Mit Raumfahrt-Technologie und Apps gegen den Hunger
Mit klobigen Reifen arbeitet sich das kastenförmige Gefährt durch unwegsames Terrain, holpert über Gesteinsbrocken, rote Erde wirbelt auf. Später rattert SHERP, so der Name des von der deutschen Raumfahrtbehörde mitentwickelten Fahrzeugs, durch meterhohes Gebüsch und tiefes Wasser – und kommt selbst hier problemlos weiter.
Im afrikanischen Binnenstaat Uganda wird nicht für eine neue Mars-Mission trainiert, wie man denken könnte, sondern für moderne Nahrungsmittelhilfe.
SHERP kommt zum Einsatz, wo für LKW kein Durchkommen mehr ist – sei es etwa durch Erdbeben oder Überflutungen. Zu einem Bruchteil der Kosten, die Helikopter-Einsätze verursachen würden.
Hinter dem Projekt, das bereits im Südsudan, in Mosambik und Kenia umgesetzt wird, steht der Friedensnobelpreisträger des heurigen Jahres, der am Donnerstag in Oslo ausgezeichnet wird: das World Food Programme (WFP).
Seit Jahrzehnten bekannt für seine ausgeklügelte Logistik, versorgt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen jährlich rund 100 Millionen Menschen mit Nahrung.
Weniger bekannt als große Hilfsaktionen, aber ebenso bedeutend, sind die zahlreichen technologischen Innovationen, die das allein durch Spenden finanzierte WFP vorantreibt, um den Hunger in der Welt nachhaltig zu bekämpfen.
Wie nötig das ist, macht Dominik Heinrich vom WFP im KURIER-Gespräch klar. Zwischen 1990 und 2019 sei die Zahl der hungernden Menschen von jährlich einer Milliarde auf 690 Millionen gesunken, sagt er. Doch nun zeigt die Kurve wieder deutlich nach oben, vor allem wegen der Corona-Pandemie. Lässt sich dieser Trend nicht umkehren, dürften in zehn Jahren erneut 840 Millionen Menschen Hunger leiden. „Innovation ist daher unverzichtbar“, sagt Heinrich.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) hat seinen Hauptsitz in Rom und kämpft in aller Welt gegen den Hunger.
Es konzentriert sich auf Nothilfe, Wiederaufbau und Entwicklungszusammenarbeit, aber auch auf technologische Innovationen. Die Helfer unterstützen zudem Opfer von Krieg, Dürre, Sturm und Erdbeben, zusätzlich planen sie langfristige Entwicklungsprogramme. Jährlich profitieren bis zu 100 Millionen Menschen von der Arbeit des WFP, das durch Zuwendungen aus Geberstaaten und Spenden finanziert wird.
Chef ist der Amerikaner David Beasley, ein früherer Gouverneur des US-Staates South Carolina. Insgesamt hat das WFP rund 15.000 Mitarbeiter.
2020 wurde dem WFP der Friedensnobelpreis für seinen Einsatz „im Kampf gegen Hunger und für bessere Friedensbedingungen in Konfliktregionen“ zuerkannt. Die Organisation sei „eine treibende Kraft, um zu verhindern, dass Hunger als Waffe in Krieg und Konflikten eingesetzt werde“, hieß es zur Begründung. Die Verleihung des Friedensnobelpreises findet am Donnerstag, 10. Dezember, in Oslo statt.
Ideenschmiede
Eine zentrale Rolle nimmt seit 2015 der „Innovation Accelerator“ in München ein, eine Art Ideenschmiede unter der Leitung von zwei Österreichern: Heinrich und Bernhard Kowatsch. Sie sammelt mit Unterstützung durch Regierungen, Unternehmen und NGOs unterschiedlichste Visionen – etwa von Start-ups – und unterstützt deren Entwicklung. Die erfolgversprechendsten Ideen werden in einem mehrstufigen Prozess umgesetzt, 2020 profitierten davon zwei Millionen Menschen in aller Welt.
Die Projekte wirken oft ebenso futuristisch wie SHERP und haben dennoch enormen Nutzen. Da gibt es etwa „H2Grow“, das durch den Einsatz von Hydrokulturen Zehntausenden Menschen in Wüstengebieten, Flüchtlingscamps und Slums den Anbau von Gemüse oder Futtermittel ermöglicht. Ganz ohne Erde, mit nur wenig Wasser.
Essen spenden mit einem Klick
Angesetzt wird aber nicht nur bei der Produktion der Nahrungsmittel, sondern auch bei der Bildung. „Wir helfen jungen Menschen, Essen auf den Tisch zu bringen“, beschreibt Kowatsch die Idee hinter dem Projekt „Empact“ (Empowerment and Action), das u.a. Flüchtlingen digitales Know-How vermittelt und dadurch ihre Job-Aussichten erhöht.
Die zentrale Aufgabe des WFP, Hunger zu bekämpfen, unterstützt ein weiteres Projekt, das im „Innovation Accelator“ entwickelt wurde: Die App „Share The Meal“. Smartphone-User können notleidenden Kindern mit nur einem Klick auf einen Spenden-Button eine hochwertige Mahlzeit zukommen lassen, was seit 2015 mehr als 90 Millionen Mal geschah, u. a. im Jemen, in Syrien und in Nigeria (Die App ist in den gängigen Stores erhältlich).
Man freue sich darauf, auch in Zukunft neue Ideen vorgestellt zu bekommen, so Kowatsch, der "Share The Meal" mitentwickelt hat: „Es gibt so viele gute Ideen in der Welt.“
Mehr Informationen über die Arbeit des World Food Programme und Spendenmöglichkeiten finden Sie hier.
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