Busek: "Die ÖVP ist rot-weiß-rot"

Erhard Busek
Ex-ÖVP-Chef Busek will mit anderen ÖVP-Obmännern an die Geschichte erinnern.

KURIER: Herr Dr. Busek, Österreich ist wieder einmal in der Vergangenheit angekommen. Warum?

Erhard Busek: Dieses Auftauchen der diversen braunen Flecken, das gab es schon vor Waldheim, es hat dann in dieser Zeit eine Rolle gespielt und unter der schwarz-blauen Koalition unter Schüssel/Haider wieder. Aber es ist so nie erledigt, sondern schlicht und einfach weggeschoben worden. Die schlagenden Verbindungen waren hinreichend bekannt. Ich muss aber auch ein kritisches Wort hier zur Wissenschaft sagen, die das auch präziser hätte untersuchen sollen. Auf dem Sektor haben eigentlich auch die Zeitgeschichte-Institute relativ wenig gemacht.

Aber wir wussten, dass diese Burschenschafter, die "Ehre, Freiheit, Vaterland" sagen, uns Österreicher als deutsches Kulturvolk sehen.

Außer Frage, das sind offensichtlich Gruppen, die nie dazulernen. Ich muss jetzt nur zur Verteidigung der Österreicher sagen, jene sind nicht wesentlich gewachsen, aber – und das ist das Problem der FPÖ und damit auch der jetzigen Regierung – sie sind das sehr eingeschränkte intellektuelle Rückgrat der FPÖ. Ich habe noch während der Regierungsverhandlungen mit einem ehemaligen Minister der Regierung Schüssel ein Gespräch geführt und ihn gefragt, woher nehmen Sie im Falle einer Regierungsbeteiligung ihre Leute? Und er hat sehr bestimmt gesagt, wir rekrutieren sie schon die längste Zeit bei den Schlagenden.

Das heißt, Sebastian Kurz muss gewusst haben, dass das auf ihn zukommt. Er schien dann doch überrascht.

Zu seiner Verteidigung: Knapp vor Abschluss der Regierungsverhandlungen habe ich ihn gefragt, ob er glaubt, dass das, was Strache von sich gibt, dann auch hält. Ich habe eigentlich erwartet, dass er sagt, aber ja, ist alles geklärt. Aber das hat er nicht. Er hat mir recht offen gesagt, das wisse er nicht. Inzwischen weiß er es.

Das heißt aber, er ist bewusst mit diesem Risiko in die Regierung gegangen.

Ich glaube, es ist ihm gar nichts anderes übrig geblieben. Weil was hätte er bei den Regierungsverhandlungen tun sollen. Er hat Strache auf die europäischen Grundlinien vereidigt und auf einige andere Dinge auch. Strache hält sich daran, ihm gelingt die Tiefenwirkung in die eigenen Reihen aber nicht.

Der frühere Landeshauptmann Erwin Pröll hat nach der niederösterreichischen Wahl dem KURIER gesagt, es gäbe jetzt ein Mondfenster für die FPÖ, diese Fragen zu klären. Wenn das nicht klappt, sieht er auch den Bundeskanzler in der Verantwortung.

Ich bin ganz der Meinung von Erwin Pröll. Ich habe vor, alle früheren ÖVP-Obmänner anzusprechen, damit wir hier zur Unterstützung der Regierung und um Sebastian Kurz auch einen entsprechenden Halt zu geben, eine gemeinsame Initiative starten sollten. Wir brauchen ein Erinnern, dass die Österreichische Volkspartei mit einem rot-weiß-rotem Ö im Jahr 1945 ihre Politik begonnen hat. Das war lange Zeit das Logo dieser Partei. Wir haben hier unsere eigene Geschichte zu verteidigen und diesen ganz wichtigen Beitrag zu unserem Land.

Das heißt, die ÖVP muss mehr Österreich signalisieren?

Wir müssen die Volkspartei daran erinnern, dass das ihr Ausgangspunkt war. Sie hatte ihre große Bedeutung nach 1945 in der Wiederbelebung des Österreich-Bewusstseins. Damit ist auch sehr viel erreicht worden. Die ÖVP- Bundeskanzler Figl, Raab und andere Größen der Vergangenheit haben uns dieses Erbe Österreich hinterlassen, bewusst im Gegensatz zu dem, was bei den schlagenden Verbindungen immer noch zu Hause ist.

