Schwarzer "Django" im Doppel-Duell
In den vergangenen Tagen war Reinhold Mitterlehner medial hochaktiv. Er plädierte für eine "Bürokratiebremse" statt der von der SPÖ gewünschten Wertschöpfungsabgabe, tat kund, wie er den Arbeitnehmerschutz "umbauen" würde. Er präsentierte mit Außenminister Sebastian Kurz ein Alternativ-Konzept zum EU-Beitritt der Türkei. Und am Montag steht das ORF-"Sommergespräch" am Programm.
Die Rührigkeit des 60-jährigen ÖVP-Obmanns und Vizekanzlers kommt nicht von ungefähr. Mitterlehner will zeigen, dass nach wie vor er der Boss der Schwarzen ist.
Zuletzt hatte sich Kurz zu profilieren versucht; einen Gesetzesverschärfungsvorschlag nach dem anderen trug er nach außen. Nicht nur politische Beobachter, auch Parteifreunde deuteten das so: Kurz wolle sich bereits als ÖVP-Spitzenkandidat positionieren. Eine Truppe um ihn trachte danach, Mitterlehner zu stürzen und vor dem regulären Termin 2018 in eine Wahl zu gehen, mutmaßen Rote wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Kurz lässt das von seinen Vertrauten nach wie vor postwendend dementieren.
Schlechte Lage
Faktum ist: Die ÖVP liegt trotz des immer schärferen Flüchtlingskurses in den Umfragen nach wie vor auf Platz 3. In der aktuellen OGM-Befragung für den KURIER kommt sie auf lediglich 21 Prozentpunkte. Das sind zwei weniger, als sie im April gehabt hat – und drei Prozentpunkte weniger als bei der Nationalratswahl 2013. "Eine unerträgliche Situation für eine Regierungspartei", befindet der Politologe Fritz Plasser.
Am Rande des Europäischen Forums Alpbach in Tirol sagte Kurz dazu: „Das reizt mich nicht. “ Er sei gut ausgelastet und unterstütze seinen Parteichef voll. Mit der Personaldebatte habe er im Übrigen „wenig Freude“.
ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka bestreitet ebenfalls Parteispitzenwechselabsichten ("Quatsch"). Alles sei mit Mitterlehner "abgestimmt und abgesprochen". Der steirische ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer beteuert, hinter diesem zu stehen. Er bestätigte im ORF-Radio aber, dass Kurz im Spiel ist: "Es ist wie beim Schnapsen. Wenn man ein Trumpf-Ass im Talon hat, muss man sich sehr genau überlegen, wann man es ausspielt, sonst könnte auch zugedreht werden."
Diese Debatten kratzen an Mitterlehners Autorität. Und so galt seine Botschaft in der Kleinen Zeitung wohl Kurz: "Kein Mensch fragt mehr, was wirklich umgesetzt wird. Man gibt eine kräftige Meldung in den Medien ab. Und damit hat sich die Geschichte."
Aus Plassers Sicht sind "die Würfel in Richtung Kurz noch nicht gefallen". Sowohl dieser als auch namhafte Parteigänger könnten meinen, dass es "zu früh" dafür sei. Abgesehen davon: Schwarze Heißsporne, die glaubten, mit Kurz würde die ÖVP binnen Kurzem auf Platz 1 sein, könnten enttäuscht werden. "Er ist ambitioniert und talentiert – das ist aber eine übertriebene Erwartung", urteilt Plasser. Es gäbe einen "Kurz-Effekt", ähnlich dem "Kern-Effekt" bei den Roten: "Deshalb ist die SPÖ aber nicht wieder vorne" (sie hat laut der KURIER-OGM-Umfrage seit April um drei Prozentpunkte auf 26 zugelegt, die FPÖ kommt auf 33).
Mit Personaltausch sei es nicht getan, sagt Plasser: "Es geht nicht um ein, zwei Prozentpunkte Zugewinn." Die Zeiten des "Dann haben wir halt eine Wahl versemmelt" seien für die ÖVP vorbei. "Es geht um eine mittelfristige Zukunftsfrage für die Partei."
Als Mitterlehner Michael Spindelegger vor zwei Jahren als Parteiobmann und Vizekanzler ablöste, war vom "Django-Effekt" (Anspielung auf Mitterlehners CV-Couleurnamen) die Rede. Der schlug sich auch in Umfragen nieder, war allerdings rasch verpufft.
Großer Druck
Jetzt stehen Kern und Mitterlehner unter großem Druck, koalitionär etwas weiterzubringen. Plasser: "Aus der ÖVP gibt es keine Zurufe, sondern Forderungen." Landeschef Schützenhöfer etwa sagt: Die Regierung müsse im Oktober "substanzielle Reformen" präsentieren. "Wenn nicht, werden wir in Wahlen schlittern."
