Sobotka-Rücktritt? "Ich weiche nicht"
KURIER: Herr Sobotka, Sie werden als Beschuldigter von der WKStA geführt. Trotzdem wollen Sie den U-Ausschuss als Vorsitzender weiterführen. Warum kommen Sie der Forderung der Opposition nicht nach, und legen den Vorsitz zurück?
Wolfgang Sobotka: Der U-Ausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition. Wir sollten uns mit politischen Inhalten gegenseitig messen und nicht juristische Mittel einsetzen, um jemanden zu diskreditieren. Wenn ich mir in der Sache nicht so sicher wäre, würde ich nicht so handeln. Ich weiche nicht der politischen Untergriffigkeit, die muss man leider Gottes aushalten. Auch wenn manches, was einige Abgeordneten an den Tag legen, grenzwertig ist. Aber es wird der Tag kommen, wo man das wieder gerade rückt.
Es läuft kein U-Ausschuss, der sich mit einer Pleite-Bank oder Coronapolitik beschäftigt, sondern mit Korruption. Gegen Sie wird wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Sehen Sie nicht, dass Ihr Status quo mit der Thematik nicht zusammengeht?
Es heißt „Kurz muss weg“, „Blümel muss weg“, „Wöginger muss weg“, die „ÖVP muss weg“ – und jetzt muss Sobotka weg. Das ist eine Strategie. Wenn einzelne Personen, die von uns nominiert wurden, ein strafrechtliches Fehlverhalten an den Tag gelegt haben, dann ist das aufs Schärfste zu verurteilen. Die ÖVP ist eine Partei mit Tausenden Mitgliedern von der Regional- bis zur EU-Ebene. Die ÖVP als Korruptionspartei zu bezeichnen, ist in keiner Weise gerechtfertigt.
Wirklich nicht? Im Casinos-Verfahren wird mittlerweile eine Latte an ehemaligen, hochrangigen ÖVP-Politikern als Beschuldigte geführt ...
Ich würde die SPÖ auch nie als Korruptionspartei bezeichnen, weil Ex-Minister wie Hannes Androsch oder Charly Blecha rechtskräftig verurteilt wurden. Auch wurden Androsch oder Blecha nie aus der Partei ausgeschlossen. Da soll jeder vor der eigenen Tür kehren. Ich halte es für degoutant, dass – obwohl im Gesetz geschrieben steht, dass die Ermittlungen nicht öffentlich zu führen sind – jeder Ermittlungsschritt an die Öffentlichkeit kommt. Aber von jenen Verfahren, die nicht weiterverfolgt wurden, hört man dann nichts mehr. Ich bin in diesen beiden U-Ausschüssen zum sechsten Mal angezeigt worden. Fünf Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt. Jetzt hat mich Peter Pilz ein sechstes Mal angezeigt. Wer soll denn da noch zweifeln, dass das kein politischer Angriff ist?
Ein Rücktritt ist aus Gründen der politischen Hygiene also kein Thema..
Ich frage mich, warum holt man ein Verfahren, dass von der WKStA an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten wurde, wieder zurück und eröffnet es vor der Verjährungsfrist? Bei diesem Tatsachensubstrat sagen mir Juristen: Diese Suppe erscheint recht dünn. Ich haben den Erstgereihten der Personalkommission bestellt. Das Ziel der Opposition ist, jemanden solange weich zu schießen, bis man zurücktritt. Das wird bei mir nicht funktionieren. Jetzt ist die Justiz am Zug.
Die Grenze für Sie ist erst eine strafrechtliche Verurteilung?
Ich habe das, was man mir vorwirft, nicht getan. Warum sollte ich für eine Sache, die ich lege artis (vorschriftsmäßig) gemacht habe, zurücktreten?
Kurz haben Sie aber überlegt, Andrea Jelinek zur Vizepolizeichefin zu machen.
Nein, das habe ich nicht.
Das schreiben Sie im Chat an Ihren Ex-Kabinettschef.
Der Chat war nicht meiner, ich habe ihn weitergeleitet.
Dann haben Sie eine Meinung übernommen...
Ich habe meinem Ex-Kabinettschef den Chat, in dem Andrea Jelinek als Vizepolizeipräsidentin vorgeschlagen wird, weitergeleitet und ihn gefragt: Was hältst du davon? Heißt das wirklich, dass man sich einer Meinung angeschlossen hat? Selbst wenn ich mich für einen anderen Kandidaten erwärmt hätte, hätte ich die Kommissionsentscheidung akzeptiert. Das habe ich schon in meiner Zeit als Bürgermeister so gehandhabt.
Schaden Sie mit ihrer Haltung nicht der Partei? Wie soll Kanzler Karl Nehammer den Tanker ÖVP wieder auf Kurs bringen, wenn man in der Dauerdefensive ist?
Wie weit ist eine Gesellschaft geraten, wenn jeder, der einem nicht in den Kram passt, zum Freiwild wird? Um den Schaden abzuwenden bin ich bereit, schon morgen bei der WKStA auszusagen. Die WKStA kann aber auch den Personalakt herbeischaffen. Denn es gibt ihn schon im U-Ausschuss, im Strafakt ist er interessanterweise noch nicht. Aus der Bundespartei höre ich zudem, dass so viele Reaktionen eingegangen sind, wie selten zuvor, dass man sich das auf keinen Fall gefallen lassen soll.
Im Vertrauensindex liegen Sie aber auf minus 56. Das ist kein Ruhmesblatt für den Nationalratspräsidenten...
Im Vertrauensindex haben alle Politiker gelitten. Natürlich bin ich nicht glücklich über den Zustand. Man muss damit leben, dass wir eine Geisteshaltung haben, bei der die Vorverurteilung schon als Ist-Zustand gesehen wird. Ich bin insgesamt 20-mal angezeigt worden. Wenn man eine Haltung hat, die nicht komfortabel ist, muss man mit solchen Einbrüchen zurechtkommen.
Sie haben als Minister eine Interventionsliste geführt. Ist das wirklich normal?
Das ist die Liste, die man zu den Sprechstunden mitnimmt. Das sind hauptsächliche sachliche Anliegen, beispielsweise wenn man eine zu hohe Miete zahlt oder man nicht gut im Krankenhaus behandelt wurde. Personelle Anliegen sind dabei völlig vernachlässigbar. Ich habe Hunderte Interventionen im Jahr, und gehe mit allen gleich um: Prüfen, weiterleiten ober bearbeiten und rückmelden. Jeder, der sich an mich wendet, bekommt auch eine Antwort.
Es heißt, Ihre Causa belastet die Koalitionsstimmung. Wie steht es um das Klima?
Ich würde mich über den Koalitionspartner nicht so äußern, wie das grüne Kollegen über mich gemacht haben. Solche Ratschläge brauche ich nicht, denn sie sind auch Schläge. Wir schlucken einiges, was nicht immer leicht vor den ÖVP-Mitgliedern zu verteidigen ist. Jeder, der hier Öl ins Feuer gießt, schadet der Politik insgesamt.
Das sagt man Ihnen auch nach...
Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Entweder es gibt noch einen Rechtsstaat oder keinen? Was ist mit den fünf Anzeigen, die eingestellt wurden. Hat sich da jemand für den öffentlichen Schaden entschuldigt? Für mich war interessant, was Ex-OGH-Chef Eckart Ratz zur WKStA gesagt hat. Er meinte, dass es ihm zu denken gebe, wenn sich eine Staatsanwaltschaft ihre Fachaufsicht selbst aussuchen will. Wenn Irmgard Griss etwas kritisiert, wird sehr genau zugehört. Das sollte man bei Ratz ebenso tun.
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