Länder-Schelte für Rauchs Pflegepläne: "Das ist lächerlich"
Der Ärger muss schon tief sitzen, wenn ein roter und ein schwarzer Landesrat gemeinsam ausrücken, um einen Minister offen zu kritisieren. Das darf nun Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) im Zusammenhang mit seiner Pflegereform erleben.
Was war passiert? Auf die Kritik, dass der Ausbau der mobilen Pflege auf sich warten lasse, hatte der Minister in einem Ö1-Interview auf die zwischen Bund und Ländern zersplitterten Kompetenzen verwiesen, die eine tiefergreifende Reform erschweren würden. Ein in Sachen Pflege Vorzeige-Land wie Dänemark sei hingegen nicht föderal und müsse keine Bundesländer-Interessen wahrnehmen.
Von einem „sehr irritierenden Kommentar“ sprechen die beiden Soziallandesräte Peter Hacker (Wien, SPÖ) und Wolfgang Hattmannsdorfer (OÖ, ÖVP) im KURIER-Interview.
Hacker: "Große Fragen nicht angegangen
„Es gibt eine extrem lange Agenda an Dingen im Pflegebereich, die verändert werden müssen. Einige haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren verbessert. Die wirklich großen Fragen wurden aber nicht angegangen“, sagt Hacker. „Aber nicht, weil es eine Blockade der Länder gibt.“
Als Beispiele nennt Hacker die dringend anstehende Reform des Pflegegeld-Systems, das noch aus den 90er-Jahren stamme, des Heimvertragsgesetzes oder der medizinischen Versorgung in Pflegeheimen. „Diese Dinge konnten wir mit Rauch nicht einmal andiskutieren. Insofern würde ich mich nicht getrauen, von einer großen Pflegereform zu sprechen“, so der Wiener Landesrat.
Hattmannsdorfer: "Länder sind die Tempomacher"
Ähnlich auch Hattmannsdorfer: „Die Tempomacher beim Thema Pflege sind die Bundesländer und nicht das Sozialministerium.“ So habe Rauch ein ganzes Jahr gebraucht, um den Heimhilfen das Verabreichen von Ohrentropfen zu ermöglichen. „Das steht sinnbildlich für das dortige Arbeitstempo.“ Umso mehr stört es ihn, dass Rauch, die Zuständigkeiten in Frage stelle, wo es doch Länder und Gemeinden seien, die letztlich die Pflege organisieren würden.
Die Länder hätten zu vielen Bereichen konkrete Vorschläge formuliert - darunter viele einstimmig beschlossene - die jedoch in den Schubladen des Ministeriums gelandet seien, kritisiert der oberösterreichische Landesrat.
Er vermisst weiters eine nationale Strategie zu Anwerbung dringend benötigter Pflegekräfte aus Drittstaaten. „Jedes Bundesland rekrutiert derzeit für sich, in Wahrheit müsste man aber bundesweit einheitlich vorgehen.“ Bei der Anerkennung von ausländischen Ausbildungen würde man in Österreich immer noch jeden Einzelfall überprüfen, während etwa Deutschland die sogenannte Nostrifizierung vom besuchten Bildungsinstitut abhängig mache.
Zuletzt wurde die Errichtung einer dafür zuständigen zentralen Kompetenzstelle angekündigt. „Allerdings auch erst auf Druck der Länder“, ergänzt Hacker.
Er fügt ein weiteres Beispiel an, wo in seinen Augen der Bund säumig ist: „Seit drei Jahren diskutieren wir, ob die Pflegeheime in die elektronische Gesundheitsakte ELGA hineinschauen dürfen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch noch immer gibt es keine Entscheidung.“
Doch wie sollen dann die Kompetenzen zwischen Bund und Länder verteilt werden? „Der Bund soll für die rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen sorgten, das operative Geschäft – etwa der Betrieb eines Pflegeheims – ist in den Ländern besser aufgehoben“, sagt Hattmannsdorfer. Vor Ort könne man viel besser beurteilen, was jeweils benötigt werde. Eine Zentralisierung der Pflege – die Rauch offenbar wolle - würde hingegen zu einer Verschlechterung führen.
"Ziemlich lächerlich"
Gleichzeitig wolle er die unter Rauch tatsächlich erfolgten Reformschritte nicht schlechtreden, betont Hattmannsdorfer. „Die neuen Stipendien etwa haben die Pflege-Ausbildung massiv attraktiviert. Auch der Gehaltsbonus war ein klares Zeichen. Bei der Förderung der 24-Stunden-Betreuung ist auch viel weitergegangen.“
Rauch und die Bundesregierung könnten aber nicht diese Erfolge allein für sich verbuchen und gleichzeitig die Versäumnisse am Ende seiner Amtszeit auf die Länder schieben. „Das ist ziemlich lächerlich, so funktioniert ein Miteinander nicht.“
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