Neuer OSZE-Sonderbeauftragter Stögmüller: "Ukraine kann sich nicht selbst heilen"

David Stögmüller
Der grüne Abgeordnete will sich als Sonderbeauftragter Jugendthemen widmen. Ebenfalls eine Sonderrolle in der OSZE bekommt die ÖVP-Mandatarin Gudrun Kugler.

Das kleine Österreich stellt künftig gleich zwei der 15 Sonderbeauftragten bei der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, der weltweit 57 Staaten angehören. 

Die beiden "Special Representatives", die von Pia Kauma, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, ausgewählt wurden, könnten unterschiedlicher nicht sein: 

Gudrun Kugler, ÖVP-Sprecherin für Menschenrechte, gilt als streng christlich-konservativ, mobilisiert gegen Abtreibungen und die Gleichstellung von Homosexuellen. 

David Stögmüller hat neben seiner Sprecherrolle im Bereich Landesverteidigung vor einiger Zeit auch den LGBTIQ-Bereich der Grünen im Parlament übernommen. 

Bei der OSZE ist Kugler nun Sonderbeauftragte für demografischen Wandel und Sicherheit, daneben ist sie seit Juli auch Vizepräsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und will Themen wie Bevölkerungsrückgang, Alterung, Migrationsmuster und Urbanisierung international angehen. 

Gudrun Kugler

Gudrun Kugler

"Braindrain" am Balkan

Stögmüller wurde die Sonderrolle im Bereich Jugend zugeteilt. Auf seiner Agenda steht unter anderem "Empowerment" im Sinne des UN-Aktionsplans von Helsinki, der nächstes Jahr 50. Jubiläum feiert. 

Der 37-jährige Innviertler hat vor einigen Jahren schon ein Netzwerk von Jung-Parlamentariern gegründet und ist häufig am Balkan und in Osteuropa unterwegs. In den Balkan-Ländern gebe es teils sehr junge Politiker in den Regierungen, gleichzeitig leiden die Regionen unter einem "Braindrain", erzählt Stögmüller. Junge, gut ausgebildete Menschen ziehen weg - und fehlen dann in den Regionen, beispielsweise als Ärzte. "Wir schauen uns an: Was brauchen sie in der Region, damit sie dort bleiben." 

In den osteuropäischen Ländern hingegen sei die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit wichtig, um zu zeigen: "Wir vergessen nicht auf euch", erklärt Stögmüller. Und ihnen dabei zu helfen, "den demokratischen Weg zu gehen". 

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist nach dem Ende  des Kalten Krieges aus der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorgegangen, die sich Mitte der 1970er-Jahre um einen Abbau der politischen und militärischen Spannungen zwischen den westlichen und kommunistischen Staaten bemüht hatte. Ihr Hauptsitz ist in Wien. 

Eines ihrer Gremien ist die Parlamentarische Versammlung (Parliamentary Assembly, PA) mit Pia Kauma, Finnland, als Präsidentin. Die parlamentarische Versammlung besteht aus Delegationen nationaler Parlamente der OSZE-Teilnehmerstaaten. Sie agiert auf Grundlage einer eigenen Charta, die von der OSZE-Charta unabhängig ist. 

Insgesamt gehören der Organisation 57 Staaten an. Neben praktisch allen europäischen Staaten gehören ihr die USA, Kanada sowie die Nachfolgestaaten der Sowjetunion an. Mit zahlreichen Missionen spielte die OSZE eine wichtige Rolle bei der Eindämmung von regionalen Konflikten am Westbalkan und dem Ex-Sowjetraum.

Kriegstrauma

Kürzlich war Stögmüller auch in der Ukraine - in Charkiw, an der Frontlinie. Dort entstand die Idee für ein weiteres Projekt, das er als Jugend-Sonderbeauftragter forcieren will: psychologische Betreuung von Kriegsveteranen

Mit "Veteranen" meint er junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren, die sich häufig freiwillig gemeldet haben, um ihr Land gegen den russischen Angriffskrieg zu verteidigen. Und dann zurückkehren: verwundet, verstümmelt und traumatisiert.

In ihrem "normalen Leben" finden sich dann viele nicht zurecht - das zeigt der eklatante Anstieg an häuslicher Gewalt, an Alkohol- und Drogenmissbrauch. Laut einer weltweiten Schätzung entwickelt jeder dritte Soldat eine posttraumatische Belastungsstörung. Im Ukraine-Krieg geht man davon aus, dass fast jeder zumindest Symptome von posttraumatischem Stress zeigt. 

Darunter leiden nicht nur die "Veteranen" selbst, sondern auch ihre Familien. "Das ist eine Generation, die, wenn wieder Frieden herrscht, das Land wieder aufbauen und führen soll. Die selbst Kinder hat, die jetzt Opfer von Gewalt werden und diese vielleicht an ihre Kinder weitergeben. Es kommen da Probleme auf uns zu, die noch viel zu wenig beachtet werden", sagt Stögmüller.

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Unterstützung von außen

Sein Plan ist nicht, mehr Geld in die Ukraine zu schicken, sondern Hilfe und Expertise. "Die Ukraine kann sich nicht selbst heilen. Sie braucht Unterstützung von außen, damit diese Wunden heilen können." 

Derzeit liege der Fokus – verständlicherweise – auf militärischer und humanitärer Hilfe, um die größte Not zu lindern. Psychische Gesundheit ist auf der Prioritätenliste eher weiter hinten gereiht.  "Gerade als neutrales Land kann Österreich aber in diesem Bereich eine aktive Rolle einnehmen", sagt der Grüne Stögmüller. 

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