"Niemals vergessen": Regierung gedachte Befreiung

Bundeskanzler Werner Faymann im Rahmen des Festakts im Kanzleramt
Der 8. Mai markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus. Festakt im Kanzleramt mit Faymann und Mitterlehner.

Die Bundesregierung hat am Sonntag mit einem Staatsakt der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa gedacht. Der 8. Mai sei ein Tag "des 'Niemals vergessen', ein Tag des 'Nie wieder'", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in seiner Rede im Bundeskanzleramt. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betonte die Notwendigkeit, aus der Geschichte zu lernen.

"Gedenken heißt, die Dinge beim Namen zu nennen", sagte Faymann. Es gelte, auszusprechen, was Europa und die Welt in die furchtbarste Krise seiner Geschichte - in den zweiten Weltkrieg, "mit sechs Millionen ermordeten Menschen im Holocaust" - gestürzt habe.

Gleichzeitig erinnerte Faymann an all jene Österreicher, die sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt haben. "Zehntausende Menschen sind in den Widerstand gegangen - und Tausende haben dabei ihr Leben verloren", so der Kanzler. "Der 8. Mai ist auch ein Tag, an dem wir uns an den Mut zum aufrechten Gang erinnern."

Faymann und Mitterlehner betonten die Notwendigkeit, aus der Vergangenheit die richtigen Schlüsse für Gegenwart und Zukunft zu ziehen. Der Kanzler sagte, die Geschichte lehre, dass gesellschaftlicher Friede kein Dauerzustand ist, "den man ohnehin nicht aus dem Gleichgewicht bringen kann. Eher das Gegenteil lehrt die Geschichte - und oftmals auch die Gegenwart (...) Die Geschichte lehrt, dass es lange dauert, Demokratie und Wohlstand aufzubauen - und nur ein paar Federstriche, um beides zu zerstören."

"Aus Erfahrungen von 1945 lernen"

Auch Vizekanzler Mitterlehner gemahnte an die "Pflicht der Erinnerung" und die Verantwortung des "Nie wieder". Gleichzeitig betonte er die notwendigen Schlüsse, die aus diesen Erfahrungen zu ziehen sind: "Gedenkfeiern sind wichtig; noch wichtiger ist es meines Erachtens, aus den Erfahrungen von 1945 zu lernen und die richtigen Konsequenzen zu leben."

"Niemals vergessen": Regierung gedachte Befreiung
ABD0024_20160508 - WIEN - ÖSTERREICH: VK Reinhold Mitterlehner im Rahmen des "Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa" am Sonntag, 8. Mai 2016 im Bundeskanzleramt in Wien. - FOTO: APA/HERBERT P. OCZERET
Mitterlehner nahm auch auf aktuelle Geschehnisse Bezug: Mit Blick auf die Flüchtlingsbewegungen warnte der Vizekanzler vor einer Polarisierung der Gesellschaft. Denn diese habe zu einer der größten Menschenrechtsverletzungen der Geschichte geführt. "Diese Gefahr haben wir auch heute noch." Daher gelte es, zu lernen, miteinander zu leben, nicht gegeneinander, bemühte er ein Zitat des CDU-Politikers Richard von Weizsäcker.

Der ÖVP-Chef unterstrich auch die friedensstiftende Funktion der Europäischen Union: "Nationalismen sind gefährlich, sie sind Grundlage für Auseinandersetzungen und Krieg." Die EU sei ein "Friedenskonzept", das "Gegenkonzept zum Krieg". Doch drohe Europa derzeit auseinanderzubrechen, es bestehe die Gefahr, dass die Mitgliedsstaaten nicht solidarisch, sondern nationalistisch agieren. Mit Blick auf die EU-Austrittsbestrebungen Großbritanniens sagte Mitterlehner, es gehe "nicht darum, auszutreten, sondern miteinander zu arbeiten." Und er nahm auch auf aktuelle Aussagen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Bezug, der jüngst für eine Wiedervereinigung von Süd- und Nordtirol eingetreten war: "Es ist nicht die Frage, ob sich Südtirol und Nordtirol zusammenschließen. Es geht nicht um Zusammenschließen, es geht um Zusammenleben."

