Mitterlehner lässt Strippenzieher Lopatka gewähren

Klubchef Reinhold Lopatka darf Ränke schmieden, die der ÖVP zwar keine Stimmen, aber Mitterlehner gute Karten im Kanzlerpoker bringen
Der Zuwachs an Mandaten stärkt die ÖVP bei Machtspielen, bringt ihr aber nicht mehr Wählerstimmen.

Mit dem Parteiwechsel von Karl-Heinz Grasser ist das Überlaufen der Stronachianer zur ÖVP nicht vergleichbar. 2002 war Grasser ein Publikumsliebling, er brachte der ÖVP einen Schwung an Wählern von der damals implodierenden FPÖ mit. Stronachs Wähler von 2013 sind jedoch längst zu Straches FPÖ gewandert, da ist für die ÖVP nichts zu holen. Nein, hinter dem Anwerben von Stronach-Leuten durch Strippenzieher Reinhold Lopatka steckt keine Wahltaktik, sondern reine Machtpolitik.

Noch fehlen der ÖVP ein bzw. zwei Abgeordnete, um an Parlamentssitzen mit der SPÖ gleich zu ziehen oder diese zu überholen. Das ist im Hinblick auf die Herbstwahlen interessant.

Mitterlehner lässt Strippenzieher Lopatka gewähren
Sollte die SPÖ in Oberösterreich und Wien die prophezeiten Watschen bekommen, wird in der SPÖ wohl die Obmann-Debatte wieder aufflammen. Doch ein Kanzler-Wechsel ist der SPÖ vielleicht verwehrt. "FallsWerner Faymannzurück tritt, werden wir als stärkste Partei selbst den Kanzleranspruch stellen", sagt ein hoher ÖVP-Entscheidungsträger zum KURIER. Vor diesem Hintergrund ist es erklärbar, warum ÖVP-ChefReinhold MitterlehnerLopatka beim Ränkespiel gewähren lässt.

Auch Faymann hat wenig Grund zur Beschwerde. So paradox es klingt: Der Machtzuwachs für die ÖVP sichert ihm den Kanzlerposten, denn gegen den Willen der ÖVP kann die SPÖ den Kanzler faktisch nicht austauschen.

Derartige Machtspiele in einer Regierung können auch leicht in Neuwahlen abgleiten. Insofern ist es gut möglich, dass bald weitere Stronach-Mandatare zur ÖVP überlaufen, aus Angst, nach Neuwahlen die 8300 € Abgeordnetengage zu verlieren.

Sobald Schwarz-Blau eine Mehrheit im Parlament hat (derzeit fehlen drei Abgeordnete), geht das alte Machtspiel wieder los, das wir während der Großen Koalition zwischen 1987 und 2000 erlebt haben: Die ÖVP zückte, wann immer ihr danach war, die blaue Karte. Auf diese Weise wurde beispielsweise Franz Fiedler Rechnungshofpräsident. Das Niederstimmen des Koalitionspartners im Nationalrat wäre (und war damals) theoretisch ein Neuwahlgrund, aber nicht bei jedem Streit hat das Publikum Verständnis für Neuwahlen.

Falls Strache seine zwei wilden Salzburger zurückholt, ginge sich im Nationalrat auch Rot-Blau aus. Franz Vranitzky hat dies seinerzeit untersagt – aber heute?

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