Verfassungsgerichtshof nimmt Besetzung von ORF-Stiftungsrat ins Visier

Verfassungsgerichtshof nimmt Besetzung von ORF-Stiftungsrat ins Visier
Öffentliche Verhandlung des Höchstgerichts zu ORF-Gremien für 26. September terminiert

Das neue ORF-Gesetz (wegen der Finanzierung) ist noch gar nicht in Kraft, könnte es schon wieder Handlungsbedarf für die schwarz-grüne Regierungskoalition geben:  Im Rahmen seines Gesetzesprüfungsverfahrens zu einigen Bestimmungen des ORF-Gesetzes führt der VfGH am 26. September eine öffentliche Verhandlung durch. Den Anlass für das Prüfungsverfahren bildet ein Antrag der Burgenländischen Landesregierung, das Höchstgericht möge einige Bestimmungen des ORF-Gesetzes, die den Stiftungs- sowie den Publikumsrat betreffen, als verfassungswidrig aufheben.

Tatsächlich war es ein Retourkutsche von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der nicht den ORF-Landesdirektor bekommen hatte, den er wollte. Das könnte nun beide Aufsichtsgremium des Öffentlich-Rechtlichen in die Luft blasen.In der Form wie bisher werden allerdings Intendanten und Direktoren seit Jahrzehnten bestellt.

 

Unabhängigkeit

Laut Antrag meint die Burgenländische Landesregierung, dass die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der beiden Kollegialorgane wegen des maßgeblichen Einflusses der Bundes- und Landesregierungen nicht vorliege. Unabhängig von der persönlichen Qualifikation der Stiftungsräte seien allein deren Bestellung durch die Bundesregierung (u.a. auf Vorschlag der politischen Parteien im Nationalrat) bzw. die Zusammensetzung des Stiftungsrats geeignet, den Anschein politischer Abhängigkeit zu erwecken, so die Landesregierung. Teile von § 20 des ORF-Gesetzes seien in der gegenwärtigen Fassung nicht mit Art. I Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (BVG-Rundfunk) vereinbar; dieser Artikel hält fest, dass der Gesetzgeber die Unabhängigkeit der betrauten Personen und Organe gewährleisten müsse. Ebenso sieht die Burgenländische Landesregierung eine Unvereinbarkeit mit Art. 10 EMRK (Meinungs- bzw. Rundfunkfreiheit): Die Bestimmungen im ORF-Gesetz seien nicht geeignet, einen „political bias“ zu verhindern, den der EGMR als mit Art. 10 EMRK unvereinbar bewerte.

Auch die Bestellung des Publikumsrates, die in den Paragraphen 28 und 29 des ORF-Gesetzes geregelt ist, widerspreche Art. I Abs. 2 des BVG-Rundfunk sowie der in der EMRK garantierten Rundfunkfreiheit. Die Landesregierung sieht keinen ausreichenden Schutz vor parteipolitischer Dominanz und Einflussnahme der Regierung im Prozess zur Bestellung von 17 (der derzeit 30) Publikumsräte.

 

Tohuwabohu

Folgt der Verfassungsgerichtshof dem Antrag muss der Gesetzgeber das Gesetz im Rahmen einer angemessenen Frist reparieren. Die Verträge der ORF-Führung bleiben davon unberührt.

Da nächstes Jahr Nationalratswahlen stattfinden, ist ein Tohuwabohu um den von Roland Weißmann geführten ORF herum vorprogrammiert. Wegen der neuen, am 1. Jänner in Kraft tretenden Haushaltsabgabe, die zu geringeren Zahlungen bei 3,5 Millionen Haushalten führt, wird mit Volksbegehren, u. a. der FPÖ gerechnet - damit lässt sich politisch Punkte sammeln.

Mit einer Neubesetzung von Stiftungsrat und Publikumsrat nach Gesetzesreparatur gibt es 2024 erneut politische Munition, um auf den Öffentlich-Rechtlichen zu feuern. Der Charme für die Koalition dabei und trotz allem: Die Amtszeit des aktuellen Stiftungsrates läuft ab, bevor eine neue ORF-Führung zu küren ist. Muss das oberste ORF-Aufsichtsgremium neu zusammengesetzt werden, startet die Amtszeit ebenfalls neu. Dass eine neue Regierung dann kurz danach gleich wieder eine "ORF-Reform" startet, wäre ein peinlich offensichtlich politisches Manöver. Aber auch ohne dem bleibt es für den ORF ungemütlich und unsichere Rahmenbedingungen machen es erst recht schwer, sich hochkarätig personell zu verstärken.

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