"Nie wieder ist jetzt": Gedenken an Novemberpogrome im Parlament
Die Gedenkveranstaltung anlässlich der Novemberpogrome im Parlament ist am Donnerstag ganz im Zeichen des Nahostkonfliktes gestanden. "In diesen Tagen ist das 'nie wieder' jetzt", erklärte Gastgeber Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der den Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel Anfang Oktober in seiner Begrüßungsrede verurteilte. Mit Standing Ovations wurde der 95-jährige Zeitzeuge Benno Kern begrüßt.
Abgeordnete, aber auch Zeitzeugen und Vertreter der jüdischen Gemeinde nahmen am Donnerstagabend am Gedenken an die Pogromnacht auf den 10. November 1938 teil. Vor 85 Jahren wurden unter anderem Synagogen in Österreich in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Juden und Jüdinnen misshandelt. Der 9. November 1938 und der 7. Oktober 2023 hätten eines gemeinsam - die Präsenz eines Aggressors, der die Juden weltweit vernichten wolle, sagte Sobotka. Habe es sich damals um Hitler und seine Schergen gehandelt, so sei es nun die Hamas.
"Nie wieder" wurde gebrochen
Das Versprechen "nie wieder" sei vor 33 Tagen erneut gebrochen worden, meinte auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch. Es handle sich dabei um das schlimmste Verbrechen an den Juden seit 1945. Mit der Shoah könne man den Angriff nicht gleichsetzen, eine Shoah sei aber das Ziel der Hamas, warnte er und betonte Israels Rolle als "Lebensversicherung" für Juden. Amir Ohana, Präsident der israelischen Knesset, nannte den 7. Oktober eine weitere Kristallnacht. In einer Videogrußbotschaft bedankte er sich für die Veranstaltung und den österreichischen Kampf gegen den Antisemitismus.
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Parlament solidarisiert sich mit Israel
Sobotka stellte sich abermals auf die Seite Israels und forderte die Freilassung der Geiseln. Die Terroristen der Hamas seien für Opfer sowohl in Israel wie auch im Gazastreifen verantwortlich, allen zivilen Opfern "gilt unser Mitgefühl". Schwer verständlich sei es, dass sich Juden nun auch in Österreich Sorgen um ihre Sicherheit machen müssen, betonte Sobotka die Wichtigkeit des Kampfes gegen Antisemitismus.
Eindrücklich aus erster Hand erzählte der Auschwitz-Überlebende Benno Kern von den Novemberpogromen. So seien am 10. November 1938 etwa Direktor und Lehrkräfte der jüdischen Talmud-Thora-Schule in Wien blutig geschlagen, Thorarollen auf der Straße aufgerollt und ein Scheiterhaufen im Hof angezündet worden.
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Durch virtuelle Rekonstruktionen konnten sich Teilnehmer außerdem ein Bild der 1938 zerstörten Synagogen in Österreich machen.
Anwesend waren Mitglieder aller Parteien - neben den Regierungsmitgliedern Vizekanzler Werner Kogler, Justizministerin Alma Zadić (beide Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) auch die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) und der Bischofskonferenz-Vorsitzende Franz Lackner.
Das Gedenken an die gewalttätigen Übergriffe auf Jüdinnen und Juden vor 85 Jahren prägte auch den restlichen Tag. Am Vormittag legten die Regierungsspitze sowie Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Kranz an der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte im Wiener Ostarrichipark nieder, am Abend lädt die jüdische Jugend der IKG Wien zum Gedenkmarsch "Light of Hope".
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