ÖH-Wahl: Wo’s Studierende drückt

ÖH-Wahl: Wo’s Studierende drückt
Fast zwei Drittel der Studenten arbeiten nebenbei – und geraten dadurch oft in eine finanzielle Falle.

Die 21-jährige Amina studiert im achten Semester Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien. Um finanziell über die Runden zu kommen, muss sie nebenbei mindestens zehn Stunden pro Woche arbeiten, in den Ferienmonaten deutlich mehr. „Ich muss das immer auspendeln“, sagt Amina. „Ich musste mich oft entscheiden: Arbeite ich diesen Monat wieder mehr? Dann bleibt weniger Zeit fürs Studium.“

Amina ist nicht alleine. Knapp zwei Drittel aller Studierenden sind nebenbei berufstätig, im Schnitt 20 Stunden pro Woche. 74 Prozent von diesen arbeiten aus finanzieller Notwendigkeit. Darunter leidet bei vielen der akademische Fortschritt, so ist das Nebenbei-Arbeiten der häufigste Grund für Zeitverlust im Studium (34 %).

Finanzielle Unterstützung vom Staat erhält Amina nur in Form der Familienbeihilfe. Die ist die am häufigsten von Studierenden bezogene finanzielle Unterstützung: 43,3 Prozent aller Studierenden in Österreich beziehen sie selbst und nicht über die Eltern. Die Voraussetzungen dafür sind, dass zumindest ein Elternteil seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat und das Kind aktiv einer Ausbildung nachgeht. Dazu zählt auch ein Studium. Dem muss, so heißt es, „zielgerichtet“ nachgegangen werden.

Erfolgsnachweis

Aus Sicht des Gesetzgebers bedeutet das, Studierende müssen regelmäßig Studienerfolgsnachweise einreichen und dürfen nicht länger als ein Jahr über die Mindeststudienzeit hinaus studieren. Außerdem fällt die Familienbeihilfe weg, sobald Studierende 24 sind (oder 25, sollten sie den Präsenzdienst absolviert haben, schwanger geworden sein oder ein Kind bekommen haben).

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Amina studiert Kultur- und Sozialanthropologie

Neben der Familienbeihilfe ist die Studienbeihilfe ein Zuschussmodell des Bildungsministeriums. Sie steht nur wenigen Studierenden zu: Zwölf Prozent beziehen sie aktuell, jede fünfte Anfrage wird aufgrund der elterlichen Einkommensverhältnisse abgelehnt. So auch bei Amina. Ihre Mutter, eine Lehrerin, hat Amina und ihre zwei kleinen Geschwister alleine großgezogen. Auch wenn ihr Vater eigentlich noch unterhaltspflichtig wäre, bekommt Amina von ihm keine Alimente. „Ich weiß, dass ich im Recht wäre – aber auch, dass er nicht viel hat. Ich kann ihn nicht einfach klagen“, sagt sie.

Zu viel für Beihilfe

Zusammen mit den Alimenten, die sie von ihrem Vater bekommen müsste, stünde ihr zu viel Geld zur Verfügung. Bald könnte sich ihre finanzielle Lage aber deutlich verschlechtern: Wenn Amina in diesem Semester nicht fertig wird, hat sie die Mindeststudiendauer um mehr als zwei Toleranzsemester überschritten – und würde dadurch nicht nur den Anspruch auf Familienbeihilfe verlieren, sondern müsste im nächsten Halbjahr zudem Studiengebühren zahlen.

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Eltern klagen?

Beim Sozialreferat der Österreichischen Hochschülerschaft können sich Studierende juristisch beraten lassen. Einer der häufigsten Gründe, warum diese Hilfe in Anspruch genommen wird, sind ausbleibende Unterhaltszahlungen. „Es ist eine enorme emotionale Belastung, gegen den eigenen Vater oder die eigene Mutter vor Gericht zu ziehen“, sagt Lisa Korninger, Juristin im Sozialreferat. „Die Studierenden sind oft in einer schwierigen finanziellen Situation und könnten die etwaigen Verfahrenskosten nicht stemmen.“

Zuverdienstfalle

Bei der 22-jährigen Restaurierungs-Studentin Magdalena, die nebenbei ebenfalls arbeitet, zeigt sich ein weiteres Problem der Familienbeihilfe: Weil sie in den Ferienmonaten mehr arbeitet und verdient als normalerweise, kratzt sie an der Zuverdienstgrenze von 10.000 Euro pro Jahr – mehr dürfen Studierende, die Familienbeihilfe beziehen, nicht dazuverdienen.

Ansonsten verringert sich der monatliche Betrag um genau so viel, wie ihr Brutto-Gehalt die Grenze übersteigt. Bei Magdalena heißt das: Wenn sie noch mehr arbeiten würde, würde ihr nicht mehr Geld bleiben. Erst wenn sie mehr als 2.682 Euro (so viel macht die Familienbeihilfe bei Einzelkindern jährlich aus) über die Zuverdienstgrenze hinaus verdienen würde, hätte sie auch etwas davon. Alles darunter ist de facto Arbeit umsonst.

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Magdalena studiert Restaurierung

Problem bekannt

Zuverdienstgrenzen halte ich grundsätzlich für eine gute Idee“, sagt Martha Eckl, Referentin für Hochschulpolitik in der Wiener Arbeiterkammer. „Aber damit sie sinnvoll sind, muss die Höhe der Beihilfen regelmäßig an die Lebenshaltungskosten angepasst werden.“ Derzeit bekämen Studierende zu wenig Geld und dürften zu wenig dazuverdienen, so Eckl.

Dem Wissenschaftsministerium sind die Probleme rund um die Familienbeihilfe ebenfalls bekannt, das Thema wird aber wegen der Neuwahlen wohl wieder auf Eis gelegt. Ob es zu einer Anhebung der Alters- oder Zuverdienstgrenze kommt, hängt davon ab, ob künftig Budget dafür freigemacht wird.

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