Auch die Bürger wollen Ergebnisse; Ankündigungen haben sie genug gehört.
Rasch überfordert
Bevor ein ÖVP-Boss mit dem Koalitionspartner handelseins werden kann, muss er parteiintern Konsens finden. Schon das ist ein schwieriges Unterfangen – angesichts der widerstrebenden Interessen von Bünde- und Länder-Vertretern. "Zu glauben, dass das unter einem Obmann Kurz anders wäre, dass Reservatszäune plötzlich abgerissen würden, ist naiv", sagt Plasser. "Auch Kurz könnte da schnell überfordert sein."
Mitterlehner hat ohnehin nicht vor, klein beizugeben. Er will politisch noch ein Weilchen überleben. In der Krone zitierte er den Schriftsteller Mark Twain: "Der Bericht über meinen Tod wurde stark übertrieben."
Mehrmals wird ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner im ORF-Sommergespräch am Montag darauf angesprochen, ob die Koalition an einem ihrer zahlreichen Streitthemen zerbrechen wird.
Und mehrmals reagiert Mitterlehner genervt: "Ich weiß, dass sich da viele schon die Serviette umbinden und warten." Dann räumt er aber doch noch ein: "Kann die Regierung keines der Themen, die wir uns vorgenommen haben, im Herbst erledigen – ja, dann sehe ich es auch so, dass Neuwahlen näher rücken."
Zur Frage, wer die ÖVP dann als Spitzenkandidat anführen soll, bleibt der Vizekanzler vage: Üblicherweise, so sagt er, sei das der Parteiobmann. "Ich muss mir die Entwicklung anschauen", antwortet er auf die Frage, ob er das dann noch sein wolle. Er sei der Letzte, der einer besseren Lösung im Weg stehe, betont er.
Trumpf allein "gewinnt kein Spiel"
Derzeit wird ja hinter den Kulissen der ÖVP gemunkelt, dass Außenminister Sebastian Kurz ihm den Posten – eher früher als später – streitig machen könnte. Vom steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer wurde Kurz, der am vergangenen Samstag 30 Jahre alt geworden ist, als "Trumpf-Ass" bezeichnet.
Er selbst sei ein passionierter Tarock-Spieler und wisse, dass man mit einer Karte alleine kein Spiel gewinne: "Daher werden wir gemeinsam zu gegebener Zeit Lösungen entwickeln." Er verwehre sich aber dagegen, schon jetzt darüber zu diskutieren, um Neuwahlen herbeizuführen.
Jetzt wolle er zeigen, dass einiges noch erledigt werden könne, betonte der Vizekanzler. Derzeit wird etwa die Notverordnung für die Asyl-Obergrenze vorbereitet. Der Entwurf soll demnächst im Parlament in Begutachtung gehen.
"Wir können nicht warten, bis die 37.500 (Asylanträge) erreicht werden, sondern müssen versuchen, die Folgen jetzt abzuschätzen und erste Schritte zu setzen", betont Mitterlehner. Wenn die Obergrenze erreicht sei, gebe es aus seiner Sicht derzeit zwei Möglichkeiten: Den "schwedischen Weg", Asylanträge ab da einfach nicht mehr zu bearbeiten, oder die Flüchtlinge an Zentren an den Außengrenzen abzufangen. "Das ist eine Notwendigkeit, die nicht einfach ist."
"Da können Sie Gift drauf nehmen"
Eine "Quertreiberei" innerhalb seiner Partei stellt Mitterlehner in Abrede. Medienwirksame Vorstöße, wie jenen von Außenminister Kurz in Bezug auf ein Burka-Verbot oder Sager von Klubchef Reinhold Lopatka zur Mindestsicherung – Flüchtlingen fehle die Bereitschaft, Arbeit anzunehmen –, sehe er nicht problematisch. Das seien Dinge, die "durchaus abgesprochen" seien.
Zuweilen reagierte Mitterlehner gereizt auf die Fragen von Moderatorin Susanne Schnabl. Einmal bekräftigte er eine Aussage mit: "Da können Sie Gift drauf nehmen." Was er sofort korrigierte mit: "Da können Sie sicher sein."
Einen Fehler aus der Vergangenheit räumte der Wirtschaftsminister ein: "Was wir vielleicht versäumt haben, ist die Umstrukturierung nach der Wirtschaftskrise 2009." Es seien aber Reformprozess im Gange und "vieles am Prüfstand".
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