ÖVP versucht den Neustart

Mea Culpa: „Ich suche die Schuld auch bei mir“ – ÖVP-Chef Michael Spindelegger gab sich selbstkritisch
Michael Spindelegger gesteht Fehler ein. Er will intern und extern besser kommunizieren.

Jetzt, da er wegfahre, sei er viel besser gestimmt als beim Herkommen. So bilanzierte ÖVP-Fraktionschef Reinhold Lopatka die Klubklausur der Vizekanzlerpartei im steirischen Loipersdorf. Die erste große Zusammenkunft der Schwarzen nach der Regierungsbildung war, trotz Thermenhotel, kein Wohlfühl-Termin. Parteiobere aus dem Westen und der Steiermark, aber auch Wirtschaftsbund-Chef Christoph Leitl hatten zuvor Michael Spindeleggers Kurs kritisiert, Zugeständnisse begehrt, gedroht, dem Budget bzw. dem Steuerpaket im Parlament nicht zuzustimmen.

Kakofonie

Und so gab es intern viel zu reden. Heftig ging’s zu. Auf Linie sollten die Widerborstigen gebracht werden. Die EU-Wahl stünde an; da könne sich die Partei öffentliche Streitereien nicht erlauben. Lopatka appellierte in seiner Rede an die Abgeordneten, von innerparteilichem Hickhack zu lassen: „Diese Kakofonie schadet uns.“ Das Koalitionsprogramm dürfe nicht kleingeredet werden.

Parteichef Spindelegger befand: „Die letzten Wochen, die Unterschiede, Zurufe und Ratschläge – das hat uns nicht genützt.“ Die „Reset-Taste“ sei zu drücken: „Fangen wir neu an.“ Weil eine Bitte wohl nicht reicht, versuchte er es mit Psychologie – einem Mea Culpa. Die Schuld solle nicht nur bei anderen gesucht werden: „Ich suche sie auch bei mir.“ Das, was viele Schwarze auch via KURIER verlangt haben, wolle er fortan tun: „Ich muss mehr intern reden.“ Und bei dem, was er öffentlich kommuniziere, „muss ich vorsichtig sein“. Ein Treffen mit den Länder- und Bündechefs an einem Sonntag, um 22 Uhr, als „Routine-Sitzung“ zu qualifizieren, sei „keine gute Botschaft“ gewesen: „Das weiß ich auch.“ Die ÖVP war damals verhöhnt worden, weil jeder wusste, dass es eine Krisen-Zusammenkunft war.

Wie beurteilen die Steirer, ein von Natur aus rebellisches Völkchen, Spindeleggers Ansagen? „Die Ankündigung, mehr zu kommunizieren, ist für mich das Wichtigste“, sagte Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder dem KURIER. „Wenn es möglich ist, Dinge intern auszureden, werden auch die öffentlichen Zurufe weniger.“ Sie hatte beklagt, die ÖVP sei nicht offen für Neues. Auch dahingehend versprach Spindelegger Läuterung. Nun solle aber „gemeinsam“ gearbeitet werden. Schließlich will die ÖVP den ersten Platz bei der EU-Wahl am 25. Mai verteidigen. Und so wurde dem Spitzenkandidaten, Othmar Karas, gehuldigt („Er ist der Beste, den die ÖVP hat“). Karas warnte, wohl im Wissen um die schlecht beleumundete Regierungspolitik, davor, den Urnengang zu einer „Denkzettel-Wahl“ zu machen.

Alles paletti ist in der ÖVP trotz der Geschlossenheitsappelle aber nicht. Wie berichtet, wird Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle gegen das neue Bundesministeriengesetz stimmen. Die Fusion seines einstigen Ressorts mit dem Wirtschaftsministerium missfällt ihm. „Natürlich ist das für mich nicht angenehm“, sagt Lopatka. „In diesem Ausnahmefall ist es aber zur Kenntnis zu nehmen.“

Mit 65 Jahren gehen die meisten in Pension, viele noch wesentlich früher. Nicht so Jakob Auer. Der Chef des ÖVP-Bauernbundes sitzt nicht nur nach wie vor als Abgeordneter seiner Partei im Nationalrat. Heute stellt er sich beim Bundesbauernrat im Tiroler Alpbach der Wiederwahl als Bauernbund-Präsident. Auer liegt nicht nur die agrarische Zunft am Herzen, sondern auch seine Partei. Er ist ÖVP-Vize-Klubchef im Parlament.