Zeitzeuge

Der zu einem Festreferat geladene Zeitzeuge und Holocaust-Überlebende Rudolf Gelbard erinnerte unter anderem an die Verhaftungswellen und Ermordungen zu Beginn der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich. Auch er betonte die Notwendigkeit, aus der Geschichte zu lernen: "Wir Überlebende sind nicht nur den Toten verpflichten, sondern auch den kommenden Generationen. Wir müssen die Erfahrungen weitergehen, damit sie daraus lernen können. Information ist Abwehr, die Überlebende müssen wie Seismografen sein, sie müssen die Gefahr früher als ander wittern, in ihren Konturen erkennen und aufzeigen. Sie haben nicht das Recht, sich ein zweites Mal zu irren und für harmlos zu halten, was in einer Katastrophe münden kann", sagte er.

FPÖ und Grüne warnen vor Extremismus

Vertreter der Opposition haben den Gedenktag zum Anlass genommen, vor Extremismus zu warnen. So verurteilten sowohl FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache als auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Sonntag in Aussendungen etwa jegliche Art von Antisemitismus. Auch die beiden Präsidentschaftskandidaten äußerten sich.

"Angesichts der furchtbaren Verbrechen des NS-Regimes kann es nur Entsetzen und eine klare Verurteilung geben", meinte Strache anlässlich des 71. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs. Diese "grauenhaften Untaten" dürften sich nie wiederholen, ebenso wenig dürfe es hier eine Relativierung geben. Man müsse allen totalitären und extremistischen Tendenzen, "egal ob diese von politischer oder von religiös-fundamentalistischer Seite" kämen, entschieden entgegenwirken. Strache lehnte auch "jedwede Art von Antisemitismus" ab und bekannte sich zum Existenzrecht Israels und "dessen Recht auf Selbstverteidigung".

"Für die gesamte Grüne Bewegung ist der 8. Mai ein Freudentag", stellte Glawischnig klar - "doch heute erstarken erneut Hass und Hetze in einem mehr als alarmierenden Ausmaß in ganz Europa und auch in Österreich und treiben die Spaltung der Gesellschaft voran". Die grüne Bundessprecherin verwies auf den Anstieg rechtsextrem motivierter Delikte im vergangenen Jahr. Die Zahl antisemitischer Vorfälle habe noch stärker zugenommen. Glawischnig: "Alle politischen Kräfte sollten antidemokratischen Tendenzen entschieden entgegentreten."

Van der Bellen und Hofer äußerten sich

Der von den Grünen unterstützte Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen dankte anlässlich des Jahrestages den Alliierten für die Befreiung Europas und Österreichs vom NS-Verbrecherregime. "Österreich hat seither viele Krisen gemeistert, weil es das Gemeinsame vor das Trennende gestellt hat", betonte er. Demokratische Grundwerte müssten aber immer wieder aufs Neue verteidigt werden.

Der freiheitliche Konkurrent bei der Wahl zum Bundespräsidenten, Norbert Hofer, hatte sich bereits tags zuvor zum 8. Mai geäußert. In der "Kleinen Zeitung" stellte er für sich klar: "Dass der Weltkrieg aus ist und Österreich von der Nazidiktatur befreit wurde, ist natürlich ein Tag der Freude. Krieg selbst ist nie ein Grund zur Freude, weil es bei jedem Krieg unzählige Opfer gibt. Das Ende des Kriegs ist natürlich ein Tag, den man positiv begeht."

Es ist ein dünnes rosafarbenes Papier, ein Telegramm-Formular mit einer aufgeklebten Telex-Nachricht auf beiden Seiten. Großadmiral Karl Dönitz, nach Adolf Hitlers Suizid am 30. April 1945 letztes Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches, schickt es von seinem provisorischen Regierungssitz in der Marinebasis Flensburg-Mürwik ab. Adressiert ist es an den Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Generalfeldmarschall Robert von Greim.

