Sparen oder Geld für Soziales? Zwei Österreicher sind bei der EU völlig uneins
Im Streit um die Budgetregeln in der EU ruft Finanzminister Brunner nach strengen Regeln. Genau die aber will Ministerkollege Rauch lockern.
28.11.23, 18:02
Zuhause in Österreich, da haben sich Finanzminister und Gesundheitsminister gerade beim Budget zusammengerauft, sich auf eine Gesundheits- und eine Pflegeform geeinigt. Draußen, auf der europäischen Ebene aber, da ziehen der ÖVPler Magnus Brunner und der Grüne Johannes Rauch in die entgegen gesetzte Richtung.
"Schluss mit strikter Sparpolitik"
„Nicht mehr auf strikte Sparpolitik setzen“, das ist das Ziel, das Rauch – derzeit in Brüssel – gegenüber österreichischen Journalisten sehr deutlich macht. Die derzeitigen strikten Budgetregeln in der EU müssten „neu definiert werden“. Bei der EU-Budgetpolitik werde die „finanztechnische Seite übergewichtet“. Gerade in Zeiten von Krise und Inflation werde der „politische Preis hoch sein“, wenn man stur an dieser Strenge festhalte.
Dem Gesundheits- und Sozialminister geht es naturgemäß vor allem um diese, seine Themen. „Geld für Gesundheit und Soziales sind auch Investitionen in die Zukunft“, und genau also solche müssten diese auch bei der Budget-Berechnung betrachtet werden. Sonst, so warnt der Grüne, werde nämlich in Zeiten knapper Budgets genau bei denen gespart werden.
Geld für Infrastruktur, also alles von Eisenbahnen bis Windräder, das habe in der EU-Finanzpolitik mittlerweile eine Sonderstellung, werde mit Milliarden eigens dafür abgestellter Mittel bedacht. Ähnliches aber solle auch für jene Bereiche gelten, die die Bürger viel direkter spüren würden.
Warnung vor Rechtsruck
Wenn man ständig nur aufs Sparen setze, da habe man „keine positive Erzählung für Europa“. Gerade die aber sei vor den Europawahlen 2024 besonders wichtig. Dem drohenden massiven Rechtsruck bei diesen Wahlen könne man nur ein „Europa mit sozialem Zusammenhalt entgegenstellen.“ Wenn man das vernachlässige „werden wir dieses Europa nicht wiedererkennen“.
Strenger Österreicher
Während also Rauch mit solchen Botschaften zu seinen EU-Ministerkollegen kommt, vertritt sein Regierungskollege Magnus Brunner eine ganz andere Linie. Der Finanzminister steckt in Brüssel in laufenden Verhandlungen über die EU-Regeln für die Budgets und die dazugehörigen Schuldenstände. Die sind durch die Milliarden für die Bekämpfung der Pandemie und die Unterstützung der Ukraine weitgehend außer Kraft gesetzt worden. Jetzt will man sie neu festzurren – und geht es nach dem österreichischen Finanzminister sehr fest.
Strafen konsequenter kassieren
Die seit Jahrzehnten etablierte Obergrenze für Budgetdefizite von 3 Prozent soll natürlich weiterhin gelten. Wer glücklich darunter liegt, soll sich gleich einmal verpflichtend einen Budgetpolster ersparen und Richtung zwei Prozent Defizit marschieren. Wer aber mit seinem Defizit darüber liegt, dem drohen Sanktionen. Die gab es zwar bisher auch schon, allerdings nur auf dem Papier. Denn die hohen Strafzahlungen wurden von den Mitgliedsländern einfach auf die lange Bank geschoben.
Einigung in Sicht
In Zukunft also soll es niedrigere Strafen geben, die aber werden dafür mit eiserner Konsequenz auch von den Defizitsündern kassiert. Brunner sieht die laufenden Verhandlungen der Finanzminister auf gutem Weg. Man sein einander zuletzt „ein gutes Stück näher gekommen“.
Wie aber passen die Vorstellungen des Gesundheitsministers in dieses Konzept? Auch er wolle keineswegs alle Budgetregeln in der EU über Bord werfen, versichert Rauch, aber man solle „die Spielräume für die Mitgliedsländer flexibler gestalten“ und die Schuldenstände und deren Rückzahlung „über längere Zeiträume beobachten“.
„Schulden sind Schulden“
Zumindest mehr Flexibilität für die einzelnen Länder kann sich auch EU-Budgetkommissar Johannes Hahn vorstellen. Man könne den Weg zu Schuldenabbau und Budgetstabilität für die Länder gewissermaßen maßschneidern, meint der oberste Hüter des EU-Budgets auf Anfrage des KURIER: Aber dieser Schuldenabbau müsse „sehr substanziell“ sein und werde von „von Seiten der EU mit Konsequenz verfolgt“.
Auch Hahn erkennt aber an, dass es „sinnvollere und weniger sinnvolle Schulden“ gebe. Rauchs Ruf nach mehr Ausgaben für Soziales könnte da also gehört werden. Allerdings macht der Budgetkommissar eines sehr deutlich: „Schulden sind Schulden, und die müssen immer als solche ausgewiesen sein.“ Egal wofür das Geld ausgegeben worden sei: „Dass man es einfach aus dem Schuldenstand eines Staates herausnimmt. Das kann ich nicht unterstützen.“
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