"Die Finanzierungspraktiken waren kriminologisch interessant"
Seit Sommer 2012 sind die als "Sauberkeitspaket" gefeierten neuen Regelungen für Parteispenden, Geschenkannahme und "Anfütterung" von Amtsträgern in Kraft; seit heuer auch die Offenlegungspflicht. Endlich raus wollte die Regierung aus den schmutzigen Schlagzeilen, der "Korruptions-Sumpf" sollte trockengelegt, ein Schlussstrich unter jene Art von Malversationen und Skandale gezogen werden, wie sie bereits seit vielen Monate den U-Ausschuss beschäftigten.
Dem massiven medialen und öffentlichen Druck ist geschuldet, dass das Transparenzpaket erstaunlich rasch umgesetzt wurde. Dass dabei manches Übersehen wurde – wie etwa eine Lücke bei der Offenlegung von Nebenjobs –, wundert nicht. Im Juli 2013 wurde in diesem Punkt nachgebessert, in vielen anderen herrscht bis heute Verbesserungsbedarf. "Ausgerechnet Praktiken der versteckten Parteienfinanzierung bleiben ungeregelt", bemängelt etwa der Anti-Korruptionsexperte Franz Fiedler. “Man fragt sich in manchen Fällen: Ist das jetzt bewusst eine Abschwächung des Gesetzes oder ist das nur passiert?”
Auch der Politikwissenschafter Hubert Sickinger ortet Fehler in den neuen Regelungen. Vieles sei zu lasch, ließe riskanten Interpretationsspielraum. In seinem neuen Buch "Politisches Geld" (siehe Buchtipp unten) zieht er dennoch eine positive Zwischenbilanz. "Lieber eine unvollständige Bestimmung, die aber verbindlich ist, als das alte Gesetz, bei dem es keinerlei Sanktionsregelungen gab", so Sickinger anlässlich der Buchpräsentation. Ohne die Möglichkeit, selbst offenkundige Fälle nachzuprüfen und zu ahnden, sei bislang auch jede Diskussion über Gesetzesverstöße irrelevant gewesen. Nun wäre bei Zweifelsfällen bereits "die Dynamik der Debatte eine ganz andere". Sickingers Credo: Ein großer Fortschritt wäre erreicht, jetzt müsse weiter gearbeitet, etwa bei Lücken nachgeschärft werden.
Ganz so positiv sieht das Diskussionspartnerin Alexandra Föderl-Schmidt (Der Standard) nicht: "Es war ein Anfall von Mut, den die Parteien da hatten, als sie schnell dieses Gesetz zusammen schusterten. Ich glaube nicht, dass wir so einen Anfall von Mut in der nächsten Legislaturperiode noch einmal erleben. Es wird nicht nachgeschärft werden, sondern man wird sich zurücklehnen und immer darauf berufen, dass man 'eh schon was gemacht hat'."
Handlungsbedarf gegenüber Kammern und Gewerkschaft
Transparenz in komplexen Parteiapparaten
De facto ist es für die Bundesparteien ein Gewinn, dass sie Dank der neuen Gesetzeslage erstmals Überblick über ihre (teilweise autonomen) Landesorganisationen haben. Diese müssen ihre Einnahmen und Ausgaben zumindest parteiintern vollständig bilanzieren. Sickinger: "Über Geld verfügen, heißt über Macht verfügen."
Zufallsfund Telekom
Fiedler und Sickinger schaudert, wenn sie an die Jahre davor denken. Die Finanzierungspraktiken wären teilweise "kriminologisch interessant" gewesen. Es sei beschämend, dass es ein Vierteljahrhundert gedauert hat, bis dagegen vorgegangen wird, denn "Im Wesentlichen sind die Probleme seit den 80er Jahren am Tisch gelegen, die Muster waren bekannt." Bewegung entstand erst durch den Fall Hochegger und das dadurch erwachende öffentliche Interesse. Fiedler: "Der Telekom-Skandal war ein Zufallsfund! Wir verdanken den U-Ausschuss und das Transparenzpaket ausschließlich dem Zufall. Da fragt man sich natürlich unweigerlich, in welchen anderen Firmen idente Prozesse ablaufen."