Dönitz informiert darin offiziell über die Kapitulation Deutschlands: "Am 7. Mai 1945 0241 Uhr ist gesamte Kapitulation durch Oberkommando der Wehrmacht fuer alle Streitkraefte zu Lande, zu Wasser und in der Luft an Oberkommando der Alliierten Expeditionsstreitkraefte und gleichzeitig an sowjetisches Oberkommando unterschrieben."

Kapitulation Deutschlands

Dönitz ordnete an, dass "mit dem 9. Mai 1945 0100 Uhr deutscher Sommerzeit jede aktive Kampftaetigkeit einzustellen" sei. Die knapp zweitägige Frist bis zum Eintreten der Waffenruhe war das einzige Zugeständnis, das die provisorische Reichsregierung dem US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower hatte abringen können. Dönitz wurde ein knappes Jahr später beim Nürnberger Prozess zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Er büßte die Strafe vollständig ab und verstarb 1980 im Alter von 89 Jahren.

Heute vor 71 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Deutschland unterzeichnete nach fast sechs Jahren Krieg die bedingungslose Kapitulation. Alleine in Europa starben mindestens 45 Millionen Menschen. Die größten Opfer verzeichneten die Sowjetunion (27 Millionen Tote), Deutschland (sieben Millionen), Polen (fünf Millionen) und Jugoslawien (1,5 Millionen). Durch die Massenverbrechen der Nationalsozialisten kamen sechs Millionen Juden, 200.000 Roma, 3,3 Millionen Kriegsgefangene, 3,3 Millionen Zwangsarbeiter und tausende nichtjüdische KZ-Häftlinge ums Leben.

1939

01.09: Deutschland greift Polen ohne vorherige Kriegserklärung an. Adolf Hitler hält vor dem deutschen Reichstag eine Rede, sie gipfelt in den Worten: "Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen. Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten!" (Tatsächlich begann der Angriff bereits um 4:45 Uhr).

03.09: Frankreich und Großbritannien erklären Deutschland den Krieg, bleiben aber vorerst passiv.

10.09: Kanada erklärt Deutschland den Krieg, zuvor haben sich mehrere Staaten zur Neutralität deklariert.

17.09: Sowjetische Truppen marschieren in Polen ein.

28.09: Polen kapituliert und durch den deutsch-sowjetischen Freundschaftsvertrag geteilt.

8.11: Das Bombenattentat des Widerstandskämpfers Georg Elsersauf auf Hitler im Bürgerbräukeller in München scheitert.

1940

9.04: Deutschland besetzt die neutralen Länder Dänemark und Norwegen ohne Kriegserklärung. Norwegen kapituliert am 10.04.

10.05: Beginn eines "Blitzkrieges", durch den Belgien, die Niederlande und Frankreich unterworfen werden. Paris wird am 14.06. kampflos eingenommen. Bei Dünkirchen retten sich 340.000 britische Soldaten über den Ärmelkanal.

13.08: Hitler beginnt Luftschlacht um England.

27.09: Deutschland, Italien und Japan unterzeichnen den Dreimächtepakt, nach vorangegangenen Bündnissen Achse Berlin-Rom und Antikominternpakt (beide 1936) sowie Stahlpakt (1939).

November: Rumänien, Ungarn und die Slowakei treten dem Dreimächtepakt bei.

1941

Februar: NS-General Erwin Rommel beginnt den Afrikafeldzug

1.03: Bulgarien tritt dem Dreimächtepakt bei.

06.04: Wehrmacht marschiert in Jugoslawien und Griechenland ein.

22.06: Beginn des "Unternehmen Barbarossa", bei dem die Wehrmacht mit drei Millionen Soldaten in die Sowjetunion einfällt. Schneller Vormarsch wird mit Einbruch des Winters gestoppt.

14.08: US-Präsident Franklin D. Roosevelt und Großbritanniens Premier Winston Churchill verkünden mit Atlantikcharta gemeinsame Kriegsziele.

