Regierung Bierlein: „Wohltuend unaufgeregt“
Niemand weiß, wie lang die „heiße Phase“ der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen noch dauert. Und damit ist auch offen, wie lange die allseits beliebte „Beamten-“ bzw. „Übergangsregierung“, die formal gesehen einfach eine Bundesregierung ist, noch im Amt bleibt.
Klar ist dennoch: die Zeit ihrer Tätigkeit neigt sich dem Ende zu. Und ziemlich klar ist auch: die nachfolgende Regierung wird nicht bieten können, was die gegenwärtige populär gemacht hat.
Dazu zählt, dass es wenig Polarisierung gibt. Was natürlich mit der Selbstbeschränkung des Kabinetts Bierlein zu tun hat – man wolle verwalten, nicht gestalten, lautete die Devise von Anfang an.
Den Job des Verwaltens habe die Regierung gut gemacht, befindet der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Gespräch mit dem KURIER; das „nicht gestalten“ habe man aber doch zu streng gefasst: In Bereichen, wo jede „normale“ Regierung befangen ist, weil es um Parteiinteressen geht – Stichwort Parteienfinanzierung – hätte man sich bleibende Verdienste erwerben können, so Filzmaier. Ähnliches ließe sich wohl auch für ein ORF-Gesetz sagen.
Keine Befindlichkeiten
Insgesamt empfindet Filzmaier das unaufgeregt-professionelle Agieren von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und ihrem Team aber ausdrücklich als „wohltuend“. Wobei er die Performance jener Minister, welche eher unauffällig im Hintergrund agierten, noch höher bewertet, als die jener, welche sich punktuell medienwirksam in Szene zu setzen verstanden, wie etwa der Innen- und der Verteidigungsminister.
Verkehr: Andreas Reichhardt
geb. 1968 in Wien, arbeitete bei den
FP-Politikern Thomas Prinzhorn und Hubert Gorbach, Generalsekretär im Ministerium unter Norbert Hofer (FP)
Soziales: Brigitte Zarfl
geb. 1962 in Krems, Referentin im Ministerium unter Lore Hostasch, Tätigkeit in der EU-Sozialpolitik, Sektionschefin unter Rudolf Hundstorfer (beide SP)
Agrar/Umwelt: Maria Patek
geb. 1958 in der Steiermark, unter den Ministern Andrä Rupprechter und Elisabeth Köstinger (beide VP) war sie im Ministerium Sektionschefin
Jusitz: Clemens Jabloner
geb. 1948 in Wien, Prof. für Verfassungsrecht, „Hans Kelsen-Professur“ an der Uni Wien, bis 2013 Präsident des Verwaltungsgerichtshofes
Kanzlerin: Brigitte Bierlein
geb. 1949 in Wien, Generalanwältin der Generalprokuratur beim OGH, Vize-, ab 2018 Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs der Republik Österreich
Wirtschaft: Elisabeth Udolf-Strobl
geb. 1956 in Wels, Kabinett der Minister Wolfgang Schüssel u. Johann Farnleitner (beide VP), Sektionschefin, Präsidium der Österreich Werbung
Finzanzen: Eduard Müller
geb. 1962 in Oberwart, Tätigkeit im Finanzministerium, Geschäftsführer des Linde-Verlags, unter Minister Hans Jörg Schelling (VP) Sektionschef
Bildung: Iris Rauskala
geb. 1978 in Helsinki, Referentin der Minister Johannes Hahn, Beatrix Karl, Karlheinz Töchterle, Sektionschefin unter Reinhold Mitterlehner (alle VP)
Verteidigung: Thomas Starlinger
geb. 1963 in Gmunden, Kommandotätigkeit bei multinationalen Einrichtungen, zuletzt Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Inneres: Wolfgang Peschorn
geb. 1965 in Wien, 2006 von Finanzminister Karl-Heinz Grasser zum Präsidenten der Finanzprokuratur („Anwalt der Republik“) bestellt
Äußeres/Kultur: Alexander Schallenberg
geb. 1969 in Bern, Pressesprecher der Minister Ursula Plassnik und Michael Spindelegger (beide VP), Sektionschef im Bundeskanzleramt
Frauen/Familie: Ines Stilling
geb. 1976 in Graz, Büro der Ministerinnen Doris Bures und Gabriele Heinisch-Hosek, Sektionschefin im BKA unter Werner Faymann (alle SP)
Aber ist nicht der Streit um die besten Ideen und Konzepte essenziell für die Demokratie? Wenn es tatsächlich um inhaltliche Fragen geht, sicherlich. Aber über weite Strecken befasse sich der politische Diskurs mit Befindlichkeiten und Nebenthemen und arte nicht selten in bösartigem Hick-Hack aus, meint Filzmaier – der hier auch auf die Rolle der Medien verweist.
Wie das aussieht, wenn eine Regierung in sich schon jede Menge Polarisierungspotenzial hat, bleibt abzuwarten.
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