Regierungspakt: Kritische Stimmen werden lauter

Regierungspakt: Kritische Stimmen werden lauter
"Das reicht nicht für die nächsten fünf Jahre": Experten nehmen zum neuen Regierungsabkommen Stellung.

Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger verteidigten am Freitag das Regierungsprogramm gegen lautstarke Kritik aus vielen Lagern.

Faymann verwies auf Österreichs prima Wirtschaftsdaten und kommende Reformen. Spindelegger – der künftig die Finanzen über hat – strich die geplante Trendwende in der Haushaltspolitik hervor. Gemeint ist das Ziel des strukturellen Nulldefizits 2016. Experten errechneten für den KURIER, dass 2016 die tatsächliche Neuverschuldung des Staates bei 3,5 Milliarden Euro liegen werde (nach dem Budgetfahrplan von SPÖ und ÖVP). Von einem echten Nulldefizit kann also keine Rede sein.

Wirtschaftsvertreter, Forscher, Autofahrerclubs und viele andere tun weiter ihren Unmut kund. Selbst Partei-intern wurde der Koalitionspakt teilweise zerrissen.

Wirtschaftsforscher sehen den Pakt mit gemischten Gefühlen: „Die Zielsetzungen des Regierungsprogramms, das Wachstum zu fördern und das Budget zu konsolidieren, sind richtig. Aber der Weg, der dazu gewählt wird, ist nicht deutlich sichtbar“, sagt WIFO-Chef Karl Aiginger zum KURIER. „Man muss vieles konkretisieren.“

Nächstes Sparpaket?

Zudem seien alle Investitionen in die Zukunft mit einem „Finanzierungsvorbehalt“ versehen. Heißt: Sie kommen nur, wenn sie leistbar sind. Aiginger fordert daher 2014 neue Steuermittel für Bildung und Forschung.

Ein neues Sparpaket sei nicht auszuschließen, warnt er: „Die Budgetkonsolidierung ist an der Untergrenze. Hier muss 2014 und 2015 nachgelegt werden, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.“ 2015 braucht die Regierung laut Aiginger noch eine Milliarde, 2016 rund 500 Millionen. Der Fahrplan bis 2016 sei „sehr knapp kalkuliert“, warnt auch Christian Keuschnigg vom Institut für Höhere Studien: „Wenn etwas schlechter läuft als geplant, dann wird nachgebessert werden müssen.“

Auch abseits der Finanzen dominiert Skepsis: Politberater Thomas Hofer sieht einen „Defensivpakt“. Leuchtturmprojekte würden fehlen, vieles sei unkonkret. „Da sind nur Überschriften drinnen.“ Streit sei programmiert: „Man wird in vielen Punkten nachverhandeln müssen.“

Keine „Leuchttürme“

In Deutschland hätten Rot und Schwarz einander einige Verhandlungserfolge gegönnt. „Aber bei uns waren die Partner in den vergangenen Wochen offenbar am meisten damit beschäftigt, die Lieblingsprojekte des anderen rauszuverhandeln.“ Und Hofer urteilt: „Ich glaube nicht, dass die Substanz für die nächsten fünf Jahre reicht.“

Lob gibt es von den Experten nur für „Schritte in die richtige Richtung“. Aiginger nennt das Pensionsantrittsalter, Hofer das Thema Ganztagsschulen: „Aber die großen Würfe, die notwendig gewesen wären, um in der öffentlichen Meinung die Trendwende herbeizuführen, fehlen.“

Zeitplan fehlt

Kritik kommt auch von der Industrie. „Klare Zeitvorgaben“ für Reformen würden fehlen. Man habe „die Chance für einen großen Wurf verschenkt“, sagte IV-Chef Georg Kapsch. Die Schaffung „konkurrenzfähigerer Rahmenbedingungen“ für Industriebetriebe mahnte voestalpine-Chef Wolfgang Eder ein. Sonst werde Österreich immer unattraktiver. Zudem spricht er sich klar für weitere Privatisierungen aus und fordert eine Leitbetriebe-Strategie: „Es muss rasch etwas geschehen, wir können nicht weiter so dahindümpeln.“

Was ändert sich für die Familien tatsächlich? In den vergangenen Wochen gab es vielerlei Informationen dazu. Nun steht fest, welche Neuerungen wirklich kommen.

So soll etwa das System des Kinderbetreuungsgeldes umgemodelt werden. Derzeit gibt es vier Bezugs-Varianten: Je länger Mütter oder Väter daheim beim Nachwuchs bleiben, desto weniger Geld gibt es (zwischen 436 und 1000 Euro im Monat). Diese Modelle sollen durch ein „Kinderbetreuungsgeld-Konto“ ersetzt werden. Das bedeutet, es soll künftig eine fixe Gesamtsumme geben – und die Eltern können dann frei wählen, wie sie das Geld aufgeteilt haben wollen. Details, wie etwa die Höhe der Gesamtsumme, sind aber noch nicht fixiert. Als Alternative zum Kindergeld-Konto soll das einkommensabhängige Kindergeld bestehen bleiben. Besserverdiener können also auch in Zukunft ein Jahr zu Hause bleiben – und in der Zeit 80 Prozent ihres Letztbezuges kassieren (maximal 2000 Euro).

Fix ist nun auch, dass die Kinderbeihilfe ab 1. Juli 2014 erhöht wird. Das Datum stand ursprünglich nicht im Regierungsprogramm, soll aber ergänzt werden, hieß es gestern von Regierungsseite. Umgesetzt werden soll jener Plan, der vor der Wahl im Ministerrat beschlossen worden ist. Demnach wird die Beihilfe im Schnitt um sechs Prozent steigen. Monatlich gibt es künftig zwischen 180 und 220 Euro pro Kind (bisher zwischen 163,80 und 211,10 Euro). Auch die Geschwisterstaffel wird erhöht.

Noch offen ist, ob und ab wann der Papa-Monat realisiert wird. Die Koalitionäre haben in den finalen Gesprächen letztlich nur festgelegt, dass „die Einführung“ geprüft werde. Die SPÖ geht dennoch davon aus, dass Väter in absehbarer Zeit nach der Geburt eines Kindes vier Wochen daheimbleiben dürfen. In der ÖVP wird betont, die Sache müsse erst ausverhandelt werden. Auch die Sozialpartner müssten ihren Sanktus geben. Schließlich wäre die Wirtschaft von dem Plan betroffen.

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