Plasser: "Bundeskanzler Kurz muss jetzt rote Linien ziehen"

Politikwissenschaftler Fritz Plasser
Die FPÖ-Affären belasten die Koalition. "Die ÖVP muss gegensteuern", fordert Politologe Fritz Plasser.

"Mehr Österreich-Bewusstsein von der ÖVP und Erinnerung an die Parteigeschichte", forderte Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek von seiner Partei. Im Blick hatte der ehemalige Vordenker der ÖVP das Bewusstsein und die deutschnationale Identität, die bei schlagenden Verbindungen "immer noch zu Hause ist". Der Politologe Fritz Plasser begrüßt Buseks "rot-weiß-rote Initiative". Gerade im Gedenkjahr ist das ein positiver Beitrag", sagt Plasser zum KURIER. Von der ÖVP-Spitze wollte sich zu Buseks Plänen niemand äußern. Die Affäre um das Liederbuch der Burschenschaft Germania mit rassistischen, antisemitschen und die Nazi-Ideologie verherrlichenden Texten belastet die türkis-blaue Koalition.

Nazi-Diktion

Am Sonntag etwa hat Martin Glier, Pressesprecher von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, in Anspielung auf den Namen des KURIER-Herausgebers aus der rechtsextremen Online-Enzyklopädie "Metapedia" einen illegalen Kärntner Nazi namens Brandstätter zitiert: "Sie nennen sich schließlich auch so: Brandstätter war ein Blutzeuge der nationalistischen Bewegung, der während des sogenannten Juliputsches ums Leben kam", schrieb Glier auf Twitter.

Die Formulierung "sogenannter Juliputsch" und "Blutzeuge" sind eindeutige Nazi-Diktion. Auf KURIER-Anfrage erklärte Glier, "Megapedia" nicht gekannt zu haben und "mit Bedauern" seinen Tweet zurückzuziehen. "Metapedia" ist auf den Schweden Daniel Friberg registriert. Friberg war 2014 am Akademikerball, hat also Burschenschafter-Kontakte.

Es gibt den Eindruck, die Regierung sei derzeit nur mit dem Kleinhalten der FPÖ-Affären beschäftigt, auch wenn der Vizekanzler kürzlich den "Antisemitismus" in den eigenen Reihen verurteilte.Politikwissenschaftler Fritz Plasser warnte jetzt vor diesem "Zustand in der Regierung, der nicht prolongierbar ist".

Was sich jetzt abspiele, sei "absolut kontraproduktiv, was die Umsetzung der Ziele des Reformprogrammes der Regierung betrifft. So kann es nicht weitergehen. Bundeskanzler Kurz muss jetzt rote Linien ziehen im gemeinsamen Regierungsinteresse", analysiert Plasser. Auch die Freiheitlichen müssten mehr tun: "Von der FPÖ-Spitze Strache, Herbert Kickl und Norbert Hofer muss es deutliche Klarstellungen und Regeln geben", betont der Universitätsprofessor.

"Besorgniserregend"

Er ist auch davon überzeugt, dass "die ÖVP das Gegensteuern nicht der FPÖ überlassen darf". Das Bild Österreichs in den internationalen Medien und die Attribute, die dem Land zugeschrieben werden – und das alles fünf Monate vor Übernahme des EU-Vorsitzes – findet Plasser "sehr besorgniserregend". Was die von der FPÖ geplante Historikerkommission zu den Burschenschaften betrifft, regt Plasser eine Studie an, die über den Gegenstand "Burschenschaften" hinaus geht. "Ein schonungsloser Rückblick auf ÖVP, SPÖ und FPÖ im Gedenkjahr 2018 hätte mehr Nachhaltigkeit als zahlreiche Veranstaltungen."

Kommentare