Van der Bellen: "Erleben ein Sittenbild, das der Republik nicht guttut"

Van der Bellen:  "Erleben ein Sittenbild, das der Republik nicht guttut"
Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich am Freitagabend zu den aktuellen Geschehnissen.

Wieder einmal blickte das Land gespannt auf die Tapetentüre der Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg. Alles erinnerte an das Frühjahr 2019. Ähnlich wie damals beim Ibiza-Skandal hat auch in der aktuellen Regierungskrise Bundespräsident Alexander Van der Bellen alle Regierungsparteien einzeln zu Gesprächen über das weitere Vorgehen in die Hofburg bestellt.

Danach richtete er sich in einem Statement an die österreichische Bevölkerung.

"Sie fragen sich vielleicht, was ist denn jetzt schon wieder passiert", sagte er. Aber: Es werde nicht passieren, dass die Republik aus dem Gleichgewicht kommt. "Dafür wird einmal mehr unsere unerschütterliche Verfassung sorgen."

Regierungskrise, keine Staatskrise

Man habe es mit einer Regierungskrise zu tun, aber sicher nicht mit einer Staatskrise. Unsere Demokratie sei gerüstet für alle möglichen Situationen "und so auch für diese".

Trotzdem stünden schwere Anschuldigungen wie Untreue und Bestechung im Raum. Die Justiz müsste unabhängig der Personen ermitteln. Derzeit wisse man nicht, ob diese Ermittlungen zu Anklagen führen. Es gelte die Unschuldsvermutung, dennoch erlebe man aktuell aber ein "Sittenbild, das der Republik nicht guttut". Er habe andere Erwartungen an das Verhalten von politischen Verantwortlichen. Auch die Bürger Österreichs hätten Rechte "unter anderem jenes auf eine handlungsfähige Regierung". Diese Handlungsfähigkeit stehe nun in Frage.

In dieser Phase müssten alle handelnden Personen vor allem an das Wohl Österreichs denken. Die Parteichefs fordert der Präsident auf, Parteitaktik in den Hintergrund zu stellen.

Am Dienstag werde das Parlament im Interesse der Bürger handeln, da sei er sich sicher, sagte Van der Bellen. Öffentlich werde er keine Ratschläge erteilen. Aber er werde mit "Argusaugen darüber wachen, dass die Handlungsfähigkeit und Integrität aller Institutionen der Republik erhalten bleibt (...) und, dass unser Land  im Gleichgewicht bleibt", teilte der Präsident mit

VdB hat Schlüsselposition

Van der Bellen kommt in diesen Tagen eine Schlüsselposition zu. Er muss dafür sorgen, dass es zu jedem Zeitpunkt eine Bundesregierung in Österreich gibt. Geht der Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz am Dienstag im Nationalrat durch, ist Van der Bellen verpflichtet, den Kanzler seines Amtes zu entheben. Die restlichen ÖVP-Regierungsmitglieder haben außerdem angekündigt, bei einem Sturz von Kurz zurückzutreten.

Ein Kanzlerwechsel allein bedeutet nicht unbedingt eine Neuwahl, auch ein sogenannter fliegender Wechsel zu anderen Regierungsmehrheiten wäre möglich - allerdings eben nicht ohne das Okay des Bundespräsidenten. Für eine vorgezogene Nationalratswahl braucht es einen Beschluss des Nationalrats.

Wünscht der Bundespräsident eine Neuwahl, braucht er dafür einen Vorschlag der Bundesregierung. Indirekt könnte das Staatsoberhaupt so auch eine Neuwahl erzwingen: Der Bundespräsident kann nämlich jederzeit die gesamte Bundesregierung entlassen und neue Personen bestellen mit dem Wunsch, ihm einen entsprechenden Vorschlag zu machen.

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