PISA-Studie: Jeder Dritte ist ein Risikoschüler

PISA-Studie: Jeder Dritte ist ein Risikoschüler
31 Prozent der österreichischen Schüler haben in mindestens einem Testgebiet gravierende Mängel. Insgesamt schneiden Österreichs Schüler etwas schlechter ab als zuletzt.

Österreich hat bei der neuen PISA-Studie etwas schlechter als bei der letzten Erhebung 2012 abgeschnitten und liegt insgesamt weiter im Mittelfeld der OECD-Staaten. Dominiert werden die Ranglisten in den Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik von den fernöstlichen Staaten bzw. Regionen wie Singapur, Hongkong und Japan, zeigt die am Dienstag veröffentlichte Erhebung.

Hier sehen Sie die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

Insgesamt geht Österreich bei PISA durch eine Art Wellental: Nach Punkt-Zugewinnen bei der letzten Studie gab es diesmal Verluste. Im Haupttestgebiet Naturwissenschaften kommen die 15- bis 16-jährigen österreichischen Schüler auf einen Wert von 495 Punkten. Das entspricht in etwa dem OECD-Schnitt (493) und liegt um elf Punkte unter dem Wert von 2012, wobei allerdings auch der OECD-Schnitt seit damals um acht Punkte zurückgegangen ist. 2009 waren für Österreich 494 Punkte verzeichnet worden (OECD: 501), 2006 511 (OECD: 498).

Rückgänge durch geänderte Erhebungsmethodik?

Zum Teil könnten die Rückgänge in Österreich und OECD-weit mit einer leicht geänderten Erhebungsmethodik zusammenhängen, heißt es im Österreich-Bericht zur Studie. Erstmals wurden die Aufgaben ausschließlich am Computer durchgeführt. Zeitreihenvergleiche seien daher "mit gewissen Einschränkungen bei der Interpretation verbunden".

Ein ähnliches Bild zeigt sich im traditionell schlechtesten Testgebiet der Österreicher, dem Lesen. Hier kamen sie auf nur 485 Punkte, das ist signifikant unter dem OECD-Schnitt von 494. Auch hier zeigt sich die gleiche Wellenbewegung gegenüber den Tests der vergangenen Jahre: 2012 erreichten die österreichischen Schüler noch 490 Punkte (OECD-Schnitt: 496), 2009 waren es 470 (OECD: 494) und 2006 490 (OECD: 489).

Testen Sie Ihr Wissen: Hier geht's zu den Aufgaben aus den PISA-Tests

Jeder Dritte in Gruppe der Risikoschüler

Das vorausgeschickt, ergab die PISA-Studie 2015, dass fast jeder dritte getestete Schüler in Österreich in zumindest einem Testgebiet (Lesen, Mathe, Naturwissenschaften) zur Gruppe der Risikoschüler, die "gravierende Mängel" aufweisen, gehört. 13 Prozent sind sogar in allen drei Gebieten in dieser Gruppe zu finden. Insgesamt liegt Österreich mit diesem Wert exakt im OECD-Schnitt.

Zum Vergleich: In den Nachbarländern Slowenien (23 Prozent), Deutschland (24 Prozent) und der Schweiz (26 Prozent) ist der Anteil der Risikoschüler in zumindest einem Fach deutlich kleiner. In Finnland beträgt er sogar nur 18 Prozent. Ein vergleichbares Bild zeigt sich in der Gruppe der in allen Testgebieten schwachen Schüler: Den 13 Prozent in Österreich stehen etwa nur acht Prozent in Slowenien und sechs Prozent in Finnland gegenüber.

Bei den Spitzenschülern, die auch komplexe Aufgaben lösen können, sieht es ähnlich aus: In Österreich sind 15 Prozent der Schüler in zumindest einem Testgebiet Spitze (OECD: 16 Prozent), drei Prozent in allen drei (OECD: vier Prozent). In Slowenien gehören 18 Prozent mindestens einer Spitzengruppe an, in Deutschland 19 Prozent, in der Schweiz 22 Prozent und in Finnland 21 Prozent.

