Pflegekräfte: Bundesweite Strategie statt neun Einzelkämpfern am Weltmarkt
Oberösterreich hat 80 Pflegekräfte aus den Philippinen geholt, Wien zieht Anfang 2024 nach. Sinnvoll sei dieser Wettbewerb unter den Ländern nicht, sagt der oberösterreichische Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer.
Rund 15.000 Pflegekräfte werden pro Jahr auf den Philippinen, einem Inselstaat in Südostasien, akademisch ausgebildet. Wer dann einen Job im Ausland sucht (und das tun viele, es gibt im philippinischen Arbeitsministerium sogar eine Koordinierungsstelle dafür), wird auf den führenden Jobbörsen des Landes am ehesten in Saudi-Arabien oder Großbritannien fündig. Beim Suchwort „Austria“ gibt es null Treffer.
Dass Österreich auf diesen Jobbörsen komplett ohne Präsenz ist, ärgert den oberösterreichischen Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), wenn man bedenkt, dass in Österreich bis 2030 bis zu 90.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden – viel mehr, als in diesem Zeitraum selbst ausgebildet werden können.
Schon im Frühsommer hat Hattmannsdorfer an die Bundesregierung appelliert, dass es eine österreichweite Strategie zur Anwerbung von ausländischen Pflegekräften brauche. Ein Anliegen, das Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) unterstützt.
Der zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist aber skeptisch: Eine solche Strategie müsse „europaweit unter den Staaten abgestimmt sein“ – gerade, was Rahmenbedingungen wie Gehalt und Ausbildung betrifft. Das sei sinnvoller, als wenn die Staaten untereinander um Arbeitskräfte konkurrieren, heißt es auf KURIER-Anfrage am Samstag.
Genau das geschieht aktuell – und zwar innerhalb Österreichs, zwischen den neun Bundesländern.
Oberösterreich hat Anfang des Jahres ein Pilotprojekt gestartet, mittlerweile sind schon rund 80 philippinische Fachkräfte in Pflegeheimen tätig. Sie bekommen Deutschkurse und werden bei der Nostrifizierung (Anerkennung der Ausbildung, Anm.) begleitet.
Im Burgenland kamen im September 28 Fachkräfte aus den Philippinen an, weitere sollen folgen. Die Stadt Wien und die Wirtschaftskammer Österreich haben ein „Memorandum of Understanding“ mit der philippinischen Regierung unterzeichnet, die ersten ausgebildeten Kräfte mit Deutschkenntnissen auf B1-Niveau sollen Anfang 2024 kommen. Niederösterreich rekrutiert unterdessen in Vietnam.
Man merkt: Jeder kämpft für sich. Sinnvoll sei es aber nicht, wenn das kleine Österreich mit seinen Bundesländern neun Mal auf dem Weltmarkt der Fachkräfte auftritt, sagt Hattmannsdorfer. Er bleibt dabei: „Ich erwarte mir Unterstützung vom Bund.“
Koordinierung über Agentur
Im KURIER-Gespräch nennt er mehrere Punkte, die aus seiner Sicht im nächsten Bundes-Pflegepaket Berücksichtigung finden sollten: Erstens brauche es bundesweite Verhandlungen über ein Abkommen mit anderen Staaten wie den Philippinen, zweitens müsse Österreich seine Präsenz im Ausland erhöhen (oder überhaupt starten).
Als dritten Punkt hielte der Soziallandesrat die Einrichtung einer Bundesagentur für praktikabel. Unterstützung würden nicht nur die zugewanderten Arbeitskräfte brauchen, sondern auch deren Angehörige – etwa, wenn es um einen Arbeitsplatz für den Partner oder um einen Schul- bzw. Kindergartenplatz geht. Derzeit gibt es in der philippinischen Botschaft in Österreich einen Attaché, der als Bindeglied fungiert und seine Landsleute bei arbeitsrechtlichen Fragen unterstützt.
Als vierten und fünften Punkt fordert der oö. Landesrat Hattmannsdorfer noch eine „Fast Lane“ beim Antrag für die Rot-Weiß-Rot-Karte und eine beschleunigte Nostrifizierung der Pflegeausbildung.
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