Probleme mit Behörden? Das sind die neuen Volksanwälte
"Keine Heimtherapie bei seltener Krankheit", "50.000 Euro Wassergebühr", oder "Fäkalien in der Donau – sind Kreuzfahrtschiffe schuld daran?" Das ist die Bandbreite an Themen, die Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer alternierend in der beliebten ORF-Sendung "Bürgeranwalt" (durchschnittlich 396.000 Zuseher) jüngst diskutierten.
Ab 1. Juli wird Moderator Peter Resetarits drei neue Volksanwälte um ihre Expertise bitten, denn keiner der oben Genannten bleibt im Amt. Die drei stärksten Parteien im Parlament stellen die Volksanwälte und sie haben sich für neue Vertreter entschieden. Am kommenden Donnerstag werden die drei im Parlament für 6 Jahre (mit einer Verlängerungsoption) gewählt, am 1. Juli starten sie – allerdings wird erstmals seit 1983 keine Frau der Volksanwaltschaft angehören.
Die ÖVP nominierte statt Brinek (die nach zwei Amtsperioden ausscheiden muss) den ehemaligen Generalsekretär Werner Amon; die SPÖ statt Günther Kräuter, der gerne weitergemacht hätte, den Gewerkschafter Bernhard Achitz. Die FPÖ hätte Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein entsandt – doch nach den Personalrochaden in der Partei in Folge des Koalitionsbruchs kommt der Jurist und bisherige Klubchef Walter Rosenkranz zum Zug.
Die Volksanwaltschaft zählt zu den "Obersten Organen" der Republik. Sie kontrolliert seit 1977 die öffentliche Verwaltung; seit 2012 hat sie ob eines UNO-Mandats auch den Auftrag, die Einhaltung der Menschenrechte zu sichern. 90 Mitarbeiter stehen den drei Volksanwälten zur Seite. Sie selbst sind unversetzbar und unabrufbar – aber nur so einflussreich, wie sie ihre Kontakte zu Politik und Medien nutzen können. Ein Volksanwalt verdient im Monat brutto 14.000 Euro.
Die Statistik zeigt: 16.000 Menschen wandten sich 2018 an die Volksanwaltschaft. Bei der Hälfte der Fälle wurde eine Prüfung veranlasst. Meist ging es dabei um Fragen aus den Bereichen AMS, Pflege, Pension, Asyl oder Justiz.
Ein "Polit-Dinosaurier" mit schwarzer Bilderbuch-Karriere
Werner Amon hat das, was man eine (schwarze) politische Bilderbuch-Karriere nennen könnte.
1969 geboren in Graz, war er Bundesschulsprecher, studierte in Wien, London und in den USA und ist Fachmann für Werbung und Marketing. 1993 wurde er Bundesobmann der Jungen ÖVP – ein Amt, das der Steirer acht Jahre lang ausübte –; danach war er sechs Jahre lang Generalsekretär des ÖVP-Arbeitnehmerbundes und Generalsekretär der ÖVP. Er galt mehr als (Reinhold) Mitterlehner- denn als (Sebastian) Kurz-Mann, aber immer als treuer Parteisoldat.
25 Jahre lang saß er im Nationalrat, den der "Polit-Dinosaurier", wie er einmal tituliert wurde, jetzt verlässt, um für die ÖVP das ehrenwerte Amt des Volksanwalts anzutreten. Er selbst meint übrigens, er wäre am ehesten ein "Triceratops": klein, bullig und mit Nackenschild.
Letzteres hat Amon im Zuge des Untersuchungsausschuss zur Causa BVT gebraucht. Ihm wurde vorgeworfen, er sei Teil des ominösen „schwarzen Netzwerks“ im Innenministerium. In der Kritik stand er wegen seiner Freundschaft zu einem beschuldigten BVT-Beamten.
Amon trat im U-Ausschuss – so jovial und zuvorkommend er wirken mag – in seiner Funktion als Fraktionsführer aber auch als scharfer Angreifer in Erscheinung, nahm sich kein Blatt vor den Mund: Entgegen der türkis-blauer Koalitionsräson übte er heftige Kritik an FPÖ-Innenminister Herbert Kickl.
