Pensionisten & Flüchtlinge: Wer bekommt was?

  
Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wollen Sozialleistungen für Flüchtlinge kürzen - und begründen das auch mit dem Verweis auf zu geringe Mindestpensionen. Wie groß sind die Unterschiede wirklich? Ein Überblick.

Weniger Sozialleistungen für Ausländer – dafür eine Erhöhung kleiner Pensionen, so lautet die aktuelle Forderung von Sebastian Kurz, die er im großen KURIER-Sonntagsinterview einmal mehr bekräftigte.

"Wahlen hin oder her, ich halte es für ungerecht, wenn eine Flüchtlingsfamilie 2.000 Euro erhält, obwohl sie noch nie ins Sozialsystem eingezahlt hat, und ein Pensionist, der ein Leben lang gearbeitet hat, mit nur 1.000 Euro auskommen muss", sagte Kurz da.

Heinz-Christian Strache geht es ähnlich. "Es ist eine Schande, dass Menschen, die 40, 45 Jahre gearbeitet haben mit 940 Euro im Durchschnitt in Pension gehen und gleichzeitig Menschen, die gar keine Stunde hier gearbeitet haben eine Mindestsicherung von 840 Euro erhalten", sagte der FPÖ-Chef Montagabend im ORF-Sommergespräch.

Das Thema soziale Gerechtigkeit steht also auch auf der Agenda von Schwarz und Blau. Soziale Gerechtigkeit von unten, um genau zu sein.

Aber stimmen die Beispiele eigentlich? Bekommen Flüchtlingsfamilien, "obwohl sie noch nie ins Sozialsystem eingezahlt haben", überhaupt 2.000 Euro? Ein Faktencheck zum Thema Mindestpension vs. Mindestsicherung anhand der jüngsten Aussagen von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.


Übersicht

1) Was bekommen Mindestpensionisten? 2) Wer bekommt wie viel in der Mindestsicherung?3) Wie hoch sind die Kosten und Bezüge im Vergleich? 4) Können Einzelpersonen in der Mindestsicherung mehr als Mindestpensionisten bekommen? 5) Wie hoch sind die Gesamtkosten für die Flüchtlingskrise?


1) Zunächst grundsätzlich zu den sogenannten Mindestpensionen. Genau genommen gibt es den Begriff eigentlich gar nicht. Es ist die Ausgleichszulage, die jedem Pensionisten ein Mindesteinkommen sichern soll, um die es geht. Damit kommen alleinstehende Pensionisten aktuell auf 889,84 Euro, also rund 900 Euro. Ab mindestens 30 Beitragsjahren sind es dann seit Anfang dieses Jahres 1.000 Euro – abzüglich der Sozialversicherung sind das netto 949 Euro.

2015 bekamen insgesamt 215.609 Menschen in Österreich diese Mindestpension, knapp 146.000 davon waren Frauen. Im Durchschnitt betrug die Pensionshöhe je Bezieher 1.211 Euro monatlich.


2) Um die Mindestsicherung zu bekommen, ohne zunächst über die Einkommenssteuer etwas einbezahlt zu haben, müssen Menschen aus Drittstaaten seit mehr als fünf Jahren legal in Österreich gelebt haben.

Auch hier wieder zur Begriffsbestimmung: Asylwerber bekommen überhaupt nur eine Grundversorgung, das sind 40 Euro Taschengeld im Monat, dazu Aufwendungen für Versorgung und Unterbringung. Eine siebenköpfige Familie erhält (insgesamt) für die Miete 240 Euro, 200 Euro für den Erwachsenen und 90 Euro pro Monat für alle Minderjährigen. Das sind in Summe 980 Euro.

Höhe der Mindestsicherung variiert

Nach einer etwaigen Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter ist der Anspruch auf Mindestsicherung dann sofort gegeben. Die Höhe variiert jedoch je nach Bundesland teils beträchtlich. In Wien sind das aktuell 837, in Oberösterreich 921 Euro. Dafür führte die Schwarz-Blaue Koalition in Linz neben einer Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte auf 520 Euro auch eine Deckelung für Familien auf 1.512 Euro ein.

Im direkten Vergleich erhält also ein Mindestpensionist, "der sein ganzes Leben lang gearbeitet hat", 14 Mal im Jahr 1.000 Euro (949 Euro netto). Ein anerkannter Flüchtling, alleinstehend und ohne Kinder zwischen 520 und 837 Euro netto – zwölf Mal pro Jahr. In beiden Fällen werden Einkommen aus anderen Quellen vom Anspruch abgezogen.

Grundsätzlich sind an die Mindestsicherung im Gegensatz zur Ausgleichszulage auch andere Bedingungen geknüpft. So darf das eigene Vermögen einen Freibetrag von 4189 Euro nicht übersteigen – und die Person muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, also arbeitswillig sein (mehr dazu hier).


Bezüge und Kosten im Vergleich

3) Was die absoluten Kosten betrifft, so wurde 2016 rund eine Milliarde Euro für die Mindestsicherung ausgegeben - 295,8 Millionen Euro davon für Flüchtlinge. Laut einer aktuellen Anfragebeantwortung des Budgetdienstes des Parlaments wird sich dieser Wert 2017 auf 434,4 Millionen Euro erhöhen.

