Pröll über Häupl-Freundschaft: "Unsere Achse war uns heilig“
KURIER: Herr Pröll, Sie und Michael Häupl verbindet eine langjährige Männerfreundschaft. Wie kam es dazu, dass ein schwarzer und ein roter Landeschef Freundschaft schlossen? Erwin Pröll: Zwei Ereignisse haben uns zusammengeschweißt. Es passierte Anfang der 90er-Jahre: Ich war gerade ein Jahr Landeshauptmann und Michael Häupl war gerade auf dem Weg dorthin. Beim Begräbnis von Trainerlegende Ernst Happel gingen wir nebeneinander im Trauerzug Richtung Hernalser Friedhof. In Wien wurde damals diskutiert, ob das Amt des SPÖ-Wien-Parteivorsitzenden und des Bürgermeisters getrennt oder in einer Hand sein soll. Ich habe damals dem Michl geraten: „Mach das in einer Hand. Wenn du Parteivorsitzender wirst, dann mach’ auch gleich den Bürgermeister.“
Sie haben Häupl ermutigt, Bürgermeister zu werden?
Ich habe ihm meine Überzeugung mitgeteilt, beide Ämter in einer Person zu vereinen. Endgültig fix war die Freundschaft bei der Übersiedelung der niederösterreichischen Regierung nach St. Pölten. Da stand die Frage im Raum: Was passiert mit den Gebäuden in der Wiener Herrengasse 9, 11 und 13? Die Stadt Wien hatte ein Vorkaufsrecht auf diese Gebäude. Ich bat Michael Häupl, dass diese Häuser Niederösterreich erhalten bleiben. Im Gegenzug schlug ich ein Tauschgeschäft vor: Niederösterreich gibt Wien alle anderen Immobilien, die das Land in der Stadt besitzt. Dafür verzichtet Wien auf das Vorkaufsrecht. Nach einer Schätzung der Immobilien besiegelten wir den Deal damals mit Handschlag. Erst danach wurden sämtliche rechtlichen und die politischen Schritte eingeleitet. Unser Deal hielt auf Punkt und Beistrich. Damit war auch die Freundschaft besiegelt.
Wie kann man sich so eine Freundschaft vorstellen?
Unsere Freundschaft wurde oft auf die Probe gestellt. Im Laufe der Jahrzehnte gab es viele Momente, wo ich oder der Michl über den Schatten springen mussten. Das Schöne war, dass bei uns nie und nimmer ein parteipolitisches Argument entschied, sondern nur ein sachpolitisches. Bei allen Kraftproben, die wir in den eigenen Reihen durchstehen mussten, um pakttreu zu bleiben, hat das Ganze gehalten. Dadurch sind wir uns menschlich sehr nahe gekommen.
Trotz der unterschiedlichen Persönlichkeiten …
Michl ist ein emotioneller Typ. Das bin ich auch. Gerade zwei emotionelle Typen wie wir laufen Gefahr, sich in der Emotion voneinander weg zu bewegen. Wir aber haben uns aufeinander zu bewegt. Wenn bei uns schon alles in die Luft geflogen ist, gab es ein Ritual: Wir setzten uns eine Viertelstunde auf ein Glaserl Wein zusammen. Dabei blendeten wir aus, was es bedeutet, wenn der eine oder der andere aus der jeweiligen Situation als Gewinner aussteigt. Wir versuchten die wesentlichen Argumente auszuloten: Was bedeutet das für die Entwicklung der Region? Dann haben wir eine Lösung gefunden.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Zum Beispiel bei der Entstehung des Nationalparks Donauauen. Dieser Park war damals nicht jedermanns Freude. Wien und Niederösterreich spielten dabei eine gewaltige Rolle. Bei der Landeshauptleutekonferenz hatten wir beide das Gefühl, endlich Nägel mit Köpfen machen zu müssen. Nach dem Abendessen redeten wir Tacheles. Wir wogen die Argumente ab, wir schätzten die Auswirkungen einer derartigen Entscheidung ein. Um drei in der Früh machten wir dann bei einem Glaserl Wein den Sack zu. Das war die Geburtsstunde des Nationalparks.
Freundschaft bedeutet auch, dass man sich Rat holt. War das möglich, obwohl Sie ein wichtiger Player in der ÖVP und Häupl ein Machtfaktor in der SPÖ war?
