Gerhard Berger über den Raubbau an der Natur in Tirol: "Die Zitrone ist sehr ausgepresst"
Der berühmte Rennfahrer über Motorsport und Klimawandel, seine Heimat Tirol, und was er sich von der Landespolitik wünscht.
24.09.22, 19:00
Wir besuchten Gerhard Berger am Red-Bull-Ring in Spielberg, wo an diesem Wochenende das Deutsche Tourenwagen Masters stattfindet, das er leitet. Der Rennfahrer aus Tirol spricht über Autorennsport in Zeiten des Klimawandels sowie Leid und Freude mit seinem Heimatland Tirol.
KURIER:Herr Berger, das Auto ist wegen des Klimawandels in Verruf geraten. Was ist das Faszinierende am Auto, am Motorsport?
Gerhard Berger: Das Automobil hat immer schon Emotionen geweckt– über das Design, die Technik, die Leistung, das Fahrverhalten und das Image, das man darüber transportiert hat. Als man zu meiner Zeit in die Diskothek gefahren ist, hat das tatsächlich eine Rolle gespielt. Heute lächelt man vielleicht darüber und schüttelt den Kopf. Aber damals war das so: Wenn man sportlich auftreten wollte, ist man auch sportlich gefahren. Und man hat sich Autorennen angesehen – dort findet das Ganze auf professionellem Niveau statt.
Sind Autorennen angesichts des Klimawandels noch zeitgemäß?
Vor dem Auto war das Verkehrsmittel auf der Straße das Pferd. Obwohl wir heute nicht mehr von A nach B reiten, ist der Pferdesport geblieben. Die Begeisterung für diesen Sport ist nach wie vor da. Der Motorsport wird immer in Bezug zum Klimawandel gesetzt. Aber wir sprechen hier von den besten Verbrennungsmotoren, die es gibt und die wenige Stunden herumfahren. Die Klimabelastung ist nahezu null. Was aber sehr wohl eine Klimabelastung ist, ist die gesamte Veranstaltung, die damit verbunden ist. Das ist beim Fußball, Tennis oder Konzert auch so. Ich halte es für falsch, die Diskussion auf dem Rücken des Motorsports zu führen. Vielmehr muss es darum gehen, wie man Großevents klimaschonend organisiert.
Was halten Sie von der Klimaschutzbewegung?
Ich finde die Sensibilität, die in den letzten Jahren entstanden ist, gut und wichtig. Jeder kann und muss im Kleinen wie im Großen seinen Beitrag leisten. Und wir müssen darüber diskutieren, worauf die Gesellschaft verzichten kann, um dem Klimaschutz Rechnung zu tragen. Für die Umwelt wäre das Beste, alles einzustellen. Aber was macht der Bürger, der am Wochenende gern ein Fußballspiel anschauen möchte?
Gibt es in Ihrer Familie auch Debatten über Autos und Klimawandel?
Die gibt es ständig. Meine Partnerin und meine Kinder sind sehr naturverbunden. Trotzdem gibt es im Luxus unseres Alltags jeden Tag Themen, die ich mit einem Lächeln im Gesicht auf den Tisch bringe und frage: Wäre es nicht besser, auf das zu verzichten und die Umwelt zu schonen? Ich merke immer wieder, dass es schwer ist, zu verzichten.
Was meinen Sie zum Beispiel? Was ist so ein Dauerbrenner bei Ihnen?
Der Klassiker: Die Online-Bestellung. Wenn man drei Sachen bestellt, von denen man zwei zurückschickt.
Ihre zweite Leidenschaft ist Ski fahren. Auch die kommt jetzt unter Druck wegen des Klimawandels. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe die ganze Welt gesehen. Oft muss ich den Kopf schütteln, wenn ich sehe, dass bei uns vor der Haustüre ein Lift nach dem anderen entsteht. Es werden ganze Berge umgebaut und Wälder abgetragen, um für den nächsten Lift Platz zu machen. Ich sage das ungern, weil ich weiß, dass mein Land vom Tourismus lebt und viele darauf angewiesen sind. Gleichzeitig muss ich sagen, die Zitrone ist so ausgepresst, dass mir das Herz wehtut. Und dann gehöre ich zu denen, die das sehen und leiden – und im gleichen Atemzug mit Genuss den Lift benutzen.
Jetzt sollen zu den Liftstützen Windräder dazukommen.
Momentan bauen wir die Berge um, damit Platz für die Teiche zur Schneeerzeugung ist. Es gibt kaum mehr einen Hügel ohne Schneeteich, die zum Teil sehr lieblos in die Landschaft geklatscht werden. Wenn man dann wenigstens im Sommer einen Teich zum Schwimmen hätte! Und jetzt noch Windräder? Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist.
Tirol hat sich in letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckert. Muss das Land um sein Image bangen?
Ich stehe seit 40 Jahren in der Öffentlichkeit und sehe das politisch neutral. Daher will ich auch nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Tirol ist ein wunderschönes Land und wir haben ein extrem wertvolles Gut in unserer Hand. Ich möchte jeden, egal, welcher Partei oder welcher Landeshauptmann es wird, unterstützen, der dieses Gut sinnvoll schützt.
Sie hatten berühmte Freunde wie George Harrison von den Beatles, der kurz vor seinem Tod einige Wochen bei Ihnen in Söll verbracht hat. Was war das Verbindende zu Berühmtheiten aus anderen Sparten wie zum Beispiel zu Musikern?
Wir hatten Spaß an ganz einfachen Sachen, haben gerne miteinander gelacht. Wenn George bei uns war, habe ich nicht einmal Fotos gemacht. Das war der Grund für so manche Freundschaft: Normale Dinge zu tun, bei denen man nicht dauernd von Fotografen verfolgt wird.
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