Plastik-Adler wacht über Nationalrat

Plastik-Adler wacht über Nationalrat
Parlament wandert vom Ring in die Hofburg, Umzug bis Mitte August abgeschlossen.

Kreischende Sägen, dumpfes Hämmern, Staub und der Duft von frischem Lack liegen in der Luft – und doch ist alles ein wenig zu ordentlich für eine gewöhnliche Baustelle. Es fehlen sogar die obligatorischen Bierdosen. Im altehrwürdigen Gemäuer der Hofburg ist es eben selbst bei hochsommerlichen Temperaturen eine Spur gediegener als anderswo.

Das könnte am Ambiente liegen: Im historischen Großen Redoutensaal wurden am Freitag wieder die Wand- und Deckengemälde des Künstlers Josef Mikl freigelegt. Inmitten knalliger Rot- und Orangetöne, goldener Verzierung und Stuck sind minimalistische Sitzreihen aus Ahorn eingebaut. Der Bundesadler an der Wand ist übrigens eine Replikat aus Holz und Kunststoff, die Patina ist aufgesprüht. Der Original-Bundesadler aus einem Guss war mit 650 Kilo zu schwer für den Umzug, der wegen der Sanierung des 130 Jahre alten Parlaments notwendig geworden ist.

Gefecht auf Augenhöhe

Hier, im Großen Redoutensaal, sonst Hotspot der Wiener Ballsaison und internationaler Kongresse, liefern sich ab August Regierung und Abgeordnete vor der Neuwahl im Oktober ihre letzten Gefechte. Raumplanerisch wird ein Ausgleich geschaffen, scherzt man intern: Die Sitzreihen sind wesentlich flacher angeordnet als im alten Plenarsaal, der einer Kampfarena gleicht. Die Abgeordneten sind künftig mehr auf Augenhöhe. Ob das wirkt, zeigt sich ab dem 16. August: Da muss die Übersiedlung abgeschlossen sein, erste Sondersitzungen sind im Sommer möglich.

Das politische Zentrum Österreichs verlagert sich für die kommenden drei Jahre vom Hohen Haus am Ring auf verschiedene Ausweichquartiere rund um die Hofburg: Die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP übersiedeln in zwei Pavillons am Heldenplatz, die Büros der drei Nationalratspräsidenten und die Sitzungsräume für die Parlamentsausschüsse werden in einem größeren Pavillon im Bibliothekshof eingerichtet.

Die erste Tranche – dazu gehören die Demokratiewerkstatt für Schüler, EDV und Verwaltung – ist schon am Wochenende in die neuen Pavillons eingezogen. Dass diese im Volksmund spöttisch "Container" genannt werden, hört Alexis Wintoniak, Chef der Sanierungsgesellschaft, nicht gern. "Sieht so ein Container aus?", fragt er beim KURIER-Lokalaugenschein. Die beiden (zumindest containerförmigen) Gebäude am Heldenplatz sind mit schwarzem Material umhüllt, das vor der Sonne schützen soll. Darauf sind Passagen aus der Bundesverfassung, der UN-Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der EU zu lesen. "Damit wollen wir den Menschen begreiflich machen, dass Rechtsstaat und Demokratie nichts Selbstverständliches sind und erarbeitet werden müssen. Unter anderem hier", erklärt Wintoniak. Die Übergangsquartiere sind im Modularsystem aufgebaut. Im Betonkern stecken Holzpaneele als Trennwände, die leicht abgebaut werden können. Nach Abschluss der Sanierung und der Rückübersiedlung – planmäßig im Sommer 2020 – soll hier am Heldenplatz wieder eine "grüne Wiese" sein, sagt Wintoniak. Die Bauteile halten mindestens 50 Jahre und können wiederverwendet werden – sie reichen für 80 Einfamilienhäuser oder neun Kindergärten.

51,4 Millionen Euro

Der Umzug ist ein Mammutprojekt: 714 Arbeitsplätze, die Unterlagen in je acht Kartons verpackt, eine Bibliothek mit Büchern auf 4162 Laufmetern, sämtliche technische Anlagen, Kunst- und Kulturgüter sowie vertrauliche Unterlagen müssen übersiedelt werden. Wie bei einem Umzug üblich mussten die Mitarbeiter gründlich ausmisten – bis zu 80 Prozent an Papier wanderte in den Müll, wichtige Akten wurden digitalisiert. Der Vergangenheit gehört nach dem Umbau auch die Rohrpost an, alles soll moderner und schneller werden.

Die Kosten: 51,4 Millionen Euro. Auf die Pavillons mit einer Nutzfläche von rund 11.500 fallen davon 18 Millionen. Ein Teil des Geldes soll durch die Wiederverwertung der Bauteile zurück in die Staatskasse fließen. In die Ausstattung der Hofburg werden elf Millionen Euro investiert. Die Redoutensäle sind in Privateigentum, Miete wird aber nicht fällig, erklärt ein Parlamentssprecher. Umbauten im Wert von fünf Millionen Euro – etwa für Barrierefreiheit und Technik – gelten als nachhaltige Aufwertung.

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