Prinzipienstreit in der Regierung um die "kalte Progression"

Schelling, Stöger: Schleppende Gespräche über Aktion 20.000
Politik von innen: Die SPÖ besteht auf Negativsteuer für Kleinstverdiener. Die ÖVP ist strikt dagegen, Mittelstandeinkommen dafür zu belasten.

Der Streit um die kalte Progression eskaliert zum Prinzipienstreit zwischen SPÖ und ÖVP.

Einig ist die Regierung, dass die kalte Steuerprogression gedämpft werden soll, wenn fünf Prozent Inflation angelaufen sind. Das macht eine Milliarde Steuersenkungsvolumen aus. Bei der Abgeltung von 80 Prozent dieser Summe – also 800 Millionen – sind SPÖ und ÖVP einig. Die Steuerstufen I und II sollen automatisch angepasst werden. Das entlastet Menschen mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen bis zu 18.000 € voll, alle, die mehr verdienen, anteilig.

Umstritten ist, was mit den restlichen 200 Millionen passieren soll. Die ÖVP will alle Steuerstufen weitgehend entlasten, vor allem die Stufen III und IV bis zu einem zu versteuernden Jahresbrutto von 60.000€.

Die SPÖ will die 200 Millionen an jene rund 2,4 Millionen Menschen verteilen, die weniger als 11.000 € im Jahr verdienen und keine Steuern zahlen. Im Durchschnitt würde jeder Kleinstverdiener 83 € im Jahr bekommen. Die SPÖ argumentiert, dass auch Kleinstverdiener von der Inflation betroffen seien, und die Abgeltung der kalten Progression sei ja eine Inflationsabgeltung. Zweitens sagt die SPÖ, dass mit dem automatischen Dämpfen der kalten Progression künftig seltener Steuerreformen stattfinden werden (weil der Steuerdruck nicht mehr so groß wird). Damit würde die SPÖ künftig seltener die Möglichkeit haben, Begünstigungen für Kleinstverdiener zu erzwingen. Bei den letzten Steuerreformen schlug die SPÖ beispielsweise Negativsteuern heraus – mit dem Argument, dass die Kleinstverdiener ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht wie alle anderen Arbeitnehmer von der Steuer absetzen können.

Die ÖVP hingegen argumentiert, es sei leistungsfeindlich, wenn jene, die Steuern zahlen, die kalte Progression nicht (voll) abgegolten bekommen und mit diesem Geld jene bezuschusst werden, die gar keine Lohnsteuer zahlen.

Finanzminister Hans Jörg Schelling pflegt engen Kontakt mit Weltbank-Präsident Jim Yong Kim.Der Südkoreaner war bereits zu Gast bei Schellings Talk-Reihe Finanz im Dialog in Wien. Letzte Wochen trafen sich die beiden bei der Weltbanktagung in Washington. Dabei wurde die Erweiterung der Weltbank-Niederlassung in Wien beschlossen. Die Weltbank betreut von Wien aus die Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Nun wird sich auch der Privatsektor-Arm der Weltbank, die Internationale Finanzkorporation, in Wien ansiedeln. Die Zahl der Mitarbeiter wird sich von derzeit 45 bis zum Sommer 2018 mindestens verdoppeln.

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