Finanzminister zu Gewinnabschöpfung: "Bevölkerung etwas zurückgeben"

Magnus Brunner hält nichts von einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel. Den umstrittenen Vorstoß des Bundeskanzlers zur Gewinnabschöpfung börsennotierter Energiefirmen verteidigt er.

Pandemie, Krieg und Inflation: Selbst für einen ÖVP-Finanzminister hat da ein ausgeglichener Haushalt nicht mehr oberste Priorität. 2026/27 hofft Magnus Brunner aber dennoch, dieses Ziel zu erreichen. Im Club 3 von KURIER, Krone und Profil nimmt er außerdem zu Steuerreform, Gaspreis, Sanktionen und dem Vorarlberger Wirtschaftsbund Stellung.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat Ihnen wohl Kopfzerbrechen beschert, indem er kürzlich von einer Gewinnabschöpfung beim Verbund sprach. Seither ist die Aktie auf Talfahrt. Wie kann man das wieder einfangen?

Magnus Brunner: Er hat die Situation dargestellt, wie sie ist: Wir haben die Verknüpfung zwischen Gaspreis und Strompreis und das Merit-Order-System*. Es sind jetzt Gewinne bei Stromkonzernen gegeben, die nicht so gedacht waren. Das muss man hinterfragen, und das hat Nehammer gemacht.

Club 3 mit Magnus Brunner, BM für Finanzen

Die ÖVP war einmal eine Wirtschaftspartei. Warum so ein derartiger Eingriff in das Recht von Aktionären?

Die ÖVP ist eine Wirtschaftspartei, daran hat sich nichts geändert. Aber in so einer außergewöhnlichen Situation muss man etwas tun und der Bevölkerung auch etwas zurückgeben.

Das Merit-Order-System ist eine EU-Regelung – wird es da einen Vorstoß geben?

Ja, man kann bei den Energieministern dringend darüber sprechen. Das hilft akut leider nicht.

Die ökosoziale Steuerreform ist unter großem PR-Aufwand kommuniziert worden. Inzwischen ist die Inflation stark gestiegen. Müsste es daher nicht weitere Maßnahmen geben, etwa eine Senkung der Lohnnebenkosten?

Vor einigen Monaten war ich für die Steuerreform, auch weil man Schwerpunkte setzen kann in Richtung Ökologisierung und Digitalisierung. Mittlerweile weiß man, dass die Inflation doch nicht nur kurzfristig hoch ist, sondern mittel- bis langfristig. Dadurch hat sich auch mein Zugang verändert. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist ein Thema, aber auch strukturelle Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression.

Finanzminister Brunner über Kanzler Nehammer und Gaspreise

Die Steuerreform kostet 18 Milliarden Euro, die Abschaffung der kalten Progression 11 Milliarden, das Pflegepaket eine Milliarde. Wie soll man das alles finanzieren?

In herausfordernden Zeiten sind solche Maßnahmen notwendig, um wieder Wachstum zu generieren und die Kaufkraft anzukurbeln. Aus den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind wir hervorragend herausgekommen, das Defizit war wesentlich geringer als geplant, und das hauptsächlich aufgrund der höheren Einnahmen. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation eingetrübt.

Club 3 mit Magnus Brunner, BM für Finanzen

In welchem Jahr werden wir wieder einen ausgeglichenen Haushalt haben?

Ursprünglich wollten wir 2025 wieder in Richtung eines ausgeglichenen Budgets kommen. Unser Ziel ist, das ein bis zwei Jahre später zu erreichen.

Wir wissen nicht, ob weiter russisches Gas kommt. Gäbe es im Notfall spezielle Hilfen für besonders energieintensive Industriezweige?

Wir haben die Energieabgabe um 90 Prozent gekürzt, die Ökostrom-Pauschale und den Förderbetrag auf null gesetzt. Das hilft gerade der Industrie sehr, aber auch den privaten Haushalten. Wir sind sehr abhängig vom Gas, besonders vom russischen Gas zu 80 Prozent. Deswegen sind wir bei den Sanktionen sehr zurückhaltend. Die Frage ist: Treffen sie einen selber mehr, als den, den es treffen soll? Beim Öl ist es einfacher, weil wir nicht so eine Abhängigkeit wie beim Gas haben.

Club 3: Finanzminister Brunner über Steuerreform, erneuerbare Energie und CO2-Preis

Wir haben eine KURIER-Meinungsumfrage von OGM über Anti-Teuerungsmaßnahmen. 44 Prozent wünschen sich eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer. Weitere Forderungen: Steuersenkung auf Energie und Treibstoffe, Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel, Sozialleistungen der Inflation anpassen und Zuschüsse an Einkommensschwächere…

Das sind weitgehend die Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben. Wir entlasten die Menschen mit vier Mrd. Euro zusätzlich zur Steuerreform. Eine Mehrwertsteuersenkung bei Lebensmitteln halte ich hingegen nicht für sinnvoll. Die Konzerne würden das wahrscheinlich nicht so weitergeben. Außerdem profitieren die, die mehr und teurere Lebensmittel einkaufen, also eher die Besserverdiener, mehr. Nicht alles, was populär klingt, ist sinnvoll.

Club 3 mit Magnus Brunner, BM für Finanzen

Die WKStA ermittelt gegen den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner. Sie werden als möglicher Nachfolger genannt – haben Sie eine Haltung dazu?

Ja, habe ich, und die Haltung ist klar, dass ich gerne Finanzminister bin und bleibe.

Sie waren auch im Wirtschaftsbund tätig. Wallner tut so, als hätte er damit nichts zu tun…

Markus Wallner hat mein Vertrauen. Der Vorarlberger Wirtschaftsbund hat aber in den letzten Wochen kein schönes Bild abgegeben. Darüber bin ich als Mitglied, muss ich ehrlich sagen, auch nicht erfreut. Natürlich muss das aufgearbeitet werden. 

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