Dem Vernehmen nach könnte die Bundesregierung bereits kommende Woche die Quarantäne und Absonderung für Covid-19-Infizierte aufheben. Stattdessen sollen Verkehrsbeschränkungen gelten. Ein Infizierte Person dürfte dann unter Einhaltung gewisser Auflagen (z.B. Tragen einer Maske am Arbeitsplatz) die eigene Wohnung verlassen. Das hätte nicht nur im Alltag, sondern auch am Arbeitsplatz weitreichende Folgen, erklärt Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes.
Herr Brokes, im Moment sieht es danach aus, als würden Quarantäne und Absonderung für Covid-19-Infizierte abgeschafft werden. Stattdessen könnten sogenannte Verkehrsbeschränkungen kommen. Zu welchen Schwierigkeiten könnte das aus arbeitsrechtlicher Perspektive führen?
Philipp Brokes: Es wäre insofern bedenklich, weil dann viele, die asymptomatisch, aber dennoch infektiös sind, ihre Arbeitsorte betreten könnten. Viele arbeiten in Großraumbüros, in Produktionsstätten, wo Abstandsregeln nur sehr schwer einzuhalten sind. Bedenkt man, dass wir im Moment sehr stark steigende Infektionszahlen haben, wäre es selbstverständlich bedenklich, weil der Schutz von vulnerablen Gruppen am Arbeitsplatz nicht mehr so wie bisher gewährleistet wäre. Dazukommt, dass am 30.6 die Risikoverordnung ausgelaufen ist. Das heißt, dass seit Anfang Juli Personen, die Risikogruppen angehören, wieder zurück an den Arbeitsort müssen.
Kann mich denn mein Arbeitgeber zwingen, in die Arbeit zu kommen, wenn ich infiziert bin aber keine Symptome habe?
Eine zentrale Frage hierbei ist: Wer entscheidet denn letztendlich, ob ich arbeiten gehe oder nicht? Wenn man sich die Verordnung anschaut, dann würde ich davon ausgehen, dass da drinnen steht, dass alle Personen, mit einem asymptomatischen Verlauf mit Maske arbeiten gehen können. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass sich all jene, die Symptome haben und krank fühlen, krankschreiben lassen sollen. Jetzt klingt das in der Praxis nachvollziehbar, aber wir alle wissen aus dem Alltag, dass der Druck in einem Unternehmen oder die Angst vor einer Kündigung manchmal so groß ist, dass man auch krank in die Arbeit geht.
Habe ich rechtliche Möglichkeiten, von meinem Arbeitgeber zu verlangen, dass neben mir keine infizierte Person arbeitet?
Die Möglichkeit, bei meinem Arbeitgeber auf Probleme hinzuweisen und ihn allenfalls in eine gewisse Pflicht zu bringen Maßnahmen zu setzen, habe ich immer. Die Frage ist nur, inwieweit die Pflicht des Arbeitgebers für mich auch als Arbeitnehmer rechtlich durchsetzbar ist. Natürlich gibt es die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Gesundheit der Beschäftigten im Betrieb bestmöglich zu wahren. Es gibt auch eine allgemeine Fürsorgepflicht. Aber – und das haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren gemerkt – das Arbeitsrecht, das wir jetzt in unseren Gesetzen finden, ist nicht für den Krisenmodus geschrieben. Ob eine Einzelperson einen Anspruch darauf hat zu verlangen, nicht neben einer infizierten Person zu sitzen, können wir mit der derzeitigen Gesetzeslage nicht beantworten. Fragen wie diese werden Gerichte vielleicht in eineinhalb bis zwei Jahren beantworten.
Ist der Arbeitgeber verpflichtet zu kontrollieren, ob infizierte Arbeitnehmer im Büro die Maske tragen?
Der Meinung bin ich schon. Denn der Arbeitgeber hat die Fürsorgepflicht und das ArbeitnehemrInnenschutzgesetz besagt, dass der Arbeitgeber die Gesundheit der Beschäftigten schützen muss. Auf der anderen Seite haben wir auch das Strafrecht, das sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Gefährdung von anderen Personen im Hinblick auf die Infektion mit einer ansteckenden Krankheit, strafrechtlich regelt. Ein Arbeitgeber, der einfach sagt, ihm ist durch die Verkehrsbeschränkungen egal, wie sich ein Arbeitnehmer verhält, muss damit rechnen, dass da Strafverfolgungsbehörden genauer hinsehen würden.
Welche Folgen hätte die Aufhebung der Quarantäne sonst noch für den Arbeitgeber?
Bisher war es so, dass der Arbeitgeber das Entgelt zwar weiterhin bezahlen musste, wenn jemand wegen einer Corona-Infektion in den Krankenstand musste. Der Arbeitgeber hat dann jedoch das Entgelt vom Bund refundiert bekommen. Wenn jetzt die Quarantäne abgeschafft wird, muss der Arbeitgeber weiterhin Entgelt für den Arbeiter im Krankenstand bezahlen, bekommt aber vom Bund nichts retour. Für die Arbeitgeber ist das eine große finanzielle Belastung und dieser Druck könnte auf die Arbeitnehmer weitergegeben werden. Das verstärkt die Gefahr, dass auch jene arbeiten gehen, die tatsächlich krank sind.
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