Fast vierzig Prozent der Grün-Wähler von 2019 kreuzten bei der Nationalratswahl 2024 etwas anderes an. Zwei Wochen später, bei der Vorarlberger Landtagswahl 2025, war es jeder dritte Grün-Wähler, der nicht mehr für die Partei von Vizekanzler Werner Kogler stimmte. Und zuvor bei der EU-Wahl im Juni verloren sie 20 Prozent ihrer Wähler.
Wie sollen die Grünen in ihren Gremien die Wahlniederlagen verdauen? Politik-Berater Thomas Hofer sieht vorerst kein Licht am Ende des Tunnels: „Natürlich sind die jetzt im Jammertal, schließlich droht mit dem Ende der Koalition in Vorarlberg jetzt der lange Gang in die Opposition. Aus grüner Sicht ist das sicher tragisch – und vielleicht auch unverdient.“
Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, erklärt sich das schlechte Abschneiden auch mit einer veränderten Themenlage. „Obwohl für mich in der Bundespolitik schon bemerkenswert war, dass die Grünen mit ihren nur knapp 14 Prozent gegen die 37,5 Prozent der Volkspartei von 2019 in einem überproportionalen Ausmaß die Regierungsarbeit bestimmt haben. Sie haben jedenfalls nicht wie der kleine Juniorpartner in der Koalition gewirkt und haben aus meiner Sicht viel mehr bewegt als die Türkisen.“ Aber woher dann das schlechte Wahlergebnis? Da hätten die Grünen das Schicksal aller Regierenden erleiden müssen: „Wer regiert, verliert“, sagt Bachmayer.
Andere Bedürfnisse der Bevölkerung
Und das grün dominierte Klimathema sei zwar noch vor zwei Jahren bei den Bürgern ein bestimmendes gewesen, aber jetzt seien die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung eben andere. Politikberater Hofer sieht das ähnlich. „Die Grünen wurden soeben und nicht zum ersten Mal Opfer ihres Erfolges.“ Hofer erinnert an die Wiener Landtagswahl von 2015. Als kleiner Koalitionspartner mit der mächtigen Wiener SPÖ hätten sie diese in der Regierung thematisch lange unter Druck gesetzt, mit Themen wie Fußgängerzone in der Mariahilferstrasse, 365-Euro-Öffi-Ticket oder Parkpickerl. „Im Wahlkampf inszenierten die Roten dann aber einen Zweikampf um Wien zwischen der SPÖ und der FPÖ. Dabei gab es am Ende keinen Zweikampf, sondern einen Abstand von fast zehn Prozent, doch viele Grünwähler hatten SPÖ gewählt, genau so wie jetzt bei der Nationalratswahl.“
Hofer sieht aber auch eine deutlich andere Themenkonjunktur: 2019 waren die „Fridays for Future“-Demos überall riesig und sehr positiv besetzt, zudem gab es die „Comeback“-Erzählung, nachdem die Grünen 2017 mit nur 3,8 Prozent aus dem Parlament geflogen waren. Jetzt aber hätten die Klimakleber das Thema übernommen, und das war in breiten Teilen der Bevölkerung eindeutig negativ besetzt.
Hofer sieht ein Trostpflaster für die Grünen in der Opposition: Die Arithmetik im Nationalrat führe dazu, dass bei allen großen Reformen einer möglichen ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition die Grünen für die Zweidrittelmehrheit benötigt werden. „Also werden sie wichtiger sein, als das die Neos seit 2019 in der Opposition waren.“
Was auch klar ist: Beim Bundeskongress der Grünen im Frühjahr 2025 wird Parteichef Kogler wohl eine ordentliche Hofübergabe machen – müssen. Wer ihm nachfolgen wird, das steht nicht fest.
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