Nationalrat beschließt Handelsabkommen CETA

Der Abgeordnete Christian Kovacevic (SPÖ) mit einem Schild zu CETA im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates 2018. (Symbolbild)
Teile der Opposition sprachen sich für eine Volksabstimmung aus, der diesbezügliche Antrag wurde abgelehnt.

Die Ratifizierung des umstrittenen transatlantischen Handelsabkommens CETA hat im Nationalrat für kontroverse Debatten mit vertauschten Rollen gesorgt. Die SPÖ warf der FPÖ "Verrat" an Wählern und Demokratie vor und beantragte eine Volksabstimmung über CETA. Die FPÖ wies die Kritik zurück, unterstellte der SPÖ selbst einen "Zick-Zack-Kurs" bei CETA und betonte die "staatspolitische Verantwortung". Der Antrag auf eine Volksabstimmung wurde abgelehnt.

Was heute im Parlament geschehe sei "Verrat", erklärte der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried. Der frühere Minister sprach von "Verrat an den Wählerinnen und Wählern der FPÖ - Verrat am gerechten Österreich - Verrat an der parlamentarischen Demokratie". Mit einer am Rednerpult in Szene gesetzten Schautafel wies Leichtfried darauf hin, dass Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Opposition noch größter CETA-Kritiker war und eine Volksabstimmung über den Handelspakt zwischen der EU und Kanada gefordert hatte. "Strache ist mit dieser Haltung krachend umgefallen", so Leichtfried.

Gegen Schiedsgerichte und Investoren-Tribunale

Die SPÖ sei für freien Handel, stehe aber gegen Schiedsgerichte und Investoren-Tribunale. Handelsabkommen wie CETA würden vor allem großen Konzernen helfen. Die SPÖ stellte deshalb im Nationalrat einen Antrag für eine Volksabstimmung über CETA. Die SPÖ-Abgeordneten hielten dazu passend Taferl mit der Aufschrift "CETA", "Volksabstimmung", "Jetzt" in die Höhe.

ÖVP und FPÖ hielten den Sozialdemokraten in der Debatte vor, selbst einen "Zick-Zack-Kurs" in Sachen CETA zu fahren. Die Nationalratswahl und der Wechsel von SPÖ-ÖVP zu ÖVP-FPÖ haben bei CETA zu einem Rollentausch geführt. Die FPÖ muss nun laut Regierungsübereinkommen für CETA sein, die SPÖ, die CETA unter ihrem Ex-Kanzler Christian Kern in Brüssel noch mitgetragen hat, ist nun dagegen. Der ÖVP-Abgeordnete Peter Haubner erinnerte denn auch an ein Zitat von SPÖ-Chef Christian Kern aus seiner Zeit als Bundeskanzler. "CETA ist das beste Abkommen, das die EU je verhandelt hat", meinte Kern noch 2016. In der CETA-Debatte am Mittwoch meldete sich Kern nicht zu Wort, auch den Griff zum Taferl ließ der SPÖ-Chef andere machen.

Meinungswandel der FPÖ

Der FPÖ-Abgeordnete Axel Kassegger versuchte im Parlament den Meinungswandel in der FPÖ zu erklären. Auch die Freiheitlichen stünden Schiedsgerichten kritisch gegenüber, und eine Volksabstimmung sei politischer Wunsch gewesen. Die ÖVP habe aber in den Koalitionsverhandlungen auf CETA bestanden. Die Alternative wäre ein unregierbares Land oder die Fortsetzung der Stillstandsregierung gewesen. Es handle sich also nicht um Verrat, sondern um die "Wahrnehmung von staatspolitischer Verantwortung für dieses Land", so Kassegger. Man habe die "Krot gefressen - CETA hätten wir mit der SPÖ sowieso bekommen".

Johann Gudenus verkündete, "warum wir mit gutem Gewissen dafür stimmen". Es habe zwei klare Wahlgewinner gegeben, ÖVP und FPÖ. Bei den Regierungsverhandlungen habe sich gezeigt, dass CETA ein "dringender Wunsch" der ÖVP war. "Regierungsverhandlungen sind ein Kompromiss", nur darum gebe es jetzt "die beste Regierung, die Österreich je hatte."