Fiedler ist dennoch erleichtert und "froh über das Gesetz", aber jetzt müsse man die Umsetzung abwarten. Sind die Instrumentarien effektiv genug ? Sind die Sanktionen ausreichend – oder muss man nachjustieren? "Man sollte nicht die Speisekarte als Menü verkaufen", so der ehemalige RH-Präsident. Erst bei Verstößen werde man sehen, ob das Gesetz tatsächlich greift. Ein denkbares Problem: Die Strafzahlung bei Verletzung der Wahlkostenobergrenze beträgt maximal 20 Prozent der Überschreitung. Dass diese Summe einem Parteispender à la Frank Stronach nur ein müdes Lächeln abringt, ist klar. "Sollten sich Regelungen als wirkungslos erweisen, muss man von Verwaltungsstrafen auf gerichtliche Strafen übergehen."
Für gerichtliche Strafen bei vorsätzlichen Verstößen spricht sich auch Sickinger aus. Bei Parteien, die grundsätzlich gewillt wären, die Regelungen einzuhalten, seien die jetzigen ausreichend. Nicht aber, wenn es eine Partei und ihre Geldgeber "darauf anlegen, die Rechnungslegung zu umgehen." Kritikpunkt: Die Sanktionen richten sich ausschließlich gegen die Parteien selber, nicht gegen deren Finanziers.
Kastrierter Rechnungshof
Fiedler pflichtet Sickinger bei. Die Befugnisse, die das neue Gesetz dem Rechnungshof zugesteht, wären bei Weitem nicht ausreichend. "Der Rechnungshof ist kastriert!" Etwa könne er Spenden, die eine Partei von dritter Hand bekäme, nicht überprüfen, "weil das keine öffentlichen Gelder sind, sondern private."
Aber immerhin: "Früher gab es für den Rechnungshof per se keine Chance, zu kontrollieren, ob die jährliche Meldung der Spendensummen richtig und vollständig eingebracht wurde. Wir konnten keine Einsicht in die Buchhaltung nehmen." Selbst wenn eine Gaunerei offenkundig gewesen sei, hätte es keinerlei Sanktionen dafür gegeben.
Hier muss Fiedler fast lachen. Das Killer-Argument hätte immer gelautet: "Der Rechnungshofpräsident ist damit befasst. Wenn der auch dabei ist, so muss ja alles in Ordnung sein!" Fiedler: "Alle meine Einwände gegen diese Praxis wurden überhört."
Mangelnder Anstand
Die Verhaberung sei bei uns eben sehr präsent. Das macht Veränderung schwer. Föderl-Schmidt: "Nicht alles bräuchte schärfere Gesetze. Manchmal hilft schon der Hausverstand und der Anstand, zu verstehen, dass man einfach gewisse Dinge nicht tut. Genau daran fehlt’s in Österreich!"
Buchtipp
Parteifinanzen unterliegen seit der Novellierung strengeren Transparenzbestimmungen. Während Zuwendungen von privaten Wohltätern bisher im Dunkel blieben, müssen Parteispenden ab 3.500 Euro nun jährlich gemeldet werden, Einnahmen aus Sponsoring ab 12.000 Euro. Bundes-, Landes- und Bezirksparteien werden zusammengerechnet. Inserate sind ab einem Stückpreis von 3.500 Euro offenzulegen. Spenden ab 50.000 Euro müssen sofort veröffentlicht werden. Umsätze von Parteifirmen mit dem Staat werden erfasst, Parteispenden von öffentlichen Unternehmen (ab 25 Prozent Staatsanteil) verboten. Ebenso Auslands- und Barspenden ab 2.500 sowie anonyme Spenden ab 1.000 Euro. Aus den Rechenschaftsberichte der Parteien müssen Einnahmen und Ausgaben klar hervorgehen.
