Knusprige, goldbraune Baguettes, Kornspitze und Brotlaibe soweit das Auge reicht. Davor in Großbuchstaben die Sätze: „Supermärkte dürfen Essen nicht mehr wegschmeißen. Neue Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung kommen.“ Mit diesem Sujet werben die Grünen derzeit großflächig auf Social-Media-Kanälen. Fix ist das Wegwerfverbot zwar noch nicht, der Nationalrat muss es erst absegnen, doch die entsprechenden Weichen sind gestellt. Mit den Stimmen aller Fraktionen hat der Konsumentenschutzausschuss einen entsprechenden Entschließungsantrag abgesegnet.
Der KURIER hat sich angesehen, welche Maßnahmen geplant sind, wie das in der Praxis aussehen kann – und was das am Ende überhaupt bringt.
Was ist geplant?
Gesundheits- und Konsumentenschutzminister Rudolf Anschober (Grüne) soll dem Nationalrat vorschlagen, das Wegwerfen „genusstauglicher“ Lebensmittel aus dem Einzelhandel nach französischem Vorbild zu verbieten. Gleichzeitig sollen bestehende Gesetze und Fördersysteme evaluiert und eine nationale Koordinationsstelle geschaffen werden. Auch eine Kampagne zur Bewusstseinsbildung von Konsumenten ist geplant, um die Verschwendung in den Haushalten zu verringern. Als Grundlage für all das brauche es eine bessere Datenbasis und mehr Transparenz „über die gesamte Wertschöpfungskette“, heißt es im Antrag.
Was aber heißt „genusstauglich“?
„Genusstauglich heißt, dass wir die Lebensmittel unbedenklich verzehren können“, erklärt die Konsumentenschutz-Sprecherin der Grünen, Ulrike Fischer.
Werden in Österreich wirklich so viele Lebensmittel weggeschmissen?
Alleine im Handel, in der „Außer-Haus-Verpflegung“ (z. B. Gastronomie) und in privaten Haushalten werden in Österreich pro Jahr 756.700 Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Davon seien 491.000 Tonnen „vermeidbare Lebensmittelabfälle“ – das geht aus einer Schätzung des Ökologieinstituts hervor. Abfälle aus Landwirtschaft und Produktion sind in dieser Zahl noch nicht inkludiert.
Wie funktioniert das französische Vorbild-Modell?
Frankreich hat sich schon 2012 zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2025 zu halbieren. Seit 2015 dürfen Großhändler deshalb unverkaufte Nahrungsmittel nicht mehr wegwerfen. Sie müssen – je nach verbleibender Qualität – gespendet, als Tiernahrung genutzt oder als Kompost verwendet werden. Supermärkte mit einer Fläche von mehr als 400 m² sind verpflichtet, Spendenabkommen mit karitativen Organisationen abzuschließen. Für das Wegwerfen von Lebensmitteln drohen hohe Geldstrafen. Allerdings gibt es dafür keine eigene Kontrollinstanz.
Ist der Plan zielführend?
"Die im Aktionsplan angeführten Punkte sind gut und richtig“, erklärt Martin Wildenberg, Experte für nachhaltigen Konsum der Umweltschutzaktion Global 2000. Auch wenn ein großer Teil der Lebensmittelabfälle abseits des Handels anfallen würde, sei dieser „in einer mächtigen Position“, sagt Wildenberg. In Frankreich war die Bilanz drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Wegwerfverbots eine durchaus erfreuliche: Der Anteil der Lebensmittel, den die Supermärkte spenden, war von 39.000 Tonnen auf 46.200 Tonnen gestiegen – das entspricht einem Plus von fast 19 Prozent.
Wie kam es überhaupt zu der Initiative?
Ein Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung „über die gesamte Wertschöpfungskette“ ist im türkis-grünen Regierungsprogramm vorgesehen. Im Konsumentenschutzausschuss war es allerdings zunächst die FPÖ, die einen Entschließungsantrag einbrachte, der inhaltlich noch über die im Regierungsprogramm vorgesehenen Punkte hinausging. ÖVP und Grüne stimmten im Ausschuss aber dagegen und brachten stattdessen einen eigenen Antrag ein, der mit dem Kapitel im Regierungsprogramm weitgehend ident ist. Dieser Antrag wurde mit der Zustimmung aller Fraktionen angenommen.
Was fehlt im türkis-grünen Aktionsplan?
Der von der FPÖ in den Ausschuss eingebrachte Antrag enthielt einige Vorschläge, die im Antrag der Regierungsfraktionen nicht vorkommen. Darunter etwa das konkrete Ziel, Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. „Ich hoffe, dass wir mit dem Aktionsplan in den nächsten Jahren weit über eine Halbierung hinauskommen“, sagt Ulrike Fischer. Auch eine Datenerhebung in der Landwirtschaft hatten die Blauen vorgeschlagen, „um den vermeidbaren Anteil an Lebensmittelabfällen und -verlusten zu senken“. Dazu Fischer: „Man sollte überlegen, die Landwirtschaft zusätzlich einzubinden. Aber Landwirte neigen ohnehin dazu, möglichst wenig wegzuwerfen. Wenn wir uns alle verhalten würden wie unsere Bauern, wären die Probleme weitaus geringer.“
Was für Nachhaltigkeitsexperten Wildenberg jedenfalls fehlt, ist, neben dem Handel vor allem den Bereich Außer-Haus-Verpflegung in den Aktionsplan zu inkludieren. Denn hier fallen mit 300.000 Tonnen fast drei Mal so viele Lebensmittelabfälle wie im Handel an.
Wie reagiert der Handel?
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will betont im Gespräch mit dem KURIER, der Handel habe schon allein ein wirtschaftliches Interesse daran, Lebensmittelabfälle möglichst auf null Prozent zu reduzieren. Schon jetzt würden Lebensmittel im Wert von 100 Millionen Euro pro Jahr an karitative Organisationen abgegeben. Dabei gebe es zwei Probleme: Um die Vorsteuer auf die Produkte nicht zahlen zu müssen, müssten sie auf Null-Wert boniert werden. Dann gelten sie allerdings als verdorben und dürfen nicht weitergegeben werden. Außerdem haften die Händler für die Ware. An diesem Punkt beruhigt Fischer: Um dem entgegenzuwirken, sei im Antrag ja das Evaluieren bestehender Gesetze vorgesehen.
Wie kann es in der Praxis funktionieren?
Um möglichst wenig wegwerfen zu müssen, haben einige Geschäfte bereits Lösungsmodelle ausgearbeitet. „Wir schauen, bei welchen Produkten das Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums naht und verkaufen sie schon eine Woche vorher verbilligt, nicht erst zwei Tage vor Ablauf“, erzählt Johannes Binder, Adeg-Kaufmann aus Sankt Andrä-Wördern. Was trotzdem übrig bleibt, stehe für die Mitarbeiter zur freien Entnahme. Auch Brot vom Vortag wird bei Binder zum halben Preis angeboten. „Was nicht verkauft wird, bekommen dann zum Beispiel die Jäger als Tierfutter“, sagt er.
Kommentare