Gemessen an den gesamten Sozialausgaben, machte die Mindestsicherung 2015 mit rund 870 Millionen ein Prozent aus. 2016 stiegen die Ausgaben allerdings auf 1,024 Milliarden Euro. Insgesamt wurden rund 46 Milliarden an Pensionszahlungen ausgeschüttet. Der Bundeszuschuss zum Pensionssystem machte 2016 9,9 Milliarden Euro aus, die Kosten für die Beamtenpension betrugen rund 9,1 Milliarden Euro.

Rechenbeispiel

​​Die meiste Mindestsicherung wird in Wien ausgezahlt – allein 664 Millionen Euro wurden in der Bundeshauptstadt 2016 dafür aufgewendet. Aus diesem Grund haben wir für unsere Beispielrechnung auch die Regelsätze der Wiener BMS herangezogen.

Leistungen BMS

Lebensbedarf

Wohnen

Vater

€ 471,24

€ 157,08

Mutter

€ 471,24

€ 157,08

Kind 1

€ 226,20

€ 0,00

Kind 2

€ 226,20

€ 0,00

Kind 3

€ 226,20

€ 0,00

Summe

Summe

€ 1.621,08

€ 314,16

€ 1.935,24

In Wien kommt also eine fünfköpfige Familie auf knapp 1.935 Euro durch die BMS. Die Mietbeihilfe beträgt in Wien für fünf bis sechs Personen - abhängig von der tatsächlichen Miete - maximal 347,77 Euro. Davon werden allerdings die Leistungen, die in der BMS für das Wohnen gewährt werden, wieder abgezogen. Das würde in unserem Beispiel also 347,77 - 314,16 = 33,61 Euro ausmachen.

Damit ergibt sich für eine Familie mit drei Kindern eine Regelleistung des BMS inklusive Mietbeihilfe von 1968,85 Euro. (1935,24 + 33,61)

Die Mietbeihilfe steht in Wien allerdings auch Ausgleichslagenbeziehern zu - das muss bei diesem Vergleich demnach berücksichtigt werden.

Und dann ist da noch die Familienbeihilfe, die neben der Mietbeihilfe noch zu den Bezügen aus der Mindestsicherung dazu kommt. Hier müssen für unsere Rechnung altersabhängige Annahmen berücksichtigt werden. (Hinweis: Der Betrag enthält der Einfachheit halber auch die Geschwisterstaffelung und den Familienabsetzbetrag)

Familie mit drei Kindern

Kind 1 (2 Jahre)

€ 187,20

Summe: € 596,40

Kind 2 (5 Jahre)

€ 195,00

Kind 3 (11 Jahre)

€ 214,20

Familie mit zwei Kindern

Kind 1 (2 Jahre)

€ 177,10

Summe: € 362,00

Kind 2 (5 Jahre)

€ 184,90

Inklusive Familienbeihilfe und Mietbeihilfe kommt eine vierköpfige Familie also auf 2.085,15 Euro im Monat, eine fünfköpfige Familie kommt demnach auf maximal auf 2565,25 Euro.

Zwei Drittel sind Alleinstehende

Solche Bezüge sind aber eher die Ausnahme. 2015 machten die Familien mit zwei Elternteilen und zwei oder mehr Kindern aber zehn Prozent der in Wien insgesamt unterstützten Haushalte aus. Familien mit zwei Elternteilen und drei oder mehr Kindern machten 5,7 Prozent der unterstützten Haushalte aus. Die ganz große Mehrheit – zwei Drittel – sind Alleinstehende bzw. Alleinunterstützte.

Es stimmt somit grundsätzlich, dass Flüchtlingsfamilien - genauso wie österreichische Familien - bis zu 2.000 Euro Mindestsicherung erhalten können. Dennoch hinkt der Vergleich mit den Mindestpensionisten. In unserem Rechenbeispiel für Wien steht einem Mindestpensions-Bezieher eine vierköpfige Familie gegenüber.


Vergleich Einzelpersonen und Haushalt

4) Sebastian Kurz meinte im KURIER-Interview auch, dass "selbst Einzelpersonen wie ein Flüchtling in der Mindestsicherung mit allen zusätzlichen Vergünstigungen der Stadt Wien" mehr "als viele Frauen als Pension" bekommen würden.

Das Beispiel ist insofern etwas schwieriger, als dass darin auch jene Frauen beinhaltet sind, die selbst keinen Pensionsanspruch erworben haben, weil sie etwa als Hausfrau in der Kinderbetreuung zu Hause gearbeitet haben und in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Gatten leben. Es stimmt also, dass eine Frau aufgrund zu geringer Versicherungszeiten um die Mindestpension umfallen kann. Entscheidend ist jedoch das Haushaltseinkommen. In solchen Fällen kommt der sogenannte Paar-Richtsatz zur Anwendung. Dieser beträgt für das Jahr 2016 1.323,58 Euro monatlich - und das 14 Mal im Jahr, sprich 1.465,43 Euro im Monat.

