"Herkulesaufgabe": Pflege-Reform mit Arbeitstagung gestartet

Derzeit sind rund 127.000 Menschen in der Pflege beschäftigt
Zweite Phase hat begonnen, Umsetzung soll 2021 erfolgen.

Die von der Bundesregierung geplante Pflegereform ist mit einer Fachtagung am Dienstag in ihre zweite Phase gestartet. Besprochen wurden dabei die Ergebnisse des davor abgehaltenen digitalen Beteiligungsprozesses. Bis Jänner soll die Reform nun konkreter werden, und im Laufe des Jahres 2021 soll die Umsetzung beginnen. Dabei will man - nach dem Vorbild des Gesundheitswesens - eine gemeinsame Zielsteuerungskommission einrichten und die Finanzierungsströme zumindest bündeln.

Man wolle die Reform mit den Betroffenen gemeinsam erarbeiten und nicht über deren Köpfe drüberfahren, nannten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in einer Pressekonferenz als Motto. Angesichts des demografischen Wandels gehe es um die Chance und das Recht jedes einzelnen, die zusätzlich geschenkten Lebensjahre gut und in Würde verbringen zu können.

"Herkulesaufgabe und Herausforderung"

Ziele seien also eine hohe Qualität der Pflege, die Stärkung der Betroffenen (sowohl der Gepflegten als auch der Pflegenden), die Attraktivierung der Ausbildung, die Schaffung österreichweit einheitlicher Standards sowie die Entflechtung und Bündelung der Finanzierungsströme. "Das wird auch eine Herkulesaufgabe, eine große Herausforderung sein", gestand Anschober ein. Aber: "Die Tür ist offen, auch auf der politischen Ebene. Diese Reform ist als ein zentrales Schwerpunktprojekt dieser Regierung definiert."

Man werde dafür sehr viele neue Mitarbeiter benötigen, nämlich rund 100.000 bis zum Jahr 2030. Dies sei eine große beschäftigungspolitische Chance. "Das ist ein großartiger Beruf, wir wollen ihn auch in die Öffentlichkeit bringen", sagte der Minister.

"Daheim vor stationär"

Für den Koalitionspartner ÖVP unterstrich Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger, dass man den Mensch in den Mittelpunkt stellen und dessen Eigenständigkeit so lange fördern und unterstützen wolle, wie es in dessen Sinn sei. "Daheim vor stationär" nannte er als Thema, aber auch die Unterstützung pflegender Angehöriger und eine Strategie bei Demenzerkrankungen. Einmal mehr warb er auch für eine Pflegelehre mit altersspezifischem Curriculum.

Seitens der Wissenschaft sprach sich der Sozialarbeitsexperte Wolfgang Hinte dafür aus, nicht nach dem zu fragen, was ein Mensch brauche, sondern was er für sich wolle. "Das ist der Beginn einer guten Pflegeleistung", sagte er. Es brauche Unterstützungsarrangements, die im Idealfall täglich wechseln könnten, neue Berufsprofile und eine Finanzierung, die nicht nach Stunden und Minuten sondern pauschal abrechne.

Die Alterswissenschafterin Waltraud Haas-Wippel freute sich darüber, dass diesmal die Pflege tatsächlich von Anfang an in den Reformprozess miteinbezogen sei. Es brauche Mut für Reformen, meinte sie, und der werde diesmal vorhanden sein. Auch sie verlangte einheitliche Standards und Finanzierungsmodelle, unterstrich die Notwendigkeiten der Ausbildung (etwa den Wunsch, ähnlich wie bei der Polizei bereits währenddessen bezahlt zu werden). Auch die Anerkennung und das Image seien wichtig, aber auch die Arbeitsorganisation in einer Branche, der in weiten Teilen immer noch ein Frauenberuf sei.

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