Es ist eine spannende Frage: Der ORF ist öffentliches Gut. Wie kann man die Öffentlichkeit dort also am besten abbilden? Sich an den Mehrheiten der gewählten Volksvertretung im Nationalrat zu orientieren, ist keine schlechte Idee. Der Status quo tut das nur halb. Er sieht einen extremen Machtüberhang der jeweiligen Kanzlerpartei vor (die ÖVP hat im obersten Gremium, dem Stiftungsrat aktuell etwa die Mehrheit).
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Man könnte sich also einen neuen Schlüssel ausdenken, der fairere Verhältnisse schafft. Oder aber eigene ORF-Wahlen abhalten, die den Namen auch verdienen. Früher gab es die seltsamen Fax–Wahlen für das eher symbolisch einflussreiche Gremium Publikumsrat. Hier sei zu einem kurzen Gedankenexperiment eingeladen: Wenn das Publikum über die ORF-Gremienmitglieder abstimmen dürfte: Wer würde die Fachleute, die mit ihrem Privatvermögen für ein Aufsichtsmandat in einem Milliardenunternehmen kompetent gerade stehen, ausfindig machen und zum Mitmachen bewegen? Es wären erst recht die Parteien. Sie haben den höchsten Organisationsgrad in diesen Fragen. Ein Umweg zur nächsten Pseudo-Entpolitisierung, die wir dauernd beklagen.
Wird die Gremienstruktur neu organisiert, liegt auch die Frage nach einer gänzlichen Neuaufstellung des ORF am Tapet. Und hier gäbe es viel sinnvollen Input der Bevölkerung: Was wollen wir von unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Die Beantwortung dieser Frage wäre auch eine wichtige Arbeitsanleitung für den amtierenden ORF-General Roland Weißmann, der angesichts der Gebühren für alle einen „ORF für Alle“ versprochen hat.
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Dieses „für Alle“ via Volksbefragung zu klären, hätte Charme. Und es ist der ÖVP nicht fern, schließlich gab es bereits im Vorfeld der Entscheidung für die Haushaltsabgabe Überlegungen, ein Plebiszit abzuhalten (der KURIER berichtete).
Wie würden Sie entscheiden? Muss man die Nationalmannschaft auf eine EM begleiten oder kann das Servus TV genauso gut? Braucht es zwei Hauptsender? Wollen wir kulturelle Vielfalt via ORF fördern? Es gäbe vieles zu klären.
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