Die BMS in Wien - um bei unserem Beispiel zu bleiben - beträgt 837,76 Euro, lebt man in einem gemeinsamen Haushalt, gibt es 1.256,64 Euro im Monat - und das zwölf Mal im Jahr.

Vergünstigungen, wie etwa eine Mietbeihilfe, stehen in Wien sowohl Mindestsicherungs- als auch Mindestpensionsempfängern zu.


Wie hoch sind die Flüchtlingskosten?

5) Insgesamt, so Sebastian Kurz weiter im KURIER-Interview, würden "Flüchtlinge, die 2015/2016 zu uns gekommen sind, 2,5 Milliarden Euro kosten".

Auch diese Zahl muss hinterfragt werden, geht sie doch deutlich über die jüngste Berechnung des parlamentarischen Budgetdienstes hinaus. Diese wies vergangene Woche Kosten von ziemlich genau zwei Milliarden Euro aus. Das ist zwar deutlich mehr, als das Finanzministerium noch im April angenommen hat (damals war die Rede von 1,7 Milliarden), aber eben auch deutlich unter Kurz‘ Zahl von 2,5 Milliarden Euro. Kurz zitierte hier wohl die (grob aufgerundete) Prognose des Fiskalrates, der bereits im Frühjahr mit Kosten von 2,4 Milliarden Euro für 2017 rechnete.

Die Unterschiede sind grundsätzlich mit unterschiedlichen Annahmen begründbar. Das betrifft vor allem die Integration auf dem Arbeitsmarkt und die Frage, wie viele Menschen noch zum Asylverfahren zugelassen werden. Für 2017 hat hier der Fiskalrat beispielsweise 35.000 neue Verfahren angenommen. In den ersten sieben Monaten wurden insgesamt jedoch nur 12.914 zugelassen.

Eine weitere Ungenauigkeit in Kurz' Aussage stellt der Bezug auf die Jahre 2015/2016 dar - also die Jahre der Flüchtlingskrise. Weder der Fiskalrat, noch der Budgetdienst, weisen diese Kosten getrennt aus. Konsequenterweise müssten damit die Kosten, die allein die jüngste Flüchtlingskrise verursacht hat, niedriger sein, als die zwei Milliarden Euro, die der Budgetdienst des Parlaments errechnete.

Wofür wird das Geld ausgegeben?

Diese zwei Milliarden Euro setzen sich wie folgt zusammen: Etwa die Hälfte wird für die Grundversorgung und Betreuung der Flüchtlinge ausgegeben (946,1 Millionen Euro). 434,4 Millionen Euro werden 2017 - laut Berechnung des Budgetdienstes des Parlaments - für die Mindestsicherung (anerkannter Flüchtlinge) aufgewendet. 154,9 Millionen Euro für den Arbeitsmarkt, dazu kommen Verwaltungs- und Gerichtskosten, Kosten für Integration und internationale Beiträge und Bildungsausgaben in der Höhe von insgesamt rund 308 Millionen Euro.

Unten stehende Grafik aus der Anfragebeantwortung zur Budgetbelastung durch Flüchtlinge zeigt den Arbeitsmarkterfolg von beim AMS gemeldeten Asylberechtigten.

Pensionisten & Flüchtlinge: Wer bekommt was?

Fazit

Es stellt sich grundsätzlich die Frage der Vergleichbarkeit von Pensionsansprüchen und Sozialleistungen in Form der Mindestsicherung. Wobei die sogenannte Ausgleichszulage letztlich beides ist: Sozial- und Versicherungsleistung. Dass letztere 14 Mal, die Mindestsicherung dagegen nur zwölf Mal im Jahr ausbezahlt wird, macht den wesentlichen Unterschied in der Höhe der Leistung im direkten Vergleich - nur ein Bezieher - aus. Auf die von Sebastian Kurz angeführten rund 2.000 Euro kommt eine vierköpfige Familie nur mit der bereits eingerechneten Familienbeihilfe. Damit sind jedoch auch wie oben beschrieben Bedingungen verbunden, die bei der Ausgleichszulage entfallen.

Insgesamt gibt es zu den sogenannten "Flüchtlingskosten" unterschiedliche Berechnungen, die sich vor allem aufgrund divergierender Annahmen ergeben. Die von Sebastian Kurz zitierte Prognose des Fiskalrates geht hier von höheren Antragszahlen für 2017 aus. Die bisherigen Entwicklung lässt jedoch darauf schließen, dass die Zahlen in diesem Jahr unter den Erwartungen bleiben werden.

Zu beachten ist außerdem, dass sowohl der Fiskalrat, als auch der Budgetdienst des Parlaments ausschließlich Ausgaben beziffert haben. Rückflüsse, wie beispielsweise durch Gehälter für Beamte, die wiederum steuer- und abgabenpflichtig sind, wurden nicht berücksichtigt.

Quellen

*Anmerkung: Der Absatz zu den Ausgaben im Pensionssystem wurde um den Bundeszuschuss ergänzt.

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