Raidl: „Egozentrik der Föderalisten“
Claus Raidl, Präsident der Nationalbank, Ex-Manager und bekennendes ÖVP-Mitglied, im KURIER-Interview über den aktuellen ÖVP-Zustand.
KURIER: Herr Präsident, können Sie den Aufstand der Westachse nachvollziehen?
Claus Raidl: Nein. Es ist eine Strafe der Geschichte, dass die Föderalismuspartei ÖVP am innerparteilichen Föderalismus womöglich noch zerbrechen wird. Drei egozentrische Landeshauptmänner werfen sich, um ihre Eitelkeit zu befriedigen, lieber auf Bundesthemen, von denen sie relativ wenig verstehen, als sich um ihre Länder zu kümmern. Der Salzburger sollte besser sein Finanzdebakel lösen, und der Tiroler könnte sich mit den Agrargemeinschaften beschäftigen, und der Vorarlberger soll einmal eine Wahl gewinnen. Es ist wirklich eine Strafe für die ÖVP, dass sie, die den Föderalismus immer hochhält, jetzt erlebt, was die Egozentrik einiger Oberföderalisten bedeutet.
Was soll Parteiobmann Spindelegger nun machen?
Er muss diesen Landeshauptleuten zeigen, dass die Macht im Bund liegt und nicht in der Selbstdarstellungskunst einiger Landeshauptleute. Er muss seine Macht als Parteichef einsetzen und – im Rahmen der Gesetze – auch als Finanzminister diese Landeshauptleute zur Raison bringen.
Aber die Länder sitzen doch am längeren Ast. Sie haben über ihre Abgeordneten die Existenz der Regierung in der Hand.
Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Landeshauptleute Abgeordnete aus ihren Bundesländern so als Art Leibeigene betrachten und sich einbilden, dass sie frei gewählte Mandatare steuern können, wie sie abstimmen, oder ob sie an Sitzungen teilnehmen. Das ist einfach unerträglich.
Bei dem Zwist geht es auch um Inhalte. So würde Wilfried Haslauer Vermögenssteuern akzeptieren, wenn man im Gegenzug die Steuern auf Arbeit senkt.
Es ist unfassbar, dass ein Landeshauptmann einfach so an einer Grundsäule der ÖVP rüttelt. Die ÖVP hegt in der Steuerpolitik zu Recht den Grundsatz, Substanz soll nicht besteuert werden. Offensichtlich besteht in der ÖVP über grundlegende Fragen keine gemeinsame Basis. Jetzt ist es die Aufgabe, diese gemeinsame Basis herzustellen. Man sollte aus dem Wahlprogramm und Spindeleggers „Österreich 2025“ ein kurzes Aktionsprogramm machen, damit wieder alle wissen, wofür die ÖVP eintritt.
Von dem Programm „Österreich 2025“ hat sich Spindelegger schon verabschiedet.
Man sollte es dennoch wieder aufnehmen.
Der innerparteiliche Zwist in der ÖVP dreht sich auch um Gymnasium oder Gesamtschule. Auf welcher Seite stehen Sie?
In dem Aktionsprogramm sollte auch diese Frage eindeutig ausdiskutiert werden. Ich bin in den USA in eine differenzierte Gesamtschule gegangen. Sie erfordert ganz andere architektonische und organisatorische Voraussetzungen als wir sie haben. Man muss sich zuerst einmal konkrete Modelle anschauen, wie eine Gesamtschule aussieht, bevor man loslegt. Die Antipoden – das Gymnasium ist die Eliteausbildung und die Gesamtschule die Nivellierung nach unten – müssen ausdiskutiert werden. Das Volksbegehren von Hannes Androsch hatte die richtigen Ansätze, ich habe es auch unterschrieben und bedaure, dass es nicht weiter verfolgt wurde. Die ÖVP muss programmatisch breiter werden und aufhören, nur eine Partei der BB zu sein, der Beamten und der Bauern. Mit einem Aktionsprogramm könnte man inhaltlich und bei den Wählergruppen breiter werden. Der Parteiobmann wäre gut beraten, dies zu tun.
Warum nehmen Sie die Steirer, die genau so rebellisch sind, von Ihrer Kritik aus?
Die Steirer sehe ich etwas anders, weil sie wirkliche Reformen umsetzen. Offenbar kann man Reformen nur umsetzen, wenn die Politiker ankündigen, dass sie nicht mehr kandidieren. Vielleicht sollten Faymann und Spindelegger auch ankündigen, dass das ihre letzte Periode ist. Sie könnten sagen, das gibt uns jetzt den Mut, richtige Reformen zu machen. Die Regierung braucht auch schnelle Erfolge. Sie könnte zum Beispiel sofort den Bundesrat ersatzlos streichen. Da würde man sagen: Hoppla, da wird regiert.
Ein anderer Landeshauptmann, Josef Pühringer, hat jetzt eine vierte Medizin-Uni durchgesetzt, obwohl die bestehenden drei unter Geldmangel leiden. Was halten Sie davon?
Ich halte die MedUni in Linz nicht für notwendig. Es ist zu bedauern, dass sich die Oberösterreicher nicht etwas völlig Neues ausgedacht haben, etwa eine Forschungs- oder Fortbildungsstätte. Niederösterreich hat das getan, das ISTA (Institute of Science & Technology) ist einmalig, auch europaweit. Die Oberösterreicher jedoch machen more of the same. Hier sieht man: Ein starker Landeshauptmann muss innerparteilich bei Dingen, die nicht im Bundesinteresse sind, eingebremst werden.
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