07.12: Japan greift den US-amerikanischen Marinestützpunkt in Pearl Harbor an, gefolgt von deutscher Kriegserklärung an die USA am 11.12..

1942

20.01: Auf der Wannseekonferenz wird "Endlösung der Judenfrage" beschlossen.

Juni: Niederlage in der Seeschlacht von Midway leitet Ende der japanischen Überlegenheit in Ostasien ein.

23.10: Britische Gegenoffensive bei El Alamein zwingt das Afrika-Korps, das bereits weniger als 100 Kilometer vor Alexandria gestanden hatte, zum Rückzug.

22.11: Die 6. Armee der Wehrmacht wird von sowjetischen Truppen bei Stalingrad eingeschlossen.

1943

31.01: Schlacht um Stalingrad endet mit Kapitulation der 6. Armee. 90.000 Mann der 6. Armee gehen in Gefangenschaft.

13.05: Mit Kapitulation endet der Afrikafeldzug der Achsenmächte. Rund 250.000 Deutsche und Italiener kommen in Kriegsgefangenschaft.

19.04: Beginn des Aufstands im Warschauer Ghetto, der nach wochenlangen Kämpfen am 16.05 endgültig zusammenbricht.

24.05: Der deutsche U-Boot-Krieg gegen Geleitzüge im Nordatlantik wird aufgrund großer Verluste abgebrochen.

11.06: Die Alliierten beginnen mit einem Angriff auf Düsseldorf die auf der Konferenz von Casablanca (14.-24.01.) beschlossenen Flächenbombardements deutscher Städte.

9./10.07: Landung britischer und amerikanischer Truppen auf Sizilien, anschließend Sturz Mussolinis.

03.09: US-amerikanische Truppen landen auf italienischem Festland, Italien schließt sich den Westmächten an und erklärt am 13.10. Deutschland den Krieg;

28.11: Beginn Konferenz der "Großen Drei" in Teheran zur Planung militärischer Ziele und Neuregelung Nachkriegseuropas.

1944

06.06: Landung der Alliierten in der Normandie.

20.07: Das Attentat Stauffenbergs auf Hitler schlägt fehl.

Dezember: Letzte Offensive der Wehrmacht scheitert in den Ardennen. Bereits am 21.10. haben die Amerikaner als erste Großstadt Aachen besetzt.

1945

27.01: Auschwitz wird von der Roten Armee befreit.

13./14.02: Die deutsche Dresden wird von den Alliierten angegriffen.

05.-11.02: Jalta-Konferenz legt unter anderem Entmilitarisierung und Reparationszahlungen für Nachkriegsdeutschland fest.

29.03: Sowjetischen Truppen erreichen Österreich. Die Westalliierten betreten erst einen Monat später, am 28. April, in Tirol Österreich.

5.04: Beginn der Schlacht um Wien, das am 13. 04 befreit wird.

20.04: Mit Artilleriebeschuss beginnen insgesamt 2,5 Millionen sowjetische Soldaten den "Sturm auf Berlin".

27.04: In Wien proklamiert die provisorische Staatsregierung die "Wiederherstellung der Republik Österreich".

29.04: Konstituierende Sitzung der Regierung Karl Renner.

30.04: Hitler begeht Selbstmord in Berlin. Sein Nachfolger wird Admiral Dönitz.

03.05: Die ersten US-Truppen erreichen Innsbruck.

04.05: US-Truppen besetzen Salzburg.

05.05: Als letztes Konzentrationslager des Naziregimes wird Mauthausen in Oberösterreich von alliierten Truppen befreit. Die 7. US-Armee rückt in Linz ein.

08.05: Die deutsche Wehrmacht kapituliert bedingungslos.

09.05: Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht tritt an allen Fronten in Europa in Kraft.

22.06: Die letzten Verteidiger der zum japanischen Mutterland gehörenden Insel Okinawa ergeben sich.

06.08: USA werfen erste Atombombe auf Hiroshima, gefolgt von zweiter Bombe am 09.08. auf Nagasaki.

02.09: Japan kapituliert.

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