Abstand von Migranten und Schülern ohne Migrationshintergrund wächst

Im Kurzzeit-Vergleich kaum auffällig ist das Ergebnis der Migranten: Der Abstand zwischen Schülern ohne Migrationshintergrund und Migranten ist in den Naturwissenschaften mit 70 Punkten exakt gleich geblieben und im Lesen mit 64 Punkten gegenüber 2012 (51 Punkte) etwas größer geworden. Seit der ersten PISA-Studie 2000 haben sich die Abstände zwischen diesen beiden Gruppen aber stark verringert: im Lesen von 93 auf 64 Punkte, in den Naturwissenschaften seit 2006 von 90 auf 70 Punkte. Trotzdem gehört Österreich nach wie vor zu den Ländern mit den größten Leistungsnachteilen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Insgesamt hat seit 2000 der Anteil der Migranten in der Schülerschaft stark zugenommen - in der PISA-Stichprobe gab es eine Verdoppelung auf 20 Prozent. International ist dieser Migrantenanteil relativ hoch: Im OECD-Schnitt beträgt er 12,5 Prozent. Wesentlich höher liegt er etwa in der Schweiz (31 Prozent) und Kanada (30 Prozent), auf vergleichbare Werte kommen die USA (23 Prozent), Deutschland und Großbritannien (je 17 Prozent).

Auch Geschlechterunterschied wächst

Gegenüber den letzten Erhebungen deutlich zugenommen hat in Österreich der Geschlechterunterschied in den Naturwissenschaften: Burschen erzielten hier im Schnitt um 19 Punkte mehr als Mädchen - das ist mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2006, 2009 und 2012 und der Spitzenwert in der OECD. OECD-weit sind die Geschlechterunterschiede zugunsten der Burschen mit vier Punkten nur gering. Auffällig: In Finnland erbringen sogar Mädchen um 19 Punkte bessere Naturwissenschaftsleistungen.

In der Mathematik hat die Geschlechterdifferenz zugunsten der Burschen in Österreich leicht von 23 auf 27 Punkte zugelegt, im Lesen hat der Vorsprung der Mädchen von 37 auf 20 Punkte abgenommen. Letzteres dürfte aber mit der neuen Erhebung zu tun haben: Mädchen schnitten schon in den vergangenen Erhebungen beim Lesen elektronischer Texte weniger gut ab als beim Lesen gedruckter Vorlagen. Das kam den Burschen bei der diesmal vollständig am Computer durchgeführten Erhebung zugute.

Nach wie vor schneiden Kinder höher gebildeter Eltern bei PISA wesentlich besser ab: In allen drei Testgebieten erreichten Akademikerkinder um fast exakt 100 Punkte mehr als Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss. Das entspricht etwas mehr als zwei Lernjahren.

PISA-Studie: Jeder Dritte ist ein Risikoschüler
Ergebnisse in Mathematik, Lesen, Naturwissenschaft, Ländervergleich 2015 - Balkengrafik GRAFIK 1317-16, 88 x 174 mm

Im Anschluss die wichtigsten Ergebnisse der PISA-Studie 2015 im Überblick:

PISA-Sieger: Die besten Ergebnisse der OECD-Länder in der Haupttestdomäne Naturwissenschaften hat diesmal Japan (538 Punkte) geliefert, knapp gefolgt von den besten europäischen Ländern Estland (534) und Finnland (531). Beim Lesen liegt Kanada an der Spitze (527), dahinter rangieren Finnland (526) und Irland (521). In Mathematik brachten die besten Ergebnisse unter den OECD-Ländern Japan (532), Korea (524) und die Schweiz (521). Unter allen getesteten Ländern hat Singapur sowohl in den Naturwissenschaften (556 Punkte), als auch Lesen (535) und Mathematik (564) die Nase vorn. Bei PISA 2012 stand noch Shanghai in allen drei Kategorien an der Spitze. Diesmal wird es allerdings nur mit den Regionen Peking, Guangdong und Jiangsu zusammen als "P-S-J-G" ausgewiesen, das ebenfalls unter den Top-Ländern rangiert.