Sanktionen: Verstöße gegen die Spendentransparenz werden mit Strafzahlungen bis zum Dreifachen der zu Unrecht kassierten Zuwendung geahndet, die verantwortlichen Funktionäre können bis zu 20.000 Euro zahlen. Bei falschen Angaben über Sponsoring und Inserate sowie im Rechenschaftsbericht werden bis zu 30.000 Euro fällig, bis zu 100.000 Euro für falsche Angaben über Parteiunternehmen.
Für Wahlkampfkosten gilt eine Obergrenze von 7 Mio. Euro je Partei. Die Strafzahlung macht allerdings maximal 20 Prozent der Überschreitung aus.
Die Kontrolle obliegt den Wirtschaftsprüfer der Parteien und dem Rechnungshof. Dieser kann zwar nicht in die Bücher der Parteien Einschau halten, im Zweifelsfall aber einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestellen. Zur Verhängung der Geldbußen wird ein "Parteien-Transparenz-Senat" eingerichtet.
Verzögerung bei der Umsetzung
Nach dem Mary-Poppins-Prinzip wurde die Anti-Korruptions-Medizin Offenlegung mit einem Löffelchen voll Zucker verabreicht: Die staatliche Parteienförderung wurde auf Bundesebene deutlich angehoben. Die Bundesparteien bekommen nun 4,60 Euro pro Wahlberechtigtem und Jahr, die Länder dürfen weiterhin bis zu 11 Euro ausschütten. In Summe wurde die jährliche Bundesförderung von 18 Millionen (Parteienförderung plus anteilige Wahlkampfkostenrückerstattung) auf 29 Millionen erhöht. Im Gegenzug wurde die Wahlkampfkostenrückerstattung nach Nationalratswahlen (14 Mio. Euro) gestrichen, nach EU-Wahlen werden nur tatsächlich geleistete Kosten abgegolten (maximal zwei Euro je Stimmbürger). Außerdem wird die Parteienförderung regelmäßig an die Inflation angepasst.
Regelungen für Korruption und "Anfüttern" seit Juli 2012
Auch das 2009 entkriminalisierte "Anfüttern" von Politikern und Beamten wird sanktioniert. Darunter versteht man den Versuch, sich "Amtsträger" mit regelmäßigen Zuwendungen gewogen zu halten, weil man sie später einmal brauchen könnte. Der Artikel §306 StGB "Vorteilsannahme zur Beeinflussung" besagt: Wer "mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen" Geschenke fordert oder einen "ungebührlichen Vorteil" annimmt, riskiert bis zu fünf Jahre Haft. Allerdings muss der Vorsatz nachgewiesen werden, was Verurteilungen laut Experten erschwert. Einen "geringfügigen Vorteil" (im Wert von rund 100 Euro) dürfen Beamte und Regierungspolitiker annehmen.
Ebenfalls strafbar ist die aktive und passive Bestechung von Abgeordneten. Hier wurde die Definition des "Amtsträgers" in §74 StGB so angepasst, dass sie auch Abgeordnete umfasst.
Seit 2013: Lobbyistengesetz und Offenlegungspflichten für Nebenjobs
Die Offenlegungsregeln für die Nebenjobs der Parlamentarier sind eigentlich in zwei Gesetzen geregelt. Im "Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz" ist definiert, dass die Abgeordneten alle Nebenjobs ans Parlament melden müssen - also auch „jede leitende Stellung“ (Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat) in einer Firma, Stiftung oder Sparkasse. Das Bezügebegrenzungsgesetz wiederum regelt in §9 die Veröffentlichung der Politikerbezüge im Internet. Zuvor waren diese nur beim Portier des Parlaments einzusehen, nun kann man sie auf der Website des Parlaments abrufen.
Ähnlich wie beim Lobbyistengesetz sind auch hier Freiberufler (Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer) weitgehend von den Transparenzbestimmungen ausgenommen. Sie müssen zwar ihr Einkommen aus dieser Tätigkeit beziffern, aber weiterhin keinerlei Angaben über Auftraggeber und Kundenstruktur machen. Auch Strafen bei Verstößen sind nicht vorgesehen.
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