei flogen Dirty-Campaigning-Aktivitäten schon einmal um die Ohren, als bekannt wurde, dass die Wiener Landespartei Agenturen beauftragte, um für die Partei positive Postings in Internetforen zu lancieren (siehe unten).
Letzte Dirty-Campaigning-Aktion: das Ibiza-Video. Bis heute ist nicht bekannt, wer dahinter steckt. Der Schaden war riesig, mit einem plötzlichem Bruch der Regierung samt Neuwahlen und dem Ende langjähriger Politkarrieren. Auch wenn es hier nicht um Desinformation ging, sondern ums Bloßstellen.
Desinformation aus dem Kreml
Längst bekannt ist, dass der Kreml seit Jahren Polit-Agitation betreibt, indem in westlichen Demokratien durch Falschinformation mittels anonymer Quellen in Sozialen Medien für oder gegen Politiker Stimmung gemacht wird.
Ratlos bleibt Plasser dennoch bei der Frage, wie man Schmutzkübel-Aktionen wie jene von Zoom verhindern kann. „Da sehe ich ehrlicherweise keine Möglichkeit. Selbst ein Fairnesspakt der Parteien im Wahlkampf wäre sinnlos, weil das ja nicht selten einfach von Sympathisanten kommt. Solche Freibeuter sind ja unkontrollierbar und haben kein echtes Ziel.“
Plasser bricht aber eine Lanze für Qualitätsmedien. „Alleine, dass die Autoren bekannt und kontaktierbar sind, dass Sitz und Chefredaktion eines Mediums aufrufbar sind, unterschiedet letztlich professionelle politische Kommunikation von diesen Freibeutern.“
Für das, was bis zur Wahl kommt, sieht Plasser aber schwarz: „Ich denke, da wird uns noch einiges bevorstehen.“
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