Österreichs erster EU-Botschafter: „Habe bei Abstimmung geweint“

Österreichs erster EU-Botschafter: „Habe bei Abstimmung geweint“
EU-Beitrittspoker: Wolfgang Wolte muss noch 25 Jahre danach die Freudentränen unterdrücken.

Wolfgang Wolte, 87, ist der Prototyp des rüstigen Rentners im Dauer-Unruhezustand. Der Karriere-Diplomat war von 1987 bis 1993 Botschaft bei der EU – also in den spielentscheidenden und spannenden Jahren vor Österreichs Beitritt Mitte der 90er-Jahre. Und zwar als „Botschafter Österreichs bei der EU“ und darauf legt er großen Wert, „nicht als Beobachter bei der EU“.

Österreich wurde in Brüssel „damals nicht gerne gesehen“, erzählt er heute. Vor allem EU-Kommissionspräsident Jacques Delors „hat keine besondere Freude damit gehabt“, so Wolte. „Denn er wollte eine kleine kompakte Europäische Gemeinschaft. Da hat das kleine neutrale Österreich nicht hineingepasst.“

Ende 1988 waren in Österreich freilich schon alle Weichen Richtung Beitritt gestellt, als der damalige Nationalbankpräsident Hellmuth Klauhs gemeinsam mit seinem Generalsekretär Adi Wala in Brüssel Delors besuchten, um Stimmung für Österreich zu machen. Die Visite endet schon nach 10 Minuten in Eiseskälte. Nationalbanker Klauhs fiel gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus und bedrängte Delors in seinen Eröffnungssätzen mit dem Wunsch nach einem Ja zum Beitritt. Augenzeuge Wolte: „Delors war aber das, was die Amerikaner als ,moody‘ bezeichnen, also sehr emotionalen Wogen unterworfen, und beendete die Unterredung so rasch, wie er sie begonnen hatte.“ Der schwarze Notenbanker war außer sich über das Ergebnis: „Das war eine Katastrophe.“

Aufbruchsstimmung in Österreich

Das diplomatische Fiasko an dem Novembertag vor bald mehr als 30 Jahren konnte die Bemühungen der Österreicher nicht aufhalten. Denn „es gab eine Aufbruchsstimmung in Österreich, wie sie es noch nie gegeben hat. Es war eine wunderbare Zeit, wie alle in der Politik zusammengehalten haben.“

Ein Zusammenhalt mit klaren Grenzziehungen. „Wir haben ausgemacht, dass während der Beitrittsverhandlungen keine eigene Vertretungen des Bundesländer, so wie es sie heute gibt, in Brüssel aufgemacht werden. Die hätten uns da nur hineingefunkt.“ Der Einzige, der das großkoalitionäre Landesfürsten-Fahrverbot durchbrochen hat, war der damalige Salzburger Landeshauptmann Hans Katschthaler: „Der hat sich nicht bremsen lassen, aber die Übergabe von Einladungen und Karten für die Salzburger Festspiele, das hätten wir von der Botschaft aus auch noch zusammengebracht.“

Als dann bei der Volksabstimmung im Juni 1994 zwei Drittel der Österreicher mit Ja votierten, brachen alle Dämme. „Wir haben geweint. Ich und viele andere waren sehr gerührt“, erinnert er sich.

Wolte feiert anfangs mit vielen anderen in der Industriellenvereinigung („Wir waren begeistert von der Antwort des Volkes“) und suchte dann aus Neugierde auch die FPÖ-Zentrale auf. Dort war „eine tiefe Traurigkeit und Enttäuschung spürbar“. Haider hat „mich zwar freundlich begrüßt“, erinnert sich der Diplomat mit Kärntner Wurzeln, „aber er hat genau gewusst, dass er in dieser Lebensfrage die Stimmung der Österreicher total falsch eingeschätzt hat“.

"Vielen ist die EU-Wahl leider zu fad"

Diese begeisterte Stimmungsmache für Österreich und die EU hat Wolte bis heute nicht abgelegt. Er hofft, dass „diese lodernde Flamme bei den EU-Wahlen wieder entfacht werden kann“. Schlüssel ist für ihn die höhere Wahlbeteiligung: „Vielen ist die EU-Wahl leider zu fad, aber so zu denken, ist eine Sünde gegen Österreich.“

Wolte ist so auch eine der Säulen der „Gesellschaft für Europapolitik“, die mit regelmäßigen Umfragen und Diskussionen die Europafahne in Österreich hochhält. Wann immer er dabei ist, hat sich eines eingebürgert: Das Schlusswort geht an den Kärntner. Da können davor noch so lange und intensiv die vielen Konstruktionsfehler und nationalistischen Widrigkeiten im EU-Alltag beklagt worden sein. Keiner versprüht mehr Optimismus und Feuer als der 87-jährige Beamte i. R. Er bleibt seiner Mission treu: Als der längstdienende und treueste Botschafter des europäischen Gedankens – right or wrong, my EU.

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