Ringen um breiten Schulterschluss für Klimaschutz
Vermehrte Virusinfektionen und Allergien, Hitzewellen und Extremwetterereignisse wie Starkregen: Alles Folgen unseres leichtfertigen Umgangs mit der Umwelt, die direkt unsere Gesundheit negativ beeinflussen. Die ärztliche Diagnose sei darum völlig klar, sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien: "Die Lage ist sehr ernst und die Behandlung dringend notwendig."
Um diese Behandlung, nämlich mehr Klima- und Umweltschutz, kämpft das Team des Klimavolksbegehrens rund um Sprecherin Katharina Rogenhofer derzeit wieder einmal besonders intensiv. Denn am heutigen Mittwoch steht das Volksbegehren, das im vergangenen Jahr von knapp 400.000 Menschen unterstützt wurde, zum zweiten Mal auf der Agenda des parlamentarischen Umweltausschusses.
Intensives Lobbying
Heute stehen wie beim ersten Termin im Dezember noch einmal geladene Expertinnen und Experten im Mittelpunkt, die Fragen der Abgeordneten beantworten werden. Im Hintergrund laufen jedoch bereits seit Monaten die Gespräche mit allen Fraktionen bzw. Abgeordneten, um am Ende des Prozesses einen Mehrparteienantrag mit zentralen Forderungen des Volksbegehrens durchs Parlament zu bekommen. Einen solchen hatte der Grüne Vorsitzende des Umweltausschusses, Lukas Hammer, bereits im Dezember angekündigt.
Rogenhofer ist, was das Zustandekommen dieses politischen Schulterschlusses angeht, "zumindest nicht pessimistisch". Die große Frage sei jedoch: Welche der Forderungen werden übernommen? Und: Wie konkret wird der Antrag?
Bezüglich der Einführung von CO2-Budgets, also verpflichtenden Reduktionspfaden, sowie einer unabhängigen Kontrollinstanz, um diese Budgets zu überwachen, herrsche bereits "weitgehende Einigkeit", erzählt sie - auch, wenn sich viele Abgeordnete an der Bezeichnung dieser Kontrollinstanz als "Klimarechnungshof" stoßen würden, die das Klimavolksbegehren vorschlägt.
Bei anderen Forderungen ist die Zustimmung nicht so breit. Grüne, SPÖ und Neos würden die meisten Punkte der Klimaschützer unterstützen, auch die ÖVP sei "bei vielen Einzelheiten positiv gestimmt", mit der FPÖ gebe es hingegen nur bei Einzelmaßnahmen wie der Förderung erneuerbarer Energien Überschneidungen, berichtet Rogenhofer aus den vielen geführten Gesprächen.
Bis zuletzt werde das Team aber daran arbeiten, so viele Abgeordnete wie möglich auf ihre Seite zu ziehen, um einen möglichst konkret ausformulierten Antrag auf den Boden zu bringen.
Zu wenig
Was Türkis-Grün bisher umgesetzt hat, reiche jedenfalls nicht aus, konstatiert Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur. Zwar sei im Regierungsprogramm viel von Klimaschutz die Rede, doch was tatsächlich passiert ist, reiche nicht aus oder gehe sogar in die falsche Richtung - etwa der Ausbau der Straßeninfrastruktur zum Preis weiterer Bodenversiegelung. Eine Disziplin, in der Österreich ohnehin bereits Europameister ist, nirgends wird so viel Grünland zubetoniert wie hierzulande.
Das hat neben vielen anderen Problemen wie dem Rückgang der Artenvielfalt zur Folge, dass weniger Boden zur Verfügung steht, in dem CO2-Emissionen gebunden werden. Treibhausgase, die nicht auf natürliche Weise gebunden werden können, müssen jedoch eingespart werden, um die Klimakatastrophe zu verhindern.
So würden weiterhin Strukturen aufrechterhalten, die in wenigen Jahren ohnehin keine Zukunft mehr hätten. "Das ist ein falscher Einsatz von Volksvermögen", sagt Kromp-Kolb. Dabei gebe es jetzt durch die Corona-Hilfsgelder die einmalige Chance, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern stark zu beschleunigen.
Jahr der Weichenstellung
Etwas weniger streng geht der frühere ÖVP-Finanzsprecher im Nationalrat und heutige Vorstandsvorsitzende der VBV-Vorsorgekasse, Andreas Zakostelsky, mit der Bundesregierung ins Gericht. Immerhin sei Türkis-Grün erst seit einem Jahr im Amt. Doch auch er sagt, es brauche mehr Dynamik im Klimaschutz. 2021 müsse ein Jahr der Weichenstellung sein, um Pläne wie die Klimaneutralität bis 2040 auf Schiene zu bringen und mit konkreten Entwicklungszielen zu versehen.
Nicht nur, weil der Klimawandel die "größte Bedrohung für die Menschheit" sei, sondern auch, weil alle Daten zeigen würden, "dass Klimaschutz auch volkswirtschaftlich Sinn macht", betont der Finanzexperte. Nicht zuletzt bei seinem eigenen Arbeitgeber zeige sich, dass Nachhaltigkeitsfaktoren einen "sehr positiven Einfluss" auf den langfristigen Unternehmenserfolg hätten, so Zakostelsky. Die Grundvoraussetzung für effektiven Klimaschutz sei aber Kostenwahrheit durch eine CO2-Bepreisung.
Wie es mit dieser sowie anderen zentralen, im Regierungsprogramm vereinbarten, Punkten wie der mit dem CO2-Preis zusammenhängenden ökosozialen Steuerreform oder dem Abbau klimaschädlicher Subventionen weitergeht, steht jedoch noch nicht fest.
Das Klimavolksbegehren wird nach dem heutigen Tag aller Voraussicht nach Ende Februar ins Parlament zurückkehren. Bei der nächsten Sitzung des Umweltausschusses soll, so die Hoffnung, der Mehrparteien-Entschließungsantrag eingebracht werden.
Kommentare