Rechtsexperte zu Maßnahmen: "Gleichstellung für Genesene"

Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk
Der ehemalige Professor für öffentliches Recht, Bernd Christian Funk, erklärt, ob und wie die künftigen Maßnahmen rechtlich gedeckt sind.

Bis in die späten Abendstunden diskutierte die Bundesregierung in der Nacht auf Mittwoch über die künftigen Corona-Maßnahmen im Herbst. Nachdem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein im ORF Report am Dienstagabend bereits ein paar Details, vor allem zu den Schwellen in der Intensivauslastung bekannt gab, ist nun die Frage, ob die geplanten Maßnahmen rechtlich überhaupt halten würden.

Im Ö1 Morgenjournal erklärte Bernd-Christian Funk, ehemaliger Professor für öffentliches Recht, dass die Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften durchaus möglich ist: "Es würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, wenn man diese Unterscheidung nicht macht. Es ist sehrwohl zwischen geimpft und ungeimpft zu unterscheiden, immer mit Blick auf die medizinischen und epidemiologischen Konsequenzen und Voraussetzungen die damit verbunden sind."

Es stimmt zwar, dass auch immer wieder vereinzelt geimpfte Personen auf einer Intensivstation landen und dadurch die Kapazitäten belasten, Funk weist aber auf die Größenverhältnisse hin: "Der Impfschutz ist eine wirksame Maßnahme gegen Infektionen und die Weitergabe selbiger. Da kann es auch zu Impfdurchbrüchen kommen. Das alleine ist aber kein Grund, die Wirksamkeit der Maßnahme in Frage zu stellen."

Regional oder bundesweit?

Unklar ist bis Mittwochmittag, ob der angekündigte Stufenplan der Bundesregierung auf bundesweite Maßnahmen abzielt oder ob, wie bereits bei der 7-Tage-Inzidenz im Herbst und Frühjahr, die Maßnahmen auch regional verschärft werden können. "Von der Zuständigkeit und Verantwortung für die Pandemiebekämpfung ist der Bund für alles zuständig. Aber er kann im Rahmen der Zuständigkeit regionale Differenzierungen treffen. Das hängt dann davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Welche Informationen vorhanden sind und welche Erwartungen man mit den Maßnahmen verknüpfen kann. Wichtig dabei ist, dass die Maßnahmen wirksam, erforderlich und maßhaltend sind", so Funk.

Fraglich ist laut dem ehemaligen Professor für öffentliches Recht vor allem, wie regionale Maßnahmen in der Praxis ausgeglichen werden: "Man kann das adhoc nicht mit Ja oder Nein beantworten. Denn die Frage ist, ob die regionalen Differenzierungen richtig sind, denn man muss sich ansehen wie die Maßnahmen ausgeglichen werden durch Mobilität und Weiterverbreitung von Infektionen."

Gleichstellung für Genesene

Aktuell ist in der Debatte um neue Maßnahmen immer nur von der 1-G-Regel die Rede. Also geimpfte Personen, die durch die Corona-Impfung einen entsprechenden Schutz haben. Allerdings sind bekanntlich auch Genesene, zumindest sechs Monate nach der Infektion, mit genügend Antikörper ausgestattet, um geschützter zu sein.

Ob Genesene, vor allem wenn sie dann ihren ersten Stich bekommen haben, ebenfalls unter die 1-G-Regel fallen sollten, bejaht Funk: "Wenn sich herausstellt, und dafür spricht ja vieles, dass der Sachverhalt Genesenen den gleichen Schutz wie Geimpft, zumindest über einen gewissen Zeitraum, bietet, dann ist das ein Grund für eine Gleichstellung. Oder anders: Dann müsste man schon besondere Gründe vorfinden, um diese Gleichstellung nicht vorzunehmen. Hier spricht sehr vieles für eine Verpflichtung der Gleichstellung."

Dass sowohl geimpfte als auch ungeimpfte Personen aber eine Maske tragen müssen, kann man mit der Impfung nicht vergleichen meint der Rechtsexperte Funk: "Maskenpflicht ist nicht das gleiche wie geimpft oder ungeimpft. Da muss man Unterscheidungen sehen. Das hängt wieder davon ab, welche Informationen vorhanden sind, welche Evidenz damit verbunden ist und was man aus epidemiologischer Sicht daraus ableiten kann."

Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sind vor Maßnahmen nicht gefeit meint Funk. Hier müsse man unterscheiden, ob es einen rechtlichen oder persönlichen Grund gibt, so der ehemalige Professor: "Das hängt davon ab, in welcher Relation die Eingrenzungen zu dem Gesamtsystem stehen. Es macht einen Unterschied ob es sich zum Beispiel um Kinder (unter 12 Jahren, Anm.) handelt, die nicht geimpft werden können oder dürfen. Oder ob es sich um Personen handelt, die aus persönlichen Gründen eine Impfung verweigern. Auch das wird ein Grund für eine Unterscheidung sein. Es ist allerdings sehr schwer, das in entsprechender Weise gleichheitskonform zu handhaben."

Kommentare