Der vierfache Vater folgt Volksanwältin Gertrude Brinek nach, die für Strafvollzug, Steuern und Denkmalschutz zuständig war. Brinek hätte sich zwar eine Frau als Nachfolgerin gewünscht, sagte aber: "Er wird seine Sache sicher gut machen."
Sozialexperte will Verwaltung mit "Herz und Hirn"
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat sich für Bernhard Achitz (54), den langjährigen Leitenden Sekretär im ÖGB, als neuen Volksanwalt entschieden.
Das darf durchaus als höhere Auszeichnung für den Gewerkschafter verstanden werden, hat die SPÖ-Chefin in der Opposition doch in Wahrheit nur zwei Jobs zu vergeben: Die Klubführung im Parlament und den Volksanwalt.
Und so folgt der gelernte Jurist und Experte für Sozialpolitik auf den Volksanwalt und früheren SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Dieser hat zwar aus seinem Verlängerungswunsch kein Hehl gemacht hat, aber gegen Achitz den Kürzeren gezogen.
Dem neuen roten Volksanwalt ist zuzutrauen, dass er das eine oder andere "heiße Eisen" angreift. Achitz, der auch als AK-Präsident im Gespräch war, kann auf breite Erfahrung zurückgreifen: Als Sozialpartner saß er neun Jahre im Verwaltungsrat des AMS und 13 Jahre als Vize im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, wo es zuletzt in Sachen Kassenfusion zur Sache ging.
Als Volksanwalt muss Achitz Missstände in einem noch wesentlich breiteren Kontext aufzeigen. Er will "im Interesse der Menschen ein Auge darauf haben, dass die öffentliche Verwaltung mit Herz und Hirn funktioniert". Bis das überall so ist, kann es dauern. Doch ihm wird von Freund und Feind attestiert, ein zäher Verhandler mit langem Atem und exzellentem Fachwissen zu sein.
Privat hat er kürzlich seine langjährige Lebensgefährtin geheiratet, die auch aus dem ÖGB stammt. Zusammen kommt das Patchwork-Ehepaar auf drei Kinder und drei Enkerln. Sollte da noch Zeit fürs Hobby bleiben, schwingt sich Achitz auf sein Rennrad.
Gemäßigter Blauer mit "feiner, wenn nötig scharfer Klinge"
"Den lässt sich die FPÖ nicht herausschießen", sagt Walter Rosenkranz nach Bekanntwerden der Ibiza-Affäre über den damaligen Innenminister Herbert Kickl. Jetzt geht der 56-jährige Rosenkranz selbst nach elf Jahren aus dem Parlament und überlässt den Posten des FPÖ-Klubobmanns Kickl. Der Landesparteiobmann der FPÖ-Niederösterreich hatte die Spitzenfunktion im Klub erst Ende 2017 im Zuge der ÖVP-FPÖ-Koalition übernommen.
Der promovierte Jurist gilt als "homo politicus" und gemäßigter Freiheitlicher. "Er ist Burschenschafter, konservativ, korrekt, pragmatisch, politisch nie extrem“, charakterisiert ihn ein langjähriger Weggefährte. Nur mit einem sei der gebürtige Kremser, der von 1988 bis 2017 im Gemeinderat saß, stets aufgefallen: mit seiner Sprache. Er ist "ein brillanter Rhetoriker", beherrsche "die feine, wenn nötig auch scharfe Klinge" und ist auch deshalb gern gesehener Gast in politischen Diskussionsrunden.
Wenn er nicht als Fraktionsführer der Freiheitlichen im Korruptions- oder Eurofighter-Untersuchungsausschuss sitzt, musiziert Rosenkranz, der an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Gitarre studiert und eine Ausbildung zum Musikschullehrer absolviert hat. "Bis auf das fehlende sozialistische Parteibuch hätte ich jede Vorgabe erfüllt", ließ er anlässlich der Staatsoperndirektor-Bestellung von Bogdan Roščić 2016 wissen.
Seit 2010 ist der Rechtsanwalt und Strafverteidiger verheiratet – 2011 kam Sohn Rupert auf die Welt. Ehefrau Susanne ist ebenfalls Juristin und trat 2017 gleichsam in die Fußstapfen ihres Mannes. Susanne Rosenkranz ist Stadträtin in Krems.
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