Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat

Neun Stunden lang wurden die Kandidatinnen und Kandidaten im Parlament befragt: Ein gelungenes Experiment
Die öffentliche Anhörung der Kandidaten für den Rechnungshof brachte ein klares Bild. Ob sich die Politiker daran halten, wird sich heute erweisen.

Eine Frau soll es werden - nach Möglichkeit eben. Das war der übereinstimmende Wunsch vor dem Hearing zum neuen Rechnungshofpräsidenten. Am Mittwoch wurden die acht zur Wahl stehenden Kandidaten im Parlament von den Mandataren geprüft. Eine Stunde pro Frau und Mann, manche schnitten bescheiden, andere brilliant ab. Heute, Donnerstag, fällt im Hauptausschuss die endgültige Entscheidung, wer es wird. Wer den KURIER überzeugt hat, lesen Sie hier:

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
ABD0079_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Die von der ÖVP nominierte Kandidatin .Margit Kraker am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Margit Kraker: Ein solider, aber glanzloser Auftritt

Die Chefin des steirischen Landesrechnungshofs, Margit Kraker, legt einen soliden, aber glanzlosen Auftritt hin. In ihrem Eingangs-Statement sagt sie, sie sehe den Rechnungshof als „Impulsgeber für die Verwaltung“ und deklariert sich als Anhängerin „selbst organisierter Teamarbeit“. Von den Abgeordneten wird Kraker wegen ihrer Vergangenheit „gegrillt“. Sie war dreizehn Jahre lang Büroleiterin des damaligen Vize-Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer und ist von dort direkt in die Chefetage des Landesrechnungshofs gewechselt, wo sie Entscheidungen kritisch hinterfragen sollte, an denen sie zuvor mitgewirkt hatte. „Bis auf zwei Stimmen wurde ich von allen Abgeordneten des Landtags zur Rechnungshof-Chefin gewählt“, verteidigt sich Kraker. In nur einem Fall habe sie sich befangen gefühlt, dies dann offen erklärt und die Aufgabe an ihren Stellvertreter abgetreten.
Kraker sagt, die Rechnungshofberichte müssten geändert werden, die Kurzfassungen seien derzeit zu lange, sodass die Langfassungen oft nicht mehr gelesen würden. Sie will „kompakte Kurzberichte“ einführen. Zu reformieren sei auch die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesrechnungshöfen, um Doppelgleisigkeiten zu verhindern. Da sagt der FPÖ-Abgeordnete Erwin Angerer: „Sie wollen ja mehr den Rechnungshof als Strukturen in Österreich reformieren.“ Neos-Chef Strolz hakt hier ein: „Wo würden Sie denn alte Zöpfe abschneiden?“ Kraker: „Man könnte das übergeordnete Straßennetz an die Asfinag, Gemeindestraßen an die Länder übertragen.“ Strolz’ Frage, wie sie den Landeshauptleuten die Stirn bieten würde, beantwortet sie so: „Ich kenne die Landeshauptleute. Zumindest ein Mal im Jahr sollte man in den Ländern anwesend sein, um Druck zu erzeugen.“ Waltraud Dietrich, Abgeordnete des Team Stronach, kritisiert den Rechnungshof, weil es ihm „nicht gelingt, Weitblick in die Politik zu bringen“. Kraker ignoriert die unfreiwillige Komik in diesem Vorwurf einer Politikerin und antwortet brav: „Vielleicht muss der Rechnungshof verständlicher kommunizieren.“

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
ABD0035_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Die von der ÖVP nominierte Kandidatin Helga Berger am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien.. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Helga Berger: Der weibliche Moser: Fachwissen, langatmig