Doch. Wir haben uns in schwierigen politischen Situationen gegenseitig beraten. Das war bei vielen Entscheidungen in der Landeshauptleutekonferenz sehr wichtig. Wir testeten ab: Wo sind die Grenzen der Zumutbarkeit? Wo sind die Ebenen des Kompromisses? Das hat in der Landeshauptleutekonferenz sehr oft geholfen. Das hat oft auch Schrittmacherdienst geleistet für Entscheidungen auf Bundesebene.
War Ihnen diese Achse heilig?
Ja, diese Achse war Michl heilig, und mir auch. Wir wussten, dass es so eine Partnerschaft vorher selten gab und keine Selbstverständlichkeit ist.
Ihnen haben die politischen Kommentatoren attestiert, dass Sie bei Ihrem Abgang alles richtig gemacht haben. Michael Häupl attestiert man, dass er das Zepter zu spät übergeben hat. Warum fällt Häupl das Loslassen so schwer ?
Ich habe nicht das Gefühl, dass dem Michl der Abschied schwerer fällt als mir. Diese Beurteilung finde ich sogar ungerecht. Ein derartige Entscheidung ist eine äußerst persönliche. Wenn man 25 Jahre in der Politik ganz vorne steht, legt man diese Zeit nicht wie ein verschwitztes Hemd am Abend weg. Wer das behauptet, lügt. Wien ist anders als Niederösterreich. Deswegen sind die Vergleiche zwischen dem Michl und mir nicht zulässig. Es ist aber auch noch viel zu früh, um zu beurteilen, ob der Zeitpunkt richtig oder falsch war.
Häupl ist für seinen Schmäh bekannt. An welche Anekdote erinnern Sie sich gerne?
Mit unseren G’schichtln könnte man Bände füllen. Wir hatten öfters ein Dreier-Treffen zwischen Wien, Niederösterreich und Burgenland. Bei einem Besuch bei Hans Niessl stand die Besichtigung eines Freilichtmuseums am Programm, wo wir auch eine alte Kapelle besuchten. Ich weiß nicht mehr wer, aber irgendjemand hatte die Idee, dass wir „Großer Gott, wir loben dich“ singen. Das Lied wurde angestimmt. Neben mir stand der Michl. Ich sang die erste Strophe, dann stimmte ich die zweite Strophe an und auch noch die dritte. Der Michl blickte zu mir und meinte in seiner trockenen Art: „I glaub’, du wüst di als Papst bewerben.“ Ich antwortete: „Nein, ich will, dass du mitsingst.“
Heute regiert „Message Control“ in der Politik. Sie und Michael Häupl sind Politiker-Typen, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hielten. Hat dieser Politiker-Typus ausgedient?
Ich kann nur die Hoffnung äußern, dass die agierenden Politiker nicht „gestreamlined“ werden und der kritischen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Der Fortschritt der Demokratie lebt in Wahrheit von der Ehrlichkeit, der Geradlinigkeit und vom Mut der amtierenden Verantwortungsträger. Es würde mir sehr leid tun, im Interesse des Fortschritts der Republik und auch der Bundesländer, wenn das auf Grund von Konfliktscheue verloren ginge.
Sie haben schon mehrmals in Interviews betont, dass Probleme bei einem Glas Wein bewältigt wurden. Wer ist der Trinkfestere von ihnen beiden?
Das ist schwer zu sagen (lacht). Wir haben des Öfteren die Grenzen ausgelotet. Aber sind immer wieder geraden Weges von einander gegangen. Einen Bürgermeister von Wien oder einen Landeshauptmann von Niederösterreich, der nicht gerne Wein trinkt, kann ich mir nicht vorstellen. Allerdings muss man wissen, wo die Grenzen sind.
Gibt es Pläne für die Zukunft?
Radfahren will der Michl mit mir nicht gehen. Aber wir werden uns, so wie in unserer aktiven Zeit, abwechselnd in Wien und Niederösterreich treffen. Ich wünsche mir, dass diese wunderschöne Männerfreundschaft noch lange besteht. Wir haben uns diese Freundschaft gar nicht vornehmen müssen, sondern wir spürten sie gegenseitig. Es würde uns etwas fehlen, wenn wir uns fehlen.
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