Die Türkisen vermissen ihren Generalsekretär
Zur türkisen Offensive gegen die Justiz haben sich schon viele ÖVP-Politiker zu Wort gemeldet. Nur eine prominente Stimme fehlt. Es ist ausgerechnet jene des ÖVP-Generalsekretärs Axel Melchior.
Gerade eine so heikle Mission gilt als Paraderolle für einen Generalsekretär. Er ist innerparteilich der Mann fürs Grobe, kann sich mehr erlauben als ein Kanzler. Er darf zuspitzen, vereinfachen, provozieren – das sind seine Aufgaben. Doch gerade dieser Stil liegt Melchior nicht.
Das führte zu dem umstrittenen Momentum, dass Kanzler Sebastian Kurz selbst als Scharfmacher auftrat, und der WKStA "zahlreiche Verfehlungen" vorwarf sowie "dringenden Änderungsbedarf" ortete. "Wenn der Bundeskanzler gegen die unabhängige Justiz ausreitet, dann ist das eine zwingende Einladung für parteilose Experten, sich vor die Justiz zu stellen", so Politik-Insider Thomas Hofer.
Unmut in den Ländern
Melchiors beharrliche Weigerung, in der Öffentlichkeit die Speerspitze der Partei zu spielen, sorgt vor allem in den mächtigen türkisen Ländern für Unmut. Sie halten diese innerparteiliche Aufstellung für einen Fehler. Vor allem auch, weil Kurz im Wahlkampf mit dem Slogan antrat, für einen neuen Polit-Stil zu stehen. "Da darf der Kanzler dann nicht die Kavallerie spielen. Das hinterlässt Flurschäden", so ein namhafter Landespolitiker.
Melchior, einer der engsten Vertrauten von Kurz, sei ein guter Organisator, habe viele Wahlkämpfe für die Türkisen erfolgreich geschlagen, heißt es innerhalb der Partei, aber in so schwierigen Zeiten (Corona-Krise, Ibiza-U-Ausschuss, Konflikt mit Justiz etc.) wäre ein Generalsekretär, der verbal auch Rundumschläge austeilt, mehr als notwendig. Gaby Schwarz sei zwar bemüht, aber nicht in der Position der Nummer eins im Generalsekretariat.
"Kann nur einen geben"
Hinter vorgehaltener Hand wird bereits darauf gedrängt, die Position des Generalsekretärs neu zu besetzen. "Auch wenn die Kritik nur hinter den Kulissen geäußert wird, aber die Länder haben recht", analysiert auch Politik-Experte Hofer. In der ÖVP gelte das "Highlander-Prinzip", sagt Hofer. Das da lautet: "Es kann nur einen geben".
Pufferzone schaffen
Das Erfolgsmodell des alles überstrahlenden Einzelspielers Sebastian Kurz entpuppt sich in der Krise als Manko, denn Kurz fehlt eindeutig ein "Flügelspieler", der ihm eine "Pufferzone" verschafft, meint Hofer. Erstmals vermisst wurde dieser Entlastungsspieler für den Kanzler bei den Angriffen auf Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im Vorjahr, als die Umbaupläne für das Bundesheer bekannt wurden.
Den notwendigen Konter gegen die Opposition muss oftmals ÖVP-Klubchef August Wöginger ausführen oder eben der Kanzler selber. "Die Debatte wird aber hochemotional, wenn es auf Kanzlerebene eskaliert. Das sollte vermieden werden", so Hofer. Als Wolfgang Sobotka als U-Ausschuss-Vorsitzender dem Dauerbeschuss von SPÖ und Neos ausgesetzt war, hörte man kein Wort der Verteidigung aus der Parteizentrale. Schlussendlich rückte die NÖ-Landespartei aus.
Apropos Sobotka: Er wollte bei der Regierungsbildung 2017 Generalsekretär werden. Doch viele, auch Kurz, redeten ihm diese Rolle aus. Jetzt wäre der streitbare Parlamentschef wahrscheinlich die Idealbesetzung für den Job.
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