Mikl-Leitner: „Es sind viele Gräben aufgerissen worden“
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht vor ihrer bisher schwierigsten Wahl.
KURIER: Seit Kurzem ist klar geworden, dass der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss in Wien nicht verlängert wird. Wie froh sind Sie darüber?
Johanna Mikl-Leitner: Diese Frage müssen Sie im Parlament in Wien stellen. Ich sage aber schon dazu: Seit Jahren erleben wir auf Bundesebene eine Politik des gegenseitigen Anschüttens mithilfe von anonymen Anzeigen. Das schadet dem Ansehen der Politik. Es führt auch zu einem Vertrauensverlust in die Politik und zu einem Vertrauensverlust zwischen den politischen Parteien. Deswegen ist mir das Miteinander in Niederösterreich so wichtig, weil das dem Land und den Leuten mehr hilft.
Zweimal mussten Sie in den U-Ausschuss. Wie haben Sie die Befragung empfunden?
Als Instrumentalisierung für den Wahlkampf.
Video: Interview mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner
Sie haben das Miteinander angesprochen. Wenn ich mir den aktuellen Landtagswahlkampf anschaue, dann ist davon wenig zu spüren.
Da haben Sie vollkommen recht. Wir haben die letzten fünf Jahre in der Regierung und im Landtag sehr gut zusammengearbeitet. In der Landesregierung, in der auch SPÖ und FPÖ vertreten sind, wurden 99 Prozent der Beschlüsse einstimmig gefasst. Auch im Landtag wurden 98 Prozent der Tagesordnungspunkte mit zumindest einer weiteren Partei beschlossen. Wir haben dieses Miteinander wirklich gelebt und sind damit auch besser durch die Krise gekommen. Das zeigen auch Zahlen, Fakten und Daten. Etwa das Wirtschaftswachstum, das über dem Österreichschnitt liegt. Das sieht man auch bei der Kaufkraft, wo wir auf Platz eins liegen.
Dennoch wird der Wahlkampf härter geführt als je zuvor.
Es findet jetzt ein sehr scharfer Wahlkampf statt, wo viele Gräben aufgerissen worden sind, die wahrscheinlich in den kommenden Tag noch tiefer werden. Mit ist es aber wichtig, nach der Wahl diese Gräben wieder zuzuschütten und allen die Hand zu reichen, um wieder zusammenarbeiten zu können.
Und wie geht das? Vier Wochen lang wirft man einander alles Mögliche an den Kopf und am 30. 1. wird der Schalter wieder umgelegt?
Wahlkampf heißt Kampf, das ist überhaupt keine Frage. Aber man kann dennoch Anstand zeigen. Anders ist das bei der FPÖ, die mit Ansagen wie „Krieg ins Land bringen“ in den Wahlkampf hineingeht. Das spaltet das Land. Deswegen werde ich auch alles unternehmen, um Blau-Rot zu verhindern, denn diese Parteien wollen das Miteinander beenden.
Ihr Miteinander wird schwierig. Sie haben FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer im Wahlkampf die Hand angeboten. Er hat das mehrmals demonstrativ abgelehnt.
Wir haben bis zuletzt mit der FPÖ sehr gut zusammengearbeitet. 99 Prozent der Beschlüsse einstimmig – auch mit der FPÖ, wo er Landesparteiobmann ist. Die Stilfrage ist eine andere, das unterscheidet uns deutlich. Dennoch will ich danach das Miteinander wieder pflegen. Ich werde es nicht wegen eines Herrn Landbauer aufgeben. Mein Ziel ist, alle Parteien wieder zusammenzuführen.
Ihre Partei warnt derzeit vor Blau-Rot oder Rot-Blau, also einer Koalition gegen die ÖVP, die dann bei der Wahl einer Landeshauptfrau oder eines Landeshauptmanns entscheidend sein könnte. Aber das geht sich doch rechnerisch überhaupt nicht aus.
Die derzeitigen Umfragen zeigen, dass Blau-Rot bei fast 50 Prozent liegt und damit die absolute Mehrheit in Griffweite ist. Deswegen gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten und alles zu tun, um dieses blau-rote Experiment zu verhindern.
Das blau-rote Experiment könnte auch verhindert werden, wenn die ÖVP auf die beiden kleinen Parteien, die Grünen und die Neos, zugeht. Wie gut ist da die Gesprächsbasis?
Ich reiche allen Parteien die Hand. Sowohl jenen, die dann in der Regierung sitzen, als auch jenen, die im Landtag sein werden. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass wir zusammenarbeiten und alle Ideen einbringen, um Niederösterreich noch besser zu machen.
Dass die ÖVP am 29. Jänner die absolute Mehrheit verlieren wird, damit hat man sich schon abgefunden?
Die Zeiten von absoluten Mehrheiten sind vorbei. Und globale Krisen sind nicht dazu angetan, Rückenwind zu verleihen, weder in anderen europäischen Staaten, noch in Österreich und auch nicht in Niederösterreich. Deswegen braucht es auch Stabilität, Verlässlichkeit und Sicherheit, wie wir das in den vergangenen Jahren hatten.
Im Wahlkampf ist man noch mehr mit den Menschen in Kontakt. Welche Probleme und Sorgen werden da am öftesten an Sie herangetragen?
Das zentrale Thema ist die Teuerung. Deswegen war es uns auch wichtig, diese Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Wir waren auch das erste Bundesland, das finanzielle Hilfen zugesagt und umgesetzt hat. Da denke ich an den blau-gelben Strompreisrabatt, wo es dann gelungen ist, dass das auch bundespolitisch nachgezogen worden ist.
Ist Corona noch ein Thema?
Das wichtigste Thema ist die Teuerung.
Der allgemeine Vertrauensverlust in die Politik ist evident. Ist das Wahlkämpfen deswegen schwieriger?
Es ist nicht einfacher geworden. Und wenn man auf den Umgang im Parlament in Wien schaut, darf einen das nicht wundern.
Es wird spekuliert, dass der Ausgang der Landtagswahl auch auf den Bund Auswirkungen haben wird.
Es ist eine Landeswahl, da geht es nicht um irgendwelche bundespolitischen Themen. Es geht um die Anliegen und Sorgen der niederösterreichischen Landsleute.
Haben Sie sich für die Wahl am 29. Jänner eine persönliche Latte gelegt?
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, das Miteinander weiterzuführen. Wenn Sie mich nach einer konkreten Zahl fragen, dann sage ich 40 plus.
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