Neu im Prozedere ist ein Detail: Die Regierung entscheidet nicht mehr im Alleingang, wie es nun weitergehen soll, sondern die Landeschefs sind mit an Bord. Am Freitag diskutierte Bundeskanzler Sebastian Kurz im Palais Niederösterreich 4,5 Stunden mit den Landeshauptleuten.
Davor hatten die neun Landeschefs die kritische Lage schon extra "1,5 Stunden lang analysiert". Es ist eine schwierige Abwägung. "Es ist aber nicht so, dass bei Kurz plötzlich die Akzeptanz gegenüber den Landeshauptleuten gewachsen ist, sondern er braucht sie jetzt. Denn ihm steht das Wasser noch nicht bis zum Hals, aber das Wasser steht schon sehr hoch", so ein Insider.
Auch bei den aktuellen Beratungen - heute am Samstag - im Bundeskanzleramt sind die Landeschefs entweder persönlich anwesend oder über Videokonferenz zugeschalten. Einige mussten wegen der akuten Schneefälle wieder zurück in die Heimat.
Gretchenfrage
Die Gretchenfrage ist, das Ausmaß des mutierten Virus einzuschätzen: Schafft man es, alle vulnerablen Gruppen zu impfen, bevor das mutierte Virus bei den Infektionszahlen durchschlägt? "Die Experten würden noch ein paar Tage mehr für die genaue Analyse brauchen, aber die haben wir nicht", schildert ein Insider das Dilemma der Situation.
Außerdem befürchten die Virologen, dass das mutierte Virus die Erfolge des dritten Lockdowns bereits kompensiert. "Auch das könnte möglicherweise ein Grund sein, warum die Infektionszahlen nicht sinken", so ein Insider.
Dazu kommt der Druck aus dem Handel, endlich wieder die Shops zu öffnen. Denn die Wirtschaft und die Schulen benötigen auch genügend Zeit, um eventuelle Lockerungen ab dem 25. Jänner vorzubereiten. Deswegen muss die Entscheidung unbedingt noch in den kommenden Stunden fallen. Das ist alternativlos.
Kurz orientiert sich an Deutschland
Was Kurz auf keinen Fall will: So wie in Südtriol oder Irland Lockerungen zu verkünden, um dann zehn Tage später den vierten Lockdown beschließen zu müssen. "Das, so sagt er, würde die Akzeptanz in der Bevölkerung nochmals sinken lassen", erzählt ein Teilnehmer. Dann lieber den deutschen Weg gehen und den Lockdown verlängern, "damit man die Ausbreitung des britischen Virus abbremsen kann", so ein Insider. Andere Sitzungsteilnehmer bringen es jovialer auf den Punkt: "Wenn Kurz nach zwei Wochen der Lockerung den vierten Lockdown verkünden muss, ist er im A...."
Schulen bleiben geschlossen
Auch für die Schulen soll es keine Ausnahmen mehr geben. "Gestern wurde das noch sehr heftig diskutiert, aber die Befürworter einer Schulöffnung wurden dann sehr schnell immer leiser", so ein Sitzungsteilnehmer.
Ab Mitte Februar soll es unter strengen Auflagen - Tragen von FFP2-Masken, Eintrittstesten für bestimmte Berufsgruppen sowie für Gastronomie und Kultur - wieder eine minimale Variante der Normalität geben. "Ziel muss es sein, sich einen Spielraum bis Ostern zu verschaffen", so ein Insider.
Viele Telefonate mit Merkel
Mittlerweile soll Sebastian Kurz fast täglich mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonieren. Auch an den Empfehlungen des deutschen Robert Koch Instituts soll sich der Kanzler vermehrt orientieren, hört man aus den Konferenzen. Kommt auch eine Mobilitätseinschränkung wie in Deutschland? "Das wurde noch nicht fix ins Visier genommen, aber jede Mobilitätseinschränkung ist gut. Vielleicht gibt es diesbezüglich auch andere Ideen", so ein Insider.
Die Ergebnisse der Abwassertests in Wien liegen noch nicht vor, aber in einer Teststraße in Wien wurde das mutierte Virus bereits nachgewiesen. Obwohl Stadtrat Peter Hacker in Wien für eine Öffnung plädiert: die Virusmutation B 1.1.7 ist auch in der Bundeshauptstadt bereits angekommen.
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