Österreichs EU-Vorsitz: 180 Tage auf der großen Bühne

Österreichs EU-Vorsitz: 180 Tage auf der großen Bühne
Die selbst gesteckten hohen Erwartungen, besonders bei der Migration, hat Österreich nicht erfüllt. Aber es gab einige Erfolge. Eine Bilanz.

Es begann im Juli 2018 mit großen Versprechen: Man werde ein „Brückenbauer“ sein zwischen den Blöcken in Europa, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Auftakt des österreichischen Ratsvorsitzes angekündigt. Und Innenminister Herbert Kickl, in dessen Händen während der vergangenen Monate die für Europa so schwierige Migrationsfrage lag, verkündete gar eine „kopernikanische Wende“.

Der Bogen aber führte stattdessen hin zu einem „galaktischen Fehler“, wie ein Journalist des Brüsseler Online-Portals Politico trocken gegenüber dem KURIER kommentiert. Gemeint ist Österreichs Rolle rückwärts beim UN-Migrationspakt. Und obwohl der Ausstieg der Regierung in Wien aus dem rechtlich unverbindlichen Pakt mit dem Vorsitz Österreichs keinen direkten Zusammenhang hat, hinterließ diese Wende doch tiefe Spuren.

Ausgerechnet als EU-Vorsitzland hätte Wien diesen Schritt nicht setzen dürfen, lautete in Brüssel der von allen Seiten geäußerte Vorwurf. Dahin war der Ruf Österreichs, ein „Brückenbauer“ und „ehrlicher Makler“ zu sein. Und der Eindruck verfestigte sich, dass Österreich viele Themen des Ratsvorsitzes für die Profilierung in der heimischen Innenpolitik nutzte.

Erfolge verdeckt

Die Kollateralschäden überdecken die vielen Erfolge, die Österreichs Beamte und Diplomaten in monatelangen Marathonverhandlungen vorangetrieben und zu Ergebnissen gebracht haben. Ein Beispiel ist das -Reduktionsziel bei PKW. Die EU-Staaten einigten sich unter österreichischem Vorsitz darauf, dass Neuwagen in elf Jahren um 35 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen müssen. Oder die erfolgreiche Vorbereitung für die schwierigen Detailverhandlungen für den kommenden EU-Haushalt. Hier hat sich Österreich besonders viel Lob eingeholt.

Aber ausgerechnet bei seinem wichtigsten Versprechen hat Österreichs Vorsitz sein Ziel verfehlt: der Migration. Die viel beschworene Stärkung der europäischen Außengrenze, sie wird nun viel später wirksam werden, als Kanzler Kurz noch im Herbst versprochen hatte. Nicht übernächstes Jahr, sondern erst 2027 sollen 10.000 zusätzliche Frontex-Soldaten an Europas Außengrenzen ihren Dienst versehen. Ein „Europa, das schützt“, hatte sich die Regierung zum Motto des Ratsvorsitzes gewählt. Ein unglücklich gewähltes Ziel sei dies gewesen, ist in Brüssel oft zu hören.

In der Regierung in Wien sieht man dies anders. Zur Kritik an mangelnden Resultaten bei der Migration sagt Europaminister Gernot Blümel, Österreich habe die Trendwende schon vor Übernahme der Ratspräsidentschaft beim EU-Gipfel im Juni erreicht. Damals wurde beschlossen, die Migrationsdebatte weg von Flüchtlingsverteilung, hin zum Grenzschutz zu verlagern.

Innenminister ließen aus

Im Büro von Finanzminister Hartwig Löger wird betont, bei den Verhandlungen über das EU-Budget 2019 die finanziellen Voraussetzungen für die Frontex-Aufstockung auf 10.000 Mann bis 2020 geschaffen zu haben. Dass die Innenminister beim Bereitstellen des Personals auslassen, stehe auf einem anderen Blatt.

Vernichtend fällt das Urteil des SPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Schieder, aus: „Österreich ist zum Bremser in der Europäischen Union geworden.“ Europa sei am Ende des Jahres „gespalten wie noch nie zuvor“, und die Regierung habe beim Migrationspakt sogar selbst dafür gesorgt, „dass dieser Spalt größer wird“. Schieder: „Es gab keinen einzigen Beitrag, der Gerechtigkeit oder Sicherheit in der Gesellschaft stärkt.“

Karas kritisiert Vorsitz

Kritisch bilanziert ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas den EU-Vorsitz.  „Bedauerlich“ findet er, dass es bei Frontex  „keine Lösung“ gibt. Insgesamt habe Österreich „die Rolle der Ratspräsidentschaft überhöht“. Die Ratspräsidentschaft sei als „Dienstleister an der EU“ zu verstehen, nicht als „innenpolitisches Projekt“. 

Statements von Kanzler Sebastian Kurz, Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker

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