Wir sind Österreicher und keine Deutschen.

Wir sind Österreicher, das steht außer Frage. Und die Meinungsforschungen sagen eigentlich ja auch, dass das Gros der Österreicher dieser Ansicht ist und mit irgendwelchen deutschen Ideen überhaupt nichts am Hut hat.

Warum ist, und das geht über die FPÖ hinaus, der Antisemitismus noch immer und schon wieder so stark in Österreich?

Das ist nicht allein verbunden mit dem Nationalsozialismus, sondern der war schon früher zu Hause.

Aber heute haben wir das Wissen um die Dimension des Holocaust...

Das ist völlig richtig. Das eigentliche Problem ist, dass wir uns immer ein bisschen drüber geschwindelt haben. Erklärungen alleine sind sehr schön nach außen, aber da fehlt es innen. Hier muss man auch sehr kritisch den Bildungsbereich anschauen, und die Zeitgeschichtler brauchen mehr Einfluss auf unser Schulwesen. Das ist nicht vorüber, und zwar insbesondere in einer Zeit, wo mit nationalen und rassischen Unterschieden Politik gemacht wird.

Herr Dr. Busek, Ihnen ist es als Wiener ÖVP-Obmann gelungen, das Wiener Bürgertum stärker zu mobilisieren, später ist das stark verloren gegangen, die ÖVP ist in Wien unter 10 Prozent gesunken. Wo sind die selbstbewussten Wiener Bürger?

Das ist eine soziale Veränderung. Wir haben ja nicht mehr diese Gesellschaftsschichten, genauso wie es die Arbeiter in dem Sinne nicht mehr gibt. Hier hat sich eine neue Mittelschicht entwickelt, die eigentlich nicht sehr genau definiert ist. Ich glaube, hier ist viel zu wenig geschehen, entsprechend wirksam zu werden und daraus auch ein entsprechendes bürgerliches Bewusstsein im Sinne der Demokratie zu entwickeln.

Aber der Citoyen müsste doch heute aufstehen und protestieren, wenn Rassisten in Uniräte kommen sollen.

Schon die Ministerin Gehrer hat, als die Uniräte beschlossen wurden, von sich aus einen aus der Medizinuniversität hinausgewiesen. Der ist unangenehm aufgefallen mit SS-Helden-Verehrung und ähnlichem.

Also die Geschichte wiederholt sich sogar.

Die Geschichte wiederholt sich und da ist Aufmerksamkeit notwendig. Und ich verstehe nicht, warum die FPÖ überhaupt auf die Idee kommt, solche Leute vorzuschlagen.

Weil sie keine anderen hat?

Sie provoziert ja eine sichtbare Diskussion.

Zur Lage im Osten: Sie hatten schon zu Zeiten des Eisernen Vorhanges Kontakt mit Oppositionellen in Osteuropa. Die strebten damals nach Freiheit, jetzt sind Freiheit und Rechtsstaat in Gefahr ist, in so kurzer Zeit nach der Wende, nach 1989. Wie ist das möglich?

Wir haben den Fehler gemacht, mit den Gesellschaften dieser Länder zu wenige Diskussionen und Auseinandersetzungen zu führen. Wir haben schlicht und einfach gesagt, naja, jetzt haben sie eine Demokratie und jetzt ist das eh mal gut, wenn sie ein bisschen mehr arbeiten, dann geht das alles in Ordnung. Das ist zu kurz gegriffen. Wir haben den Dialog mit diesen Gesellschaftsschichten, die auch zum Teil neu entstanden sind, nicht entsprechend geführt. Wir haben sie eigentlich ignoriert. Die haben auch ein Geschichtsproblem, aber ein anderes als wir. In einigen Punkten gebe ich Viktor Orban sogar recht, wenn er sagt, dass der Kommunismus noch nicht richtig überwunden ist. Das stimmt leider. Und wir haben uns um unsere Nachbarn zu wenig gekümmert.

Das heißt, Dialog, Auseinandersetzung und nicht Sanktionieren, nicht Strafen.

Integration besteht ja nicht nur daraus, dass man miteinander gute Geschäfte macht, sondern dass man versucht, sich auch wechselseitig einzubringen in die Gesellschaften und durch Auseinandersetzungen Klärungen erreicht.

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