Helga Berger ging als eine der Favoritinnen ins Hearing – und wurde dieser Rolle weitgehend gerecht. Die 43-jährige glänzt mit detailreichem Fachwissen, was wenig überraschend ist.
Die Kärntnerin arbeitete rund neun Jahre im Rechnungshof – als enge Mitarbeiterin des amtierenden Präsidenten Josef Moser und auch als Sektionschefin. Fachfragen pariert sie professionell. Sie erläutert auch, welche zusätzlichen Kompetenzen der RH bekommen sollte (alle Gemeinden sowie Unternehmen ab 25 Prozent Anteil der öffentlichen Hand und EU-Direktförderungen prüfen).
Mehrfach wird die von der ÖVP nominierte Juristin damit konfrontiert, dass sie einst in den Büros von Jörg Haider und FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer werkte. Berger kontert, sie habe in ihrer 20-jährigen Berufslaufbahn nur vier Jahre in politischen Büros gearbeitet. Fast ebenso lange sei sie Richterin gewesen. Das werde nicht beachtet. Sie sei auch nie Partei-Mitglied gewesen und habe im RH Unabhängigkeit bewiesen.
Ein Manko sieht sie selbst darin, dass sie sich bei ihrer Präsentation in der Öffentlichkeit schwertue. Zuhörer stoßen sich am Redetempo. SPÖ-Mandatar Josef Cap meint, Berger übertreffe sogar ihren Chef Moser: „Das ist nicht ganz einfach.“
Neos-Chef Strolz konstatiert, Berger stehe für Kontinuität. Die Kandidatin bestätigt das de facto, als sie von Team-Stronach-Mandatarin Waltraud Dietrich gefragt wird, worin sie sich von Moser unterscheide. Berger antwortet: „Er ist ein Mann und ich bin eine Frau.“

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
ABD0056_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Die von Neos und Grünen nominierte Kandidatin Viktoria Kickinger am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien.. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Viktoria Kickinger: Profi in der Präsentation & innovativ

Eine positive Überraschung ist Viktoria Kickinger. Sie tritt eloquent und überzeugend auf, ihre Selbstpräsentation ist fehlerlos. Ihre Prüfkompetenz unterstreicht sie, indem sie sagt: „Ich war als Aufsichtsrätin maßgeblich an der Aufdeckung der Malversationen im Burgtheater beteiligt und habe den Rechnungshof eingeschaltet.“
Ihre Erfahrung mit öffentlichen Institutionen und staatsnahen Unternehmen beschreibt sie so: „Ich war maßgeblich an der Voest-Privatisierung und am Börsegang der Post beteiligt.“
Und Kickinger weiß auch, dass zum Bewerbungsgespräch ein klares Ziel gehört: „Meine Vision ist der gläserne Rechnungshof.“
„Man merkt, dass Sie mit Marketing zu tun haben“, sagt Michaela Steinacker von der ÖVP zu dem sehr glatten Eingangs-Statement. Doch Kickinger besteht auch auf Nachfrage, etwa, ob zum Konzept „gläserner Rechnungshof“ auch die vorzeitige Veröffentlichung von Rohberichten ohne Stellungnahme des Geprüften gehöre. „Nein. Aber ich will einen virtuellen Datenraum schaffen, sodass Abgeordnete, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, unter Einhaltung derselben, in Prüfvorgänge Einschau halten können.“ Kickingers Ziel: Das Service für Abgeordnete zu erhöhen. Die Rechnungshofberichte für die Steuerzahler verständlicher zu kommunizieren, insgesamt zeitnaher als jetzt zu prüfen.
Kickinger sagt, sie sei Sozialdemokratin mit einer exzellenten Gesprächsbasis zu allen politischen Lagern.

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
ABD0010_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Die von der SPÖ nominierte Kandidatin Elfriede Baumann (L) und Nationalratspräsidentin Doris Bures am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien.. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Elfriede Baumann: Schlecht gebrieft, defensiv im Auftritt

Sie nutzt ihr Anfangs-Statement, um ihre Biografie vorzutragen: Seit 35 Jahren Wirtschaftsprüferin bei Ernst & Young, Chefin von 800 Mitarbeitern, als Wirtschaftsprüferin für den öffentlichen Sektor zuständig.
„Sie bekommen von mir einen frischen Blick von außen“ und einen „umsetzungsorientierten Rechnungshof“, sagt sie zu den Abgeordneten.
Baumann fehlt die Routine bei öffentlichen Auftritten, das ist sofort merkbar. Auf die Fragen der Parlamentarier geht sie oft nicht vertiefend ein, sondern wiederholt die vorbereiteten Eingangs-Statements. So mancher Abgeordneter wundert sich, dass die SPÖ ihre Kandidatin nicht besser vorbereitet hat.
So antwortet Baumann auf die Frage, wo sie Prüf-Schwerpunkte setzen würde: „Ich bin da in der öffentlichen Verwaltung nicht so drinnen.“ Auch von der Dauer-Debatte über eine Ausweitung der Prüf-Kompetenzen des Rechnungshofs auf Unternehmen mit weniger als 50 Prozent Staatsanteil und kleine Gemeinden zeigt sie sich uninformiert.
Ihre Prüf-Kompetenz schwächt Baumann selbst, indem sie sagt, ein Wirtschaftsprüfer beurkunde nur das richtige Verbuchen des Belegs, wenn jemand mit dem Taxi von Wien nach München fährt, nicht aber, ob die Ausgabe sinnvoll ist.
Die Abgeordneten-Fragen, wie sie auf politischen Gegenwind etwa seitens eines Landeshauptmannes reagieren würde, beantwortet Baumann so: „Ich würde das Gespräch suchen.“