Kritik am Handelsabkommen kam auch von der Liste Pilz. CETA sei kein faires Abkommen, sondern gleiche einem Knebelvertrag, weil es Schiedsgerichte beinhalte, so Bruno Rossmann. Auch Rossmann warf der FPÖ einen "Bauchfleck" vor. Anders die NEOS, die sich für freien Handel aussprechen und neben ÖVP und FPÖ die Ratifizierung unterstützen werden. Claudia Gamon sah bei der SPÖ "populistische Reden" und einen "Kniefall" vor jener Lobby, die in der Handelspolitik in die Steinzeit zurück wolle.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) wies im Parlament auf die positiven Effekte des Handelsabkommens hin. Kanada sei achtwichtigster Exportpartner Österreichs, CETA sei deshalb wichtig für den heimischen Wirtschaftsstandort. In Sachen Schiedsgerichte warf sie SPÖ und Liste Pilz falsche Behauptungen vor. "Es gibt keine Schreckgespenster Schiedsgerichte", sagte Schramböck. Tatsächlich ist im CETA-Abkommen nicht das bisher gängige Schiedsgericht vorgesehen, sondern ein neuer Investitionsgerichtshof mit auf fünf Jahre bestellten Richtern, die zu je einem Drittel von Kanada und Europa ausgewählt werden und zu einem weiteren Drittel mit Unabhängigen besetzt werden.

Zwischenbilanz zu Türkis-Blau

Am Beginn der Sitzung stand eine "aktuelle Stunde" auf dem Programm, den Titel "Neue Regierung, alte Politik: Freunderlwirtschaft statt Gerechtigkeit" hat die Liste Pilz vorgegeben.

Peter Pilz (Liste Pilz)

Liste Pilz-Gründer Peter Pilz warf ÖVP und FPÖ eine Politik für Unternehmer wie KTM-Chef Stefan Pierer vor, der im jüngsten Nationalratswahlkampf knapp 440.000 Euro an die ÖVP gespendet hatte. Pierer habe mit der ÖVP ein "neues Geschäftsfeld" entdeckt, das sich für ihn allein durch die Pläne der Senkung des Unfallversicherungsbeitrags bereits nach elf Monaten rechne. "Die ÖVP ist für die da, die sich etwas leisten können", meinte Pilz. Kritik übte Pilz auch an der FPÖ-Rolle. Die einstige "Partei des kleinen Mannes" würde bei der Bagatellisierung von Sozialbetrug oder der Einführung des 12-Stunden-Tages einfach zusehen.

Für die Regierung wies Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) die Kritik zurück. Er verwies auf den "neuen Stil" und die Umsetzung des Regierungsübereinkommens. Die Regierung mache Schluss mit der Schuldenpolitik und habe einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgelegt. Kleine und mittlere Einkommen würden entlastet, man spare im System und nicht bei den Menschen. "Von alter Politik kann also keine Rede sein", so Blümel. Punkto Mindestsicherung betonte der Minister die Regierungslinie, dass diese Hilfsmaßnahme bei der Einführung nie als "soziale Hängematte" gedacht gewesen sei. Durch den "schlechten Vollzug in einigen Bundesländern" sei daraus aber de facto ein bedingungsloses Grundeinkommen geworden.

Verspätete Ordnungsrufe: Debatte um Würde im Parlament

Nachträgliche Ordnungsrufe

Zu Beginn der Stizung hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Johann Rädler (ÖVP) und Wolfgang Zanger (FPÖ) für ihre Attacken gegen Alma Zadic von der Liste Pilz nachträglich Ordnungsrufe erteilt, die sich auf die Sondersitzung am Montag bezogen.

Am Nachmittag gelangt dann ein Dringlicher Antrag der NEOS zum Aufruf, mit dem sie eine Reform der Zentralmatura erreichen wollen.

Jungmayr (ORF) über die CETA-Abstimmung

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