Schon wieder muss sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit dem ORF beschäftigen; und schon wieder steht viel auf dem Spiel. Bei den GIS-Gebühren haben die Höchstrichter zuletzt – damals für viele Experten unerwartet – auf eine Neuregelung gepocht. Das Ergebnis ist ein neues ORF-Gesetz, mit dem an Jänner eine Haushaltsabgabe für die Finanzierung des Rundfunks eingeführt wird. Am kommenden Dienstag wird nun über die Zusammensetzung des ORF-Stiftungsrates und des Publikumsrates öffentlich verhandelt.
Auslöser ist der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der die Zusammensetzung des Stiftungsrates für verfassungswidrig hält. Ihn stört die parteipolitische Abhängigkeit der von der Bundes- und den Landesregierungen bestellten Mitglieder. Dass diese Prüfung nur deswegen veranlasst wurde, weil sich just Doskozil bei der Bestellung des burgenländischen ORF-Landesdirektors nicht durchsetzen konnte, wird in Eisenstadt als „lächerlich“ abgetan. Doskozil habe die parteipolitische Einflussnahme auf den Stiftungsrat schon lange gestört, so die Erklärung.
Vor allem bei der ÖVP müssten seither die Alarmglocken läuten. Der Antrag hat das Potenzial, diesen beiden ORF-Gremien ihre Daseinsberechtigung zu entziehen. Im Stiftungsrat hat die ÖVP derzeit aber eine klare Mehrheit und die türkisen Stimmen waren entscheidend, dass seit 2022 Roland Weißmann der neue ORF-Generaldirektor ist.
Es wird zwar von Juristen aus den Regierungskabinetten erneut gesagt, dass der Antrag von Doskozil keine Chance haben dürfte. Aber nach der Entscheidung über die ORF-Gebühren ist man sich da nicht mehr so sicher.
Dazu kommt, dass es so manchem hohen ÖVP-Funktionär gar nicht so unrecht wäre, wenn der SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mit seiner Prüfung Erfolg hätte. Das klingt paradox, ist es aber nicht angesichts des schwierigen Verhältnisses zwischen ÖVP und ORF. Da gibt es mittlerweile eine lange Liste von Dingen – meist geht es um die Berichterstattung –, wo man sich ungerecht behandelt gefühlt hat. Das reicht vom Umgang mit dem Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz bei Kanzler Karl Nehammer in Salzburg über verschiedene Dokumentationen sowie Social-Aktivitäten von einigen Redakteuren bis hin zur Finanzierung der Anti-Kurz-Doku „Projekt Ballhausplatz“ von Regisseur Kurt Langbein durch den ORF.
Wenn also jetzt der VfGH die Zusammensetzung der beiden Gremien – vielleicht auch nur jene des Publikumsrates – für verfassungswidrig erklärt, dann wäre das ein Hebel, überhaupt das ORF-Gesetz noch einmal neu zu schreiben. Das ist in Teilen zwar bereits Anfang Juli passiert, als man mit den Stimmen von ÖVP und Grünen die Haushaltsabgabe verankert hat. Diesmal soll es jedoch um den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF gehen, mit dem geregelt ist, was der Rundfunk für die eingehobenen Gebühren zu bieten hat. Das möchte man für die Zukunft „genauer definieren“.
Wie dann die Aufsichtsorgane und die Bestellung der Führungskräfte neu geregelt wird, stehe auf einem anderen Papier, so die Überlegungen.
Diese Lust nach so einem neuen ORF-Gesetz ist letztendlich auch ein Ergebnis der Verhandlungen rund um die Haushaltsabgabe. Da gibt es einige Verstimmungen, auch wenn die Regierungsparteien dem Paket letztendlich zugestimmt haben. In der ÖVP will man allerdings Medienministerin Susanne Raab keinerlei Schuld geben. Sie habe aus dem Ganzen das Beste gemacht, heißt es. Allerdings gibt es einige politische Kollateralschäden. Dazu zählt unter anderem auch der Konflikt mit den Zeitungsherausgebern, der innerparteilich für Diskussionen gesorgt hat und sorgt.
Außerdem wollte die ÖVP schon im Jänner bei den Verhandlungen über die Haushaltsabgabe stärker am ORF-Gesetz herumdoktern. Das war aber auf den strikten Widerstand der Grünen, vor allem der Abgeordneten Eva Blimlinger, gestoßen. Sie stellen derzeit ja mit Lothar Lockl auch den Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates.
Volksbefragung als Ausweg
Das größte Problem wäre für die Regierung allerdings der Zeitfaktor. Am Dienstag wird im VfGH noch keine Entscheidung fallen. Die wird im Winter oder vielleicht sogar erst im März erwartet. Da spätestens Ende September gewählt werden muss, würden dann nur noch wenige Monate für ein neues Gesetz bleiben. Außer man überlässt das Ganze der künftigen Bundesregierung.
Ein Ausweg wäre, die Zukunft des ORF überhaupt einer Volksbefragung zu unterziehen. Diesen Plan gab es schon im Jänner bezüglich der Finanzierung. Er wurde aber verworfen, weil man vor allem im Finanzministerium dagegen gewesen sein soll. Das damalige Argument: Die Mehrheit würde sich klar für eine Finanzierung aus dem Budget entscheiden. Und das wollte man nicht. Aber diesmal könnte die Bevölkerung ja zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF befragt werden.
Kommentare