Die „Wiener Konferenz“ fand – nach der Premiere im November 2022 – zum zweiten Mal statt. Es handelt sich dabei um eine Art „kleinen Parteitag“, der allerdings nicht medienöffentlich ist. Die Idee dahinter ist, programmatische Debatten in einem informelleren, weniger protokollarischen Rahmen abseits des medialen Scheinwerferlichts führen zu können. Auch die Teilnehmerzahl ist mit rund 400 Delegierten deutlich niedriger als bei einem offiziellen Parteitag, dem freilich Personalentscheidungen vorbehalten bleiben.
„Unser Bildungssystem muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen“, formulierte Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, in einer Aussendung zum Vorstoß der Wiener Parteifreunde. „Wer mindestens 12 Jahre lang alle Prüfungen bestanden hat, braucht keinen finalen Entscheidungstag. Im Gegenteil, SchülerInnen sollen beweisen können, dass sie das über die Jahre gelernte auch wirklich anwenden können. Wir schlagen vor, die Matura durch praxisorientierte Projektarbeiten zu ersetzen.“ Ins selbe Horn stieß Wiens Bürgermeister Michael Ludwig: „Es geht darum, dass die punktuelle Wissensabfrage, so wie sich die Matura derzeit präsentiert, für die Lösung der Zukunftsfragen nicht mehr geeignet ist.“ Bildungsdirektor Heinrich Himmer sekundierte mit Blick darauf, dass Universitäten oft eigene Aufnahmeprüfungen hätten, man müsse fragen, „was ist das für ein Wert eines Abschlusses, der in Wirklichkeit in vielen Bereichen nicht diese Zugangsberechtigung erbringt wie vielleicht vor 20 oder 30 Jahren“. Und Bildungssprecherin Nicole Berger-Krotsch fügte ein bekanntes Versatzstück aus der SP-Bildungsdebatte hinzu: „Wir wollen eine angstfreie Schule, wir wollen den Leistungsdruck von den Kindern weghaben.“
Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktoren Österreichs, meinte dazu gegenüber dem KURIER: „Die Forderung der Wiener SPÖ nach Abschaffung der Matura ist für mich unverständlich, auch vom Zeitpunkt her. Die Reifeprüfung ist der krönende Abschluss einer Schulkarriere.“ Und gegen die Kritik an der angeblichen Praxisferne der Matura wendet sie ein: „Im Mittelpunkt stehen heutzutage die Anwendung des Wissens und Reflexion über das Gelernte, mit vielfachen Bezügen zur Gegenwart.“ Nicht zuletzt seien „Stolz, Anerkennung und Erfahrungen“, welche für das Leben rüsteten, der „Lohn der Anstrengung“, so Zins abschließend.
Polaschek: „Hirngespinste“
Ablehnend auch die Reaktionen von ÖVP und FPÖ: Bildungsminister Martin Polaschek sprach von „Hirngespinsten linker SPÖ-Träumer“ und betonte, die Reifeprüfung sei „ein entscheidender Meilenstein“ für die Schüler. Auch für die Beibehaltung der Schulnoten sprach sich der Minister aus. VP-Generalsekretär Christian Stocker sah in dem „Mini-Parteitag der Wiener SPÖ […] einen massiven Angriff auf unser Bildungssystem, denn die Sozialdemokratie will offenbar, dass unsere Kinder nichts mehr lernen“ und erteilte der „Gleichmacherei“ eine „klare Absage“.
FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl warnte vor „Unfug aus dem linken Anti-Leistungsfundus der SPÖ“. „Die SPÖ will offensichtlich eine Schule ohne Leistung und aus Jugendlichen unmündige und bildungsferne Bürger machen, damit sie ihrer dummen Politik auf den Leim gehen“, verlautete der Wiener FP-Klubobmann Maximilian Krauss.
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