Peter Klimek, Komplexitätsforscher am Complexity Science Hub, bemüht den Vergleich mit einem Auto: „Wir fahren zwar mit hoher Geschwindigkeit, wir beschleunigen auch, aber wir stehen nicht so sehr auf dem Gas wie im Herbst“, sagt er.
Im Oktober hätten wir innerhalb von zwei Wochen eine Steigerung von rund 2.000 auf 5.000 Fälle gehabt, jetzt lägen wir bei einer Steigerung von etwa 2.000 auf 3.000 Fälle in zwei Wochen. „Das heißt, die Zahl wächst, aber die Geschwindigkeit des Wachstums ist eine andere als im Herbst“, erklärt Klimek.
Dass es nun einige Faktoren gibt, die das Infektionsgeschehen etwas „moderieren“, beobachtet auch Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich. Gemeint sei damit ihm zufolge nicht nur das erweiterte Testangebot. Es gebe auch Hinweise, dass sich die steigende Durchimpfungsrate bei den über 80-Jährigen bereits bemerkbar mache.
Auch das verpflichtende Tragen von FFP2-Schutzmasken kann einen positiven Effekt haben. Insgesamt sei die Situation aber nach wie vor hoch volatil und der Trend der steigenden Fallzahlen ungebrochen.
Aber: Es kommt der Frühling. „Verbesserte saisonale Effekte“, nennen die Experten die steigenden Temperaturen, die die Menschen ins Freie locken, wo sich das Virus schlechter verbreiten kann.
Der Mix aus alledem könnte einen erfreulichen Effekt haben: „In optimistischen Szenarien reicht das alles zusammen aus, um die Zahlen im Griff zu behalten“, sagt Komplexitätsforscher Klimek.
Und in pessimistischen Szenarien? „Da kann man nicht ausschließen, dass das Wachstum der Infektionszahlen sehr stark beschleunigt“, erklärt der Prognostiker. Das Problem: Optimistische und pessimistische Szenarien sind nur die zwei unterschiedlichen Enden der Schwankungsbreite in den Berechnungen.
Man müsse im Kopf behalten, dass gegen all diese positiven Faktoren die Pandemie mit der erhöhten Ansteckungskraft der Mutanten dagegenhalte, sagt Ostermann. „Wir haben im vergangenen Jahr so viele Entbehrungen gehabt. Wenn wir jetzt zu übermütig werden, dann ist zu befürchten, dass sich all diese Entbehrungen nicht ausgezahlt haben.“
Was droht, ist abermals eine Überlastung des Gesundheitssystems. Wenn nicht in Gesamtösterreich, dann zumindest in einigen Regionen. „Die Entwicklungen sind regional sehr unterschiedlich. Einige Nachbarländer haben derzeit so hohe Zahlen wie noch nie, das wirkt sich natürlich auf die angrenzenden Regionen in Österreich aus“, sagt Klimek. Vorarlberg habe hingegen den Vorteil von wenigen Fällen in unmittelbarer Nachbarschaft und profitiere von der Abschottung Tirols.
In anderen Regionen könnte es aber bald wieder knapp werden, was die Intensivkapazitäten betrifft. „Die höheren Infektionszahlen, die wir jetzt erleben, werden sich bei der Bettenbelegung erst in den kommenden Wochen so richtig niederschlagen“, sagt Klimek. „Wenn wir davon ausgehen, dass 33 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt sein können, um das System nicht zu überlasten, dann sind wir davon in einigen Regionen nicht so weit weg.“
Alle Faktoren gegeneinander abgewogen, führt das also zu welchem Schluss? „Wir brauchen noch einige Wochen Geduld“, sagt Ostermann. Mit den steigenden Temperaturen und einer höheren Durchimpfungsrate gebe es eine bessere Perspektive bis Ende April. „Die Pandemie zu bekämpfen ist eine ständige Herausforderung, aber es wird besser. Und ich bin nicht nur berufsoptimistisch“, sagt Ostermann.
Eine Entscheidung über Öffnungsschritte will die Regierung heute übrigens nicht treffen, nächste Woche will man erneut über den Status quo beraten.
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