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
ABD0072_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Die von der FPÖ nominierte Kandidatin Barbara Kolm (L) und Nationalratspräsidentin Doris Bures am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien.. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Barbara Kolm: Die Ex-Blaue in der Verteidigungsposition

Barbara Kolm tritt selbstsicher auf. Die von der FPÖ nominierte Wirtschaftswissenschafterin kennt das Hohe Haus, weil sie immer wieder als Budget-Expertin für die Blauen tätig ist und hat auch TV-Erfahrung.
Die 52-Jährige preist sich als Kennerin von „Theorie und Praxis“ an. Sie leite das Hayek-Institut und das Austrian Economic Center, doziere an Unis. Die gebürtige Tirolerin war auch FPÖ-Gemeinderätin, sagt aber von sich: „Ich bin vollkommen unabhängig.“ Sie sei ja 1997 aus der FPÖ ausgetreten. Grün-Mandatar Wolfgang Zinggl kontert: „Sie sind aber bis 2003 für die Freiheitlichen im Gemeinderat gesessen.“
Hinterfragt wird von den Abgeordneten auch, wie die neoliberale Haltung Kolms mit dem Amt des Rechnungshofpräsidenten zusammenpasse. „Eine Gesinnung zu haben, ist nichts Schädliches.“ Sie entscheide aber stets sachlich, sagt Kolm.
In Verteidigungsposition kommt sie auch, als sie vom Grünen Werner Kogler danach gefragt wird, ob ihr Hayek-Institut über den Umweg der Steueroase Cayman Islands Gelder eines Trusts erhalten habe. Kolm sagt, das Institut bekomme kein Geld, lediglich ein Projekt sei unterstützt worden.
Inhaltliches zum RH kommt relativ kurz. Kolm möchte wie Berger mehr Prüfkompetenzen für das Kontrollorgan und will neue Einnahmequellen für den RH erschließen.
Schwächen bei sich selbst ortet sie nur eine: „Dass ich zu schnell spreche.“ Viele Zuhörer sehen das wohl anders.

Rechnungshof: Wer beim Hearing überzeugt hat
Gerhard Steger

Gerhard Steger: Der Ex-Sektionschef brilliert

Gegen 18 Uhr tritt der letzte Kandidat auf. Und er dreht das ganze Hearing noch einmal um. Gerhard Steger war 16,5 Jahre Chef der Budgetsektion im Finanzministerium und kennt jeden Winkel des österreichischen Finanzsystems. Seit zwei Jahren arbeitet Steger als Chefprüfer für öffentliche Finanzen im Rechnungshof. „Ich weiß, wo ich hinschauen muss“, sagt Steger in seinem brillanten Eingangs-Statement. „Ich kann Ihnen als Abgeordnete exzellente Kontrolle liefern.“ Steger verweist darauf, dass er der Erfinder des neuen Haushaltsrechts ist, und derjenige, der es umgesetzt und eingeführt hat. „An den Früchten sollt ihr es erkennen“, sagt Steger zu seinem SPÖ-Parteibuch: „Ich führe mein Amt unabhängig und habe das bewiesen.“
Biologische Tatsachen könne er nicht ändern („Ich bin ein Mann“), er befürworte eine Frau Rechnungshof-Chefin, falls sie gleich gut qualifiziert sei wie er.
Steger sagt auf FPÖ-Frage, er sei aus dem Finanzministerium weg gegangen, weil er mit der Budgetpolitik er Bundesregierung nicht einverstanden war: „Ich bin gegen Gummiwände gelaufen.“ Für den Finanzausgleich habe er eine „schlaue Idee“: Einen Sparbeitrag zu vereinbaren, dessen Benefit dann auf alle Gebietskörperschaften verteilt wird. Steger: „So haben alle eine Karotte vor der Nase.“
Steger macht den Abgeordneten klar, dass er den Rechnungshof verlassen würde, wenn er nicht Chef wird: „Ich suche eine berufliche Herausforderung.“

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