Doch zurück zu den strategischen Haken, die der sonst bei vielen Themen liniensture Kanzler derzeit schlägt. Da muss auch das Eintrittstesten für Kultur- und Sportveranstaltungen genannt werden, bei dem er mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eine gemeinsame Vorgehensweise gefunden hat. Dabei hatte wenige Tage zuvor die vereinte Opposition die Strategie des Freitestens politisch zu Fall gebracht. Der Kanzler hat erkannt, dass es nicht einfach reicht, die Schuld für die damit verbundene Verlängerung des Lockdowns der Opposition umzuhängen. Die Menschen sehnen sich nach Lösungen und wollen kein parteipolitisches Geplänkel. Ein Zugang, den Oppositionschefin Pamela Rendi-Wagner schon seit Längerem verfolgt und damit sicherlich gut fährt.
Ein Schwenk konnte auch bei der Impfstrategie beobachtet werden. Nachdem der Kanzler mit der eher langsamen Herangehensweise des Gesundheitsministeriums nicht zufrieden war, verordnete er ein rascheres Impfen. Und er legte das Impfen komplett in die Hände der Bundesländer und deren Gemeinden. Gegen den Willen so manches ministeriellen Beamten. Ein Ansatz, der Sinn macht, weil das angekündigte wohnortnahe Impfen nur mit regionaler Expertise zufriedenstellend gelöst werden kann. Die Landeshauptleute müssen jedenfalls jetzt ihre Kompetenz beweisen. Auf das Ministerium können sie nur noch dann mit dem Finger zeigen, wenn die Impfdosen nicht rasch genug geliefert werden. Geht diese Strategie auf, kann sie gleich ein Modell für künftige Kompetenzentflechtungen zwischen Bund und Ländern sein.
Politische Markenzeichen von Sebastian Kurz sind, dass er zuhören kann und Stimmungen rasch erkennt – meist besser als sein Umfeld. Die sehr harte Kritik der Opposition berührt ihn weniger als das Gefühl, insgesamt nicht mehr richtig zu liegen. Und eine Richtungsänderung empfindet er nicht als Gesichtsverlust. Was ihn von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, einem seiner Vorbilder, unterscheidet.
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