PISA-Verlierer: OECD-Schlusslichter in den Naturwissenschaften sind Mexiko (416), die Türkei (425) und Bulgarien (446). Beim Lesen erreichen ebenfalls Schüler aus Mexiko (423), der Türkei (428) und Bulgarien (432) die geringste Punkteanzahl. In der Mathematik schnitten Mexiko (408), die Türkei (420) und Chile (423) am schwächsten ab.

SOZIALSTATUS: Der sozioökonomische Status hat in Österreich vergleichsweise viel Einfluss auf die Leistungen der Schüler, seit PISA 2000 ist die Kluft hier unverändert groß. In Naturwissenschaften erreichen Kinder von Akademikereltern in allen drei Domänen rund 100 Punkte mehr als Schüler, deren Eltern maximal eine Pflichtschulabschluss haben. Das entspricht einem Leistungsunterschied von mehr als zwei Lernjahren.

RISIKOSCHÜLER: 31 Prozent der 15-Jährigen in Österreich sind in mindestens einer der drei PISA-Domänen besonders leistungsschwach, 13 Prozent sogar in allen drei Feldern; das entspricht exakt dem Bild im OECD-Schnitt. Beim europäischen Vorzeigeschüler Finnland hingegen sind nur 18 Prozent in mindestens einem Bereich extrem schwach, sechs Prozent in allen drei Domänen.

SPITZENSCHÜLER: 15 Prozent der österreichischen Schüler gehören in mindestens einem der Testbereiche zur Spitzengruppe, im OECD-Schnitt sind es 16 Prozent. In der Schweiz haben indes 22 Prozent besonders hohe Fähigkeiten, beim PISA-Gesamtsieger Singapur sind es gar 39 Prozent.

MIGRANTEN: Österreichs Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund ist von elf im Jahr 2006 auf mittlerweile 20 Prozent gestiegen (OECD-Schnitt: 13 Prozent). Diese Gruppe schneidet bei der PISA-Studie deutlich schlechter ab als Schüler, deren Eltern in Österreich geboren wurden. Zwar hat sich der Abstand über die Jahre deutlich verringert (in Lesen zwischen 2000 und 2012 von 93 aus 51 Punkte, in Naturwissenschaft von 2006 bis 2012 von 90 auf 70 Punkte). Der positive Trend wurde 2015 allerdings gestoppt: In Naturwissenschaften blieb der Abstand konstant (70 Punkte), beim Lesen ist er mit 64 Punkten sogar wieder gewachsen.

GESCHLECHTERDIFFERENZ: In keinem anderen OECD-/EU-Land gibt es bei PISA 2015 einen derart großen Leistungsvorsprung von Buben in den Naturwissenschaften wie in Österreich mit 19 Punkten, auch im Fach Mathematik ist der Leistungsvorsprung der Burschen aus Österreich (27 Punkte) der größte unter den OECD-/EU-Ländern. Damit ist der Unterschied im Vergleich zu früheren PISA-Tests gewachsen. Beim Lesen sind die Mädchen vorne, der Vorsprung vor den Burschen ist allerdings mit 20 Punkten deutlich geringer als in der Vergangenheit. Im für die PISA-Testungen in Österreich zuständigen Bifie vermutet man, dass ein Teil der Veränderungen damit zu tun haben könnte, dass diesmal der Test komplett auf dem Computer durchgeführt wurde.

MOTIVATION: Österreichs 15-Jährige haben zwar hohes Interesse an naturwissenschaftlichen Themen, aber nur wenig Freude an den Fächern und nur wenig Vertrauen in die eigene Fähigkeit, naturwissenschaftliche Probleme zu lösen. Auch die Bedeutung der Naturwissenschaften für ihre Zukunft schätzen sie gering ein.

Kommentare