Und er schießt scharf gegen Nationalbank-Präsident Claus Raidl. Der hatte im KURIER befunden, die ÖVP sei „nur eine Partei der Bauern und Beamten“. Auer kontert via KURIER: „Der Herr Raidl sollte sich um die Nationalbank kümmern. Da gibt es genug Arbeit, wenn ich nur an die Pensionsgeschichten denke. Und er soll dafür sorgen, dass bestimmte Problem-Banken zeitgerecht geprüft werden.“

Was die innerparteiliche Kritik anlangt, appelliert Auer an die Parteifreunde, nun zu werken: „Wenn viel gearbeitet wird, hat man für die Blödheiten keine Zeit.“

In Alpbach will Auer eine groß angelegte Diskussion unter den 300.000 Bauernbund-Mitgliedern darüber starten, wie die Zukunft der Bauern aussehen soll.

Parallel dazu wirbt er für seine Landwirte, die ein wichtiger Wirtschaftsfaktor seien: „Die Bauern wollen in den kommenden fünf Jahren 5,5 Milliarden Euro investieren. Das ist nicht nichts. Die Gemeinden investieren pro Jahr 1,6 Milliarden Euro.“

Der ÖVP-Spitzenkandidat bei der Wahl zum Europaparlament, Othmar Karas, warnte am Freitag vor einer Denkzettel-Wahl am 25. Mai 2014. Dies würde Österreich schaden, erklärte er in seiner Rede. Karas zeigte sich dennoch siegessicher: "Ich verstehe mich als Kandidat für alle Österreicher, denen Österreich und die Zukunft ein Anliegen ist und die in der EU etwas bewegen und durchsetzen wollen, auch wenn ihnen nicht alles, was in der EU passiert zu 100 Prozent gefällt. Ich will mit meinem Team die erreichen, die mit Populismus nichts anfangen können", sondern die ein Interesse daran haben, dass sich Europa gut und erfolgreich weiterentwickelt. "Wer die Europa-Wahl zur Denkzettel-Wahl machen will, der schädigt Österreich, der verrät unser Interesse an einer starken, durchsetzungskräftigen Vertretung Österreichs im Europäischen Parlament."

"Fast alle politischen Kräfte in diesem Land haben ihre Position zu Europa geändert, auf den Kopf gestellt, sind einen Zick-Zack-Kurs gefahren. Ich bin konsequent auf dem Kurs geblieben", so Karas.

Entscheidungswahl

Die EU-Wahl ist für ihn eine dreifache Entscheidungswahl - für Europa, für Österreich sowie die ÖVP: "Europa steht an einem Wendepunkt. Für Europa geht es darum, ob wir die gemeinsame Europäische Erfolgsgeschichte weiterentwickeln können oder nicht. Ob sich die vernünftigen Kräfte durchsetzen oder der Populismus Überhand gewinnt. Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung." Weiters meinte der Spitzenkandidat: "Bringen wir Europa nach der Krise wieder auf die Überholspur oder stehen wir auf dem Pannenstreifen mit allen Konsequenzen für den Wohlstand und die soziale Sicherheit?" Darüber werde am 25. Mai entschieden, und dabei gehe es nicht um "mehr oder weniger Europa": "Uns geht es immer um die Frage, wie schaffen wir ein besseres Europa?"

Ein "besseres Europa" heiße für ihn auch, dass es eine wirksame demokratische Kontrolle gibt. Hier verwies Karas etwa auf die Vollendung der Bankenunion.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger zeigte sich über Karas als Spitzenkandidat für die Europawahl erfreut, räumte aber auch Probleme in der Vergangenheit ein: "Ich habe mich als Außenminister oft über Othmar Karas geärgert, ich sag's ganz offen, und er sich über mich. Gut so." Es sei aber klar gewesen, dass Karas, der so "glasklar" für Europa stehe, der "natürliche Spitzenkandidat" wird. Er sei es zum ersten Mal und der beste, den die ÖVP habe